"Manifest für Insekten" - Ohne diese "gibt es keine Menschen"
Ein "Manifest für Insekten" hat die Biologin Dominique Zimmermann vom Naturhistorischen Museum (NHM) Wien mit dem Künstler Edgar Honetschläger verfasst. "Ohne Insekten gibt es keine Menschen" ist einer der 13 Punkte der Erklärung, die in Stein gemeißelt als "Walk of Insects" vor der Universität für Bodenkultur Wien in Wien-Döbling auf die Bedeutung des "verborgenen Lebens auf sechs Beinen" hinweist. Diesem widmet Zimmermann ihr nun erschienenes Buch "Insektengeflüster".
Zimmermann ist Kuratorin der Hymenoptera-Sammlung, widmet sich also den Hautflüglern, also Bienen, Wespen und Ameisen. Mit über 150.000 bisher beschriebenen Arten gehören sie neben den Käfern, Fliegen und Schmetterlingen zu den vier größten Insektenordnungen. Abgesehen von einigen faszinierenden Vertretern wie Schmetterlinge oder Glühwürmchen fallen den meisten Menschen Insekten häufig nur unangenehm auf - etwa als lästige Gelse, Blattlaus oder Lebensmittelmotte.
Doch diese seien "nur Randerscheinungen - ein winziger Anteil einer unvorstellbaren Diversität", schreibt Zimmermann über die "vielfältigste Organismengruppe der Erde". Die Biologin gibt Einblick in deren beeindruckende Vielfalt, deren tatsächliches Ausmaß nach wie vor unklar ist. Wissenschaftlich beschrieben sind mehr als eine Million Arten, Schätzungen gehen aber von fünf bis sieben Millionen Insektenarten weltweit aus.
Speziell an Land würden die Insekten nicht nur hinsichtlich ihrer Artenzahl, sondern auch ihre Biomasse betreffend alle anderen tierischen Organismen übertreffen. Allein die Termiten bringen soviel Biomasse auf die Waage wie die Menschen. Insekten würden "unser System 'schmeißen'. Sie sind nicht unsere 'Mitbewohner', sie sind die Mehrheit", so Zimmermann.
Erstaunliche Fähigkeiten
Welch beeindruckende Techniken die Sechsbeiner entwickelt haben, um ihr Leben auf der Erde zu meistern, schildert die Biologin anhand faszinierender Phänomene wie die "Plattenbauten" in exakter Nord-Süd-Ausrichtung der Kompasstermiten, das beeindruckende saisonale Zugverhalten etwa von Mistbienen oder Monarchfaltern, oder wie es die Holzwespen-Schlupfwespe schafft, binnen weniger Minuten ihre Legeröhre bis zu acht Zentimeter tief in frisches Holz zu bohren, um Eier an Wirtslarven abzulegen. Sie erzählt von Königinnenmord, Parasiten von Parasiten, sklavenhaltenden Ameisen und dem Insekt mit dem schmerzhaftesten aller Stiche, der 24-Stunden-Ameise.
So fesselnd die Insektenwelt ist, so bedroht ist sie, wobei Zimmermann das Insektensterben als Symptom der globalen Biodiversitätskrise sieht. Auch wenn das Ausmaß des Artensterbens bei den Insekten noch kaum erschlossen sei, wirke es sich bereits vielfach auf die Ökosysteme aus - sind sie doch nicht nur wichtige Bestäuber von Pflanzen und Zersetzer organischer Materialien, sondern für viele Vögel und Säugetiere auch die Hauptnahrungsquelle. Zimmermann widmet sich daher den unterschiedlichen Gründen des Insektensterbens wie Lebensraumverlust, Pestiziden, Lichtverschmutzung, invasiven Arten oder Klimawandel.
Die Biologin zeigt auch Lösungsmöglichkeiten auf, etwa wie sich mithilfe der Landwirtschaft die Insektenwelt regenerieren ließe, wie man den Siedlungsraum neu denken sollte und die Wildnis schützen könnte. Die Frage, ob denn dieser Aufwand lohne, beantwortet Zimmermann mit einem klaren "Ja, heute mehr denn je, denn Vielfalt bedeutet Resilienz". Gelinge es, die Welt in einen Zustand zu bringen, "der ausreichend Lebensraum für Insekten bereitstellt und ihre Artenvielfalt bewahrt, haben wir einen Großteil des Weges zurückgelegt, um die Welt wieder in einen ökologisch stabilen Zustand zu bringen, der uns Menschen nachhaltig mitträgt".
Service: Dominique Zimmermann "Insektengeflüster - Über das verborgene Leben auf sechs Beinen", 272 S., 25,50 Euro, ISBN 978-3-7011-8279-4; Buchpräsentation: 17. April, 18.30 Uhr im Naturhistorischen Museum Wien, 1., Burgring 7; Eröffnung des "Walk of Insects" im Rahmen der Klima Biennale Wien: 21. Mai, 17.00 Uhr am Vorplatz der Bibliothek der Universität für Bodenkultur, Wilhelm-Exner-Haus, 19., Peter-Jordan-Straße 82; https://go.apa.at/0QI9dC64