27. Philosophicum Lech zu "Sand im Getriebe" eröffnet
Unter dem Titel "Sand im Getriebe. Eine Philosophie der Störung" ist gestern (19. September) das Philosophicum Lech in seine 27. Auflage gestartet. Nach den Eröffnungsreden, unter anderem von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), führte Barbara Bleisch, die sich seit heuer die Intendanz mit Konrad Paul Liessmann teilt, ins Thema ein. Zehn Vortragende werden bis Sonntag ihre Überlegungen präsentieren. Höhepunkt ist die Verleihung des Essay-Preises "Tractatus" an Philipp Hübl.
Störungen trügen oft zu gesellschaftlichem Fortschritt bei, obwohl sie unerwünscht seien, so die Intendanten in ihrem Editorial. Anders als zu Zeiten Sokrates, der die Philosophie mit einer lästigen Stechmücke verglich, sei es heute in westlichen Demokratien seltener der Staat, der missliebige Störenfriede zum Schweigen bringe, sondern sehr viel öfter wir selbst, die wir nicht bereit seien, uns in unserem Weltbild erschüttern zu lassen, so Bleisch in ihrer Rede zum Auftakt. Obwohl nicht alle Störaktionen produktiv seien, bedürfe man dringend des freien und exzentrischen Denkens.
Politiker redet Politik
Wenig philosophisch, sondern konkret politisch fiel die Rede des designierten EU-Kommissars und Finanzministers Magnus Brunner (ÖVP) aus: "Österreich braucht gerade jetzt mehr Anpacken statt Zugreifen. Denn unser Land und unser Kontinent haben Aufholbedarf in puncto Entbürokratisierung und Anspruchsdenken", so Brunner. Er schlage daher drei konkrete Handlungsempfehlungen vor: erstens einen glaubwürdigen Abbau von Bürokratie, um wieder Lust auf Unternehmertum zu machen. "Unsere Mitbewerber sitzen nämlich in den USA und China, nicht München oder Berlin", betonte Brunner.
Zweitens müsse das Anspruchsdenken an den Staat zurückgefahren werden. "Der Staat kann nicht jede Krise dieser Welt zu hundert Prozent kompensieren", so Brunner. Zudem brauche man angesichts unsicherer Zeiten Mut, Optimismus, Handlungsfähigkeit und klare Leitlinien wie die Ökosoziale Marktwirtschaft. Es gehe nicht um ein Gegeneinander, "sondern um ein Miteinander zum Wohle aller". Vorarlbergs Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP) würdigte Lech in den Tagen des Philosophicums als "Zentrum für geistigen Austausch und tiefgründige Reflexion". Das heurige Thema treffe, "ob wir wollen oder nicht" die "Dynamik des ständigen Wandels". Eine Innovation komme selten leise und friktionsfrei daher, sie erzeuge immer Reibung. "Diese Reibung, diese Herausforderung, ist es, die uns weiterbringt", sagte sie.
"Es knistert im Gebälk der Gesellschaft"
Nach zwei bereits am Dienstag abgehaltenen Dialogveranstaltungen folgte am Mittwoch der philosophisch-literarische Vorabend mit Michael Köhlmeier und Konrad Paul Liessmann unter dem Titel "Es knistert im Gebälk der Gesellschaft". Vor der eigentlichen Eröffnung trafen einander am Donnerstag Ex-Profisportler Toni Innauer, Kolumnist Harald Martenstein, die ehemalige Diplomatin Ursula Plassnik (ÖVP) und EU-Abgeordnete Lena Schilling (Grüne) zu einem von Michael Fleischhacker geleiteten Impulsforum zum Thema "Konsensstörung: Sind wir uns alle zu einig?"
Zu den Referenten und Referentinnen, die ab Freitag sprechen und diskutieren werden, zählen die Philosophen Dieter Thomä und Geert Keil, der Literaturkritiker Philipp Tingler und Monika Dommann vom Historischen Seminar der Universität Zürich, die Politikwissenschafterin Ulrike Ackermann, der Sozialphilosoph Robin Celikates, der Bildtheoretiker Lambert Wiesing, die Autorin und Übersetzerin Esther Kinsky, die Literatur- und Kulturwissenschafterin Elisabeth Lechner sowie der klinische Psychologe Peter Schneider.
Der mit 25.000 Euro dotierte Essay-Preis geht heuer an den deutschen Philosophen Philipp Hübl, der die Auszeichnung exemplarisch für sein Werk "Moralspektakel. Wie die richtige Haltung zum Statussymbol wurde und warum das die Welt nicht besser macht" erhält. Erstmals findet die Tagung in neuer Location, im neuen Zentrum "Lechwelten", statt.
Service: 27. Philosophicum Lech "Sand im Getriebe. Eine Philosophie der Störung", 17. bis 22. September. Weitere Informationen unter www.philosophicum.com