Diabetes-Heilung mit transplantierten Inselzellen am Horizont
Erstmals ist es Wissenschaftern gelungen, einem Patienten mit Typ-1-Diabetes Insulin-produzierende Zellen aus der Bauchspeicheldrüse eines Spenders zu transplantieren, die keine Abstoßungsreaktion hervorrufen. Sie funktionierten in den ersten vier Wochen Beobachtungszeit. Dies gaben die schwedische Universität Uppsala und das US-Biotech-Unternehmen Sana bekannt.
Der Hintergrund: Seit Jahren wird versucht, Typ-1-Diabetes, bei dem die Betroffenen sofort mit Ausbruch der Erkrankung auf Insulininjektionen angewiesen sind, zu heilen. Der beste Weg dazu wäre wohl die Transplantation von Insulin-produzierenden Zellen, welche das für den Zuckerstoffwechsel entscheidende Hormon wieder bereitstellen können. Bisher mussten aber alle Patienten, die Spender-Inselzellen bekamen, zur Verhinderung einer Abstoßungsreaktion so behandelt werden, wie andere Organtransplantierte: lebenslang mit starken, die Immunabwehr beträchtlich schwächenden Medikamenten mit möglichen schweren Langzeitkomplikationen.
Spender-Inselzellen ohne immunologische Charakteristika
Jetzt könnten Wissenschafter des US-Unternehmens Sana Biotechnology (Seattle/USA) zusammen mit Ärzten der schwedischen Universität Uppsala einen großen Fortschritt gemacht haben. Bei Sana wurden "hypoimmune" Insulin-produzierende Zellen aus der Bauchspeicheldrüse von Spendern entwickelt, die keine Abstoßungsreaktion auslösen.
Im Dezember vergangenen Jahres wurde an der Universitätsklinik von Uppsala zum ersten Mal ein Patient mit Typ-1-Diabetes mit solchen genetisch veränderten Zellen behandelt. "Das Team um Per-Ola Carlsson, das seit 2001 Erfahrungen mit 60 konventionellen Inselzelltransplantationen (mit der Notwendigkeit anschließender Immunsuppression; Anm.) gemacht hat, implantierte die 'Pseudo-Inselzellen' in den Oberarm des nicht näher gekennzeichneten Patienten.
Das Transplantat hat laut der Pressemitteilung der Klinik bisher vier Wochen überlebt, obwohl der Patient keine Immunsuppressiva erhielt. Es kam zu einem Anstieg des C-Peptids (im Blut; Anm.), der ein Marker für die körpereigene Insulinproduktion ist", berichtete das Deutsche Ärzteblatt gestern, Mittwoch.
Die transplantierten Zellen hätten auf Nahrungszufuhr für den Patienten mit einer erhöhten Insulinproduktion reagiert, hieß es weiter. Per Magnetresonanztomografie habe man "Überlebenssignale" der transplantierten Zellen registriert. Komplikationen oder Nebenwirkungen seien nicht aufgetreten.
CRISPR-Cas9-"Genschere" verwendet
Bei der nunmehrigen Erprobung an den ersten Patienten handelt es sich vorerst ausschließlich um eine nicht von Sana, sondern aus Mitteln der schwedischen Universität finanzierte Studie, welche die Machbarkeit und die Sicherheit des Verfahrens belegen soll. Dahinter steckt eine auf der "Genschere" CRISPR-Cas9 basierende Technologie. Für die Entdeckung von CRISPR-Cas9 zur gezielten Veränderung von Geninformationen wurden die Französin Emmanuelle Charpentier und die US-Wissenschafterin Jennifer Doudna im Jahr 2020 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet.
Im Fall der Veränderung von Inselzellen aus der Bauchspeicheldrüse von Spendern geht es um das Ausschalten von Gewebemerkmalen, welche die Zellen für das Immunsystem des Empfängers "fremd" erscheinen lassen und eine sofortige und zerstörerische Abstoßungsreaktion in Gang setzen. Dies erfolgte in mehreren Schritten. Mit der Genschere CRISPR-Cas9 wurden aus der Erbsubstanz der Spenderzellen zwei immunologisch wirksame Gene (B2M und CIITA) entfernt. Per Genfähre wurde danach ein zusätzliches Gen (CD47) eingefügt, wie die deutsche Ärztezeitung berichtete.
In einem Tiermodell hatte die Transplantation solcher Inselzellen sogar über die Artengrenze von zwei Makaken-Affen (Rhesus/Java) hinweg funktioniert und sechs Monate lang künstlich verursachten Typ-1-Diabetes geheilt, berichteten die Sana-Wissenschafter vergangenes Jahr in der Fachzeitschrift "Cell Stem Cell".
Details noch unbekannt
Nicht bekannt ist bisher, wie stark bei dem behandelten Patienten eine Insulinproduktion durch die genetisch veränderten Inselzellen wieder in Gang gekommen ist. Details sollen in einer Fachpublikation veröffentlicht werden. Das Ziel wäre ja, dass Typ-1-Diabetiker kein Insulin mehr spritzen müssen.
Eine Heilung von Typ-1-Diabetes, bei dem es durch eine Autoimmunreaktion zur Zerstörung der Insulin-produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse kommt, wäre ein enormer Fortschritt der Medizin. Die Krankheit bricht zumeist bereits im Kindes- und Jugendalter aus, wodurch die Betroffenen in ihrem späteren Leben besonders durch Langzeitkomplikationen wie frühe Atherosklerose, Nieren- und Netzhautschäden gefährdet sind. Sie sind sofort mit ihrer Diagnose auf regelmäßige Insulininjektionen und ständiges Messen der Blutzuckerwerte angewiesen. In Österreich leben rund 30.000 Menschen mit Typ-1-Diabetes. International sind es fünf bis zehn Prozent aller Zuckerkranken.