Setzen wir auf die Synergie zwischen Lehrkraft und KI!
Gastbeitrag --- KI ist in aller Munde und man könnte den Eindruck gewinnen, dass wir in der Zukunft ganz auf Lehrkräfte verzichten können. Mit jeder neuen Technologie hat es diese Debatte in der Vergangenheit gegeben. Was wir tatsächlich beobachten: Arbeit wird nicht ersetzt, sie verändert sich. Das schafft gerade im Bildungssektor neben den unbestreitbaren Herausforderungen auch neue Chancen.
Oft wird im Zusammenhang mit neuen Technologien von der Annahme ausgegangen, dass menschliche Arbeit überflüssig wird, weil sie durch Maschinen ersetzt wird. Es ist objektiv betrachtet jedoch hilfreicher, in diesem Zusammenhang nicht so sehr über das Ersetzen, sondern über Veränderungen, Komplementaritäten und Synergien nachzudenken.
Wenn beispielsweise eine Lehrkraft ein Unterrichtsdesign für den Mathematikunterricht entwirft, dann werden Ziele definiert und Lernaktivitäten entworfen, die optimalerweise zu diesen Zielen führen sollen. Dies ist eine komplexe Aufgabe, die eine KI nicht alleine bewältigen kann. Aber auch Lehrkräfte haben damit oft Schwierigkeiten. Am Zentrum für Digitalisierung im Lebensbegleitenden Lernen der Universität für Weiterbildung Krems haben wir KI-Unterstützung entwickelt, die die Inhalte dieser Unterrichtspläne analysiert und Feedback darüber gibt, ob der eingeschlagene Weg zum Erfolg führt oder nicht. Hier entsteht im Idealfall eine Synergie zwischen KI und Lehrkraft, die die Stärken optimal ausnutzt: Die Lehrkraft bringt ihre Erfahrung zu den Besonderheiten der Schülerinnen und Schüler ein, die KI basiert ihre Rückmeldung auf der Analyse einer großen Anzahl von Unterrichtsdesigns.
Ähnliche Synergien können sich beispielsweise dann ergeben, wenn Schülerinnen und Schüler intelligente Tutorensysteme im Unterricht einsetzen, die Lehrkraft aber über den Lernstand ihrer Klasse informiert wird, um so auch auf individuelle Schwierigkeiten eingehen zu können. Es gibt viele weitere Beispiele, in denen entweder die Lehrkraft oder die KI verschiedene Rollen einnehmen können. Gemeinsam ist allen, dass sich die Synergie oft erst im konkreten Zusammenspiel ergibt.
Bei KI-Systemen handelt es sich um lernende Systeme. Daraus ergeben sich Synergien nicht nur bei der Durchführung bestimmter Aufgaben, sondern sie sind auch bei der langfristigen Entwicklung von Wissens- und Fertigkeiten zu beobachten. Denn auch Lehrkräfte lernen. So haben KI-Systeme, die im Unterricht eingesetzt werden beispielsweise einen Einfluss darauf, auf welche Hinweise Lehrkräfte verstärkt achten. Wenn diese Hinweise auch eine diagnostische Relevanz haben, dann verbessern sich dadurch auch die pädagogischen Fähigkeiten der Lehrkraft. Und dann merken sie beispielsweise frühzeitig ob eine Gruppenarbeit funktioniert oder nicht. Andersherum kann auch die Lehrkraft der KI Dinge beibringen um eigene Aufgaben zu übernehmen.
Zweifellos gibt es noch viel Forschungs- und Entwicklungsbedarf, um diese Chancen auch tatsächlich zu realisieren und nicht in eine dystopische Zukunft eines "Outsourcings" der Bildung durch KI zu steuern. Diese Komplementaritäten zwischen KI und Lehrkräften untersucht das EU Projekt TAICo (Teacher-AI Complementarity). Vertreten sind führenden europäische Forschungseinrichtungen zu Auswirkungen von KI auf den Lehrberuf, der Europäische EdTech-Sektor und die Europäische Lehrergewerkschaft. Das Projekt soll dabei den gesamten Bildungssektor (von der Grundschule bis zur Weiterbildung) betrachten, mögliche Auswirkungen analysieren und zur besseren Gestaltung politischer Rahmenbedingungen beitragen.
Zur Person:
Tobias Ley ist Universitätsprofessor für Weiterbildungsprozesse in digital gestützten Lehr und Lernräumen und Leiter des Zentrums für Digitalisierung im Lebens begleitenden Lernen der Universität für Weiterbildung Krems. Ley leitet derzeit das europäische Forschungskonsortium Teacher-AI Complementarity (Acronym: TAICo). Das im Horizon Europe Programm geförderte Projekt erarbeitet ein Modell für das Zusammenspiel von Lehrenden und KI. Dessen Richtlinien sollen dem europäischen Bildungssektor helfen, die Herausforderungen für Europa, Digitalisierung und nachhaltiges Wachstum, besser zu bewältigen.
Service: Dieser Gastbeitrag ist Teil der Rubrik "Nachgefragt" auf APA-Science. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.