K1 als Übersetzer: "Anwender muss man ja erstmal verstehen"
Das K1-Zentrum VRVis und sein jüngster Wissenschaftspartner – die Universität Wien – halten das Kompetenzzentren-Programm COMET für "fantastisch und weltweit fast einzigartig". Wo es noch Verbesserungsbedarf gibt, warum "Kontrollitis" nervt und welche "Wünsche ans Christkind" man hätte, erklärten die verantwortlichen Experten im Gespräch mit APA-Science.
"Die COMET-Förderschiene ist fantastisch, wirklich vorbildhaft auch für die restliche Welt. Es ermöglicht in Österreich etwas, was es international fast nirgends gibt. Wenn man einem Amerikaner erzählt, was wir hier für eine Förderung für was für eine Art von Kompetenzzentrum haben, dann schauen die nur so", sagte Werner Purgathofer, wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Virtual Reality und Visualisierung (VRVis) und Professor an der Technischen Universität (TU) Wien.
"Auch in Kanada, wo ich 14 Jahre war, gibt es so ein Programm nicht", meinte Torsten Möller, Leiter der Forschungsgruppe Visualization and Data Analysis an der Fakultät für Informatik der Universität Wien. "Es ist unheimlich faszinierend, was hier aufgebaut und wie effizient ein sehr schwieriges Thema der Universitäten und der akademischen Herangehensweise bewältigt wurde. Und zwar Forschung zu machen, aber diese Forschung an Anwendungsproblemen festzumachen und da eine Synergie mit der Industrie zu finden."
"An einem Strang ziehen"
"Es gibt eine Reihe von Kooperationen, die das Zentrum betreibt, die ohne COMET nie auch nur ansatzweise passiert wären", gab sich Purgathofer überzeugt. "Wir haben Firmen, mit denen wir jetzt seit 15 Jahren ununterbrochen Projekte machen. Mit diesen Unternehmen hätten wir von der Uni her sicher hier und da ein kleines Projekt gemacht, aber dieses durchgehende an einem Strang ziehen, die Ziele der Firma zu verstehen, das wäre so nie passiert", sagte der Experte.
Dazu sei beispielsweise die Fluktuation an der Universität viel zu groß. "An der Uni sind die Leute normalerweise für vier Jahre. Bis auf die leitenden Köpfe bleibt keiner viel länger. Am Zentrum können wir die guten Köpfe über zehn oder fünfzehn Jahre halten. Die kriegen ja auch mehr bezahlt dort. Das ist ein guter Job, ein Mittelding zwischen Industrie und Uni", erklärte Purgathofer. Auch das Kompetenzzentrum ziehe viele Vorteile aus der Nähe zur Uni: So könne man Diplomanden und Praktikanten schon früh im Studium anwerben.
Ein Haupterfolgsfaktor der Zentren sei die Übersetzerrolle zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. "Die Zentren – das VRVis gibt es seit 15 Jahren – haben gelernt, mit den Anwendern zusammenzuarbeiten, mit ihnen Förderungen auf die Beine zu stellen und auf die Probleme, die oft nicht gesehen werden, hinzuweisen. Einen Anwender muss man ja erstmal verstehen, der hat ja seine eigene Sprache und Denkweise, die für den Informatiker per se nicht so selbstverständlich ist", sagte der TU-Professor.
Reviewer verstehen Konzept zu wenig
Er kritisiert, dass bei den Reviews diese translationale Tätigkeit – "der Sinn der Zentren" – zu wenig berücksichtigt wird. "Weil eine Förderschiene wie COMET fast nirgends existiert, gibt es auch kaum Reviewer, die das das Konzept verstehen oder als solches akzeptieren", so Purgathofer. Weder die Firmen noch die Reviewer seien an der Transferleistung per se interessiert. "Das ist der eigentliche Spagat."
Die Reviews würden Energie kosten, die besser verwendet werden könnte. "Wir müssen heuer wieder einen neuen Antrag schreiben, weil unser Zentrum 2016 ausläuft. Für die nächsten acht Jahre laufen jetzt die Vorbereitungen. Da geht schon sehr viel Aufwand in den Antrag. Der muss am 2. Dezember eingereicht sein, dann gibt es ein halbes Jahr Wartezeit, ein Hearing und eine Jury-Sitzung und Ende Juni erfahren wir wahrscheinlich, ob wir weiter gefördert werden."
Insgesamt würden kommendes Jahr fünf Zentren auslaufen. "Wir gehen davon aus, dass die erneut beantragen werden und dass es ungefähr fünf zusätzliche Neuanträge geben wird. Bei einem Neuantrag betragen die Chancen knapp 50 Prozent. Bisher sind wir davon ausgegangen, dass es Geld für fünf Zentren gibt. Mittlerweile gibt es Mittel für sieben. Das macht uns deutlich optimistischer, weil es heißt, dass sie alle fünf bestehenden Zentren ohne Bauchweh weiter bestehen lassen und zwei neue dazu nehmen können", sagte der Professor.
Problematisch sei, dass, wenn man ein Zentrum mit 60 bis 100 Mitarbeitern aufgebaut hat und an das Ende der Laufzeit kommt, es Null oder 100 heiße. "Das ist für alle Mitarbeiter sehr unbefriedigend und sollte abgeschwächt werden. Man könnte darüber nachdenken, dass man Zentren, wenn sie sich lange genug bewährt haben, aus der kompetitiven Antragstellung für eine Zeit herausnimmt und ihnen eine Basisfinanzierung extra gibt wie bei Fraunhofer oder dem Joanneum", schlägt Purgathofer vor.
In der Schlussphase der Förderperiode würden die sehr guten Leute außerdem Augen und Ohren offen halten und schauen, wo es attraktive Jobs gibt. "Und wenn man einmal anfängt zu suchen, ist man – auch wenn man ursprünglich bleiben wollte – versucht, etwas anderes zu probieren. Wenn die besten Leute fortgehen, ist das für das Zentrum eine suboptimale Situation", strich der Experte hervor.
"Fortschreitende Kontrollitis"
Nicht ganz zufrieden ist man auch hinsichtlich der "allgemein fortschreitenden Kontrollitis, die auch bei uns durchschlägt und mich gewaltig stört", so Purgathofer: "Es wird alles ein bisschen strenger. Anfangs mussten wir schreiben, wie viel Prozent unserer Zeit wir am Zentrum verbringen, dann mussten wir angeben, wie viel Stunden wir dort sind. Jetzt müssen wir für jede Stunde dazuschreiben, was wir dort machen."
Der administrative Aufwand "ist nicht ohne", stimmte Möller zu: "Alle Stunden genau aufzuschreiben, was ich an dem und dem Tag für dieses oder jenes Projekt gearbeitet habe, das kannte ich vorher nicht. Das ist sehr mühsam. Sobald man den Prozess administriert, ist Forschung tot. Forschung passiert nicht häppchenweise. Da fehlt ein bisschen das Vertrauen. Man sollte die Ergebnisse administrieren, aber nicht den Prozess."
Ein weiterer "Wunsch an das Christkind" – so Purgathofer – wäre die Beseitigung einer "kleinen bürokratischen Hürde, die uns schon lange stört". "Universitäten müssen ja fünf Prozent unbar – in kind – beitragen. Bei Zentren mit fünf, sechs Millionen Euro Umsatz sind das mehr als 250.000 Euro. Das können die Unis in der heutigen finanziellen Lage nicht leicht schaffen. Nehmen wir an, dass zehn Leute mit dem Zentrum zusammenarbeiten. Wenn die eine Viertelmillion Euro in kind beitragen müssen, heißt das, dass von diesen zehn Leuten die halbe Arbeitszeit in das Zentrum geht. Das ist eigentlich ein Unsinn in der Konzeption", meint der TU-Professor.
"Zwei Prozent wären darzustellen, einfach weglassen wäre besser. Das ist der große Verbesserungsvorschlag, den alle Zentren wie ein ceterum censeo dazu fügen, weil das wirklich stört. Ich bin überzeugt, die Firmen würden diese fünf Prozent sogar noch mitzahlen, wenn sie nur dürften", ist Purgathofer überzeugt.
Von Stefan Thaler / APA-Science