Neue Barcelona-Ziele - Österreich bei Kinderbetreuung weiter säumig
An Österreichs Kinderbetreuungsquote ist wieder Kritik laut geworden. Der Rat der EU hat Ende 2022 seine Barcelona-Ziele erhöht: 45 Prozent der Kinder unter drei Jahren sollen 2030 an frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung teilnehmen, so die Empfehlung. Für Österreich, das das alte Ziel von 33 Prozent noch nicht erreicht hat, gilt laut Bildungsministerium nun ein niedrigeres Ziel von 31,9 Prozent. Arbeiterkammer und Gewerkschaft fordern die Regierung zum Handeln auf.
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Neu: NEOS im letzten Absatz
Für Mitgliedsstaaten, die die Ziele von 2002 noch nicht erreichen, gelten spezifische Zielwerte. So sollen Länder, deren Betreuungsquote von 2017 bis 2021 zwischen 20 und 33 Prozent lag - dazu gehört Österreich- diese um mindestens 45 Prozent anheben. Als Basis dafür dienen Daten der EU-SILC. Österreich misst die Teilnahme an frühkindlicher Betreuung allerdings an der Kindertagesheimstatistik. Laut Statistik Austria lag die Betreuungsquote von Kinder unter drei Jahren im Jahr 2021/22 demnach österreichweit bei 29,1 Prozent, jene der Drei- bis Unter-Sechsjährigen bei 94,1 Prozent. Bei Kindern zwischen drei Jahren und dem gesetzlichen Einschulungsalter empfahl der Rat 2002 90 Prozent Betreuungsquote bis 2010, Ende 2022 wurde für 2030 das Ziel von 96 Prozent ausgegeben.
Kritik kommt vom Gewerkschaftsbund (ÖGB) und der Arbeiterkammer (AK). "Nur Wien und Burgenland erfüllen jetzt das Barcelona-Ziel von 33 Prozent", kritisierte SPÖ-Bundesrätin und ÖGB-Frauenvorsitzende Korinna Schumann die Regierung zuletzt in "Ö1". Bei der Kinderbetreuung müsse schnell gehandelt werden, um Frauen Wahlfreiheit zu garantieren. Der ÖGB fordert erneut eine Kindergartenmilliarde pro Jahr und einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Österreich habe sich beim neuen Ziel "herausreklamiert" und wolle nun nur noch eine Quote von 31,9 Prozent erfüllen, so AK-Präsidentin Renate Anderl.
Der zuständige Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) erklärte in einer Anfragebeantwortung an Schumann, dass die zunächst von der EU-Kommission empfohlene Quote von 50 Prozent und die schließlich vom Rat beschlossenen 45 Prozent bis 2030 unrealistisch sei. Für Elementarpädagogik gibt es eine 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27. Bis dahin wolle man die Quote der betreuten Unter-Dreijährigen auf 33 steigern, teilte das Bildungsministerium auf Anfrage mit. Über einen Zielwert bis 2030 könne man noch keine Auskunft geben. Österreich habe jedenfalls bereits in den vergangenen Jahren eine Reihe von Schritten gesetzt, um die Besuchsquoten in der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung stetig zu erhöhen.
SPÖ-Familiensprecherin Petra Wimmer konstatierte bei der ÖVP ein Festhalten an veralteten Rollenbildern - "Frau hinterm Herd, Kind zuhause". Sie forderte in einer Aussendung einen Rechtsanspruch auf Kinderbildung ab dem ersten Lebensjahr und appellierte an die Regierung, Ländern und Gemeinden bei den laufenden Verhandlungen zum Finanzausgleich genug Geld zur Verfügung zu stellen, um diesen umzusetzen. Diesbezüglich hat die SPÖ auch eine Petition gestartet. In dieselbe Kerbe schlugen die NEOS, die ebenfalls einen Rechtsanspruch forderten: "Bildungsminister Polaschek muss die Verhandlungen über den Finanzausgleich dazu nutzen, mit Ländern und Gemeinden eine große Lösung zu schaffen", so Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. Dass die ÖVP "anscheinend lieber mit der FPÖ an rückschrittlichen Herdprämien arbeitet, anstatt den dringend notwendigen Ausbau von Kinderbildungs- und -betreuungsplätzen voranzutreiben", sei eine Farce.