Wie aber profitiert eine Sozialarbeiterin oder ein Pfleger von New Work, wie lässt sich mehr Flexibilität mit dichten Dienstplänen und Zusatzschichten bzw. dem prinzipiellen Streben nach einem gerechteren Arbeitsmarkt in Einklang bringen? Die Debatte um New Work entspringt vor allem aus jenen Branchen, die eher mit Büroarbeit verbunden sind. Doch den sich aufdrängenden Gedanken einer potenziell elitären Abgehobenheit in der Diskussion relativieren die Expertinnen: “Innovation kann in einem Bereich beginnen und dann weiter greifen. Es ist nicht schlecht, wenn jene, die es sich leisten können, mit dem Experimentieren beginnen”, meint Prainsack. Die Diskussion dürfe aber nicht verkürzt werden, Flexibilisierung sei mehr als das Arbeiten von daheim: “Da geht es z. B. um Flexibilisierung im Sinne von mehr Mit- und Selbstbestimmung durch den Arbeitnehmer, etwa bei der Organisation von Arbeitszeiten oder das Einbeziehen in das Setzen von Zielen. Das ist nicht nur bei Bürojobs möglich.” Das sei beispielsweise auch in Care- und Pflegeberufen diskutier- und umsetzbar.
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Wertewandel, Klimawandel
Die Erfahrungen aus der Pandemie und aktuelle Krisen haben den Blick auf Arbeit verändert. Energiekosten und Inflation verstärken das Problem der ungerechten Verteilung von Produktivitätsgewinnen. Immer mehr Menschen hinterfragen, warum sie mehr bzw. so wie üblich arbeiten sollen. Doch die häufig propagierte These des Generationenproblems, also dass die Jungen nicht mehr wollen, greife hier viel zu kurz: “Diese Zuspitzung des Problems und das Ausspielen der Generationen gegeneinander ist nicht gerechtfertigt”, so die Expertinnen.
> „Es geht nicht um: Keinen Bock auf Arbeit“ – Meinungs- und Jugendforscher Matthias Rohrer im Interview
Es mehren sich vielmehr empirische Hinweise, dass sich ein Wertewandel auch bei den älteren Jahrgängen vollzieht. Zudem stellt sich vermehrt die Frage: Wie wollen wir angesichts der dauerhaften Krise Klimawandel und des Zustandes des Planeten künftig arbeiten?
Heute gelten die grünen Jobs als wichtiges Investitionsfeld der Zukunft und zur Förderung von Berufen, die zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks des Menschen und der Gesellschaft beitragen (siehe Klima-Glossar: Green Jobs; neue Zahlen zu Green Jobs in Österreich veröffentlicht die Statistik Austria im Mai). Dabei geht die enge Definition der “Green Jobs”, etwa als Berufe im Umweltsektor und mit Beiträgen für nachhaltige Energiewirtschaft, nachhaltiges Bauen oder das Management von Umweltressourcen, einigen nicht weit genug. Beiträge für eine nachhaltige Gesellschaft können oder sollten, meint Prainsack, auch soziale Komponenten beinhalten, etwa bei nachhaltigem Tourismus, Kultur oder Bildung. Arbeit sei der Schlüssel zur weitgehenden Transformation der Gesellschaft.
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Künstliche Intelligenz
Nicht zuletzt die Künstliche Intelligenz setzt entscheidende Impulse, die uns bisherige Arbeitspraktiken und Rollenverständnisse hinterfragen lassen. “Es ist nicht das erste Mal, dass Menschen befürchten, dass Maschinen menschliche Arbeit überflüssig machen und einige wenige sehr reich und die Mehrheit sehr arm werden.” Der Satz erscheint zeitlos, er entstammt einem Kommentar von Wirtschaftshistoriker Robert C. Allen aus dem Jahr 2017 im Journal Nature (doi: 10.1038/550321a). Spätestens mit der Veröffentlichung des Chatbots ChatGPT von OpenAI im November 2022 und seinen Pendants der Konkurrenz ist die Diskussion um die Zukunft von Arbeit um eine entscheidende Facette reicher.
Digitalisierung und KI haben zunehmend den Arbeitsalltag verdichtet. So wenig, wie Roboter den Menschen ersetzt haben, werden auch KI und Chatbots Menschen nicht ersetzen, lautet der Expertentenor. Sie sind vielmehr ein weiterer Faktor für die Verschiebung von Arbeitslast und Neugestaltung von Arbeitswelten bzw. Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine. So gilt auch hier für Politikwissenschaftlerin Prainsack: “Die Arbeitsmarktpolitik ist das Grundproblem, es sind nicht die Roboter.”
“Digitalisierung und Big Data transformieren die Arbeitswelt. Beschäftigte, die nicht anpassungsfähig genug sind, sind dadurch mit neuen Beschäftigungsrisiken konfrontiert”, schreibt Wirtschaftswissenschafter Holger Bonin, designierte Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), in einem Gastkommentar. Um den Wandel zu begleiten, müsse sich die Arbeitsmarktpolitik nicht ganz neu erfinden: “Es bleiben auch im digitalen und datengetriebenen Strukturwandel zur Beschäftigungssicherung klassische Ansätze der aktiven Arbeitsmarktpolitik zentral, auch wenn sie einer inhaltlichen Nachschärfung bedürfen.”
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