Mehr Roboter, weniger Arbeit?
Innovation ist die Quelle für Wachstum und Wohlstand, von Dampfmaschinen, der IT-Revolution bis zur Digitalisierung und Robotik heute. Die Automatisierung ersetzt repetitive Arbeiten und steigert die Produktivität. Während gut qualifizierte Arbeitende mit höheren Löhnen rechnen, fürchten andere um ihre Jobs, wenn kein Ersatz in Sicht ist. Die Politik ist gefordert, damit der Wohlstand durch Innovation breit verteilt wird. Sie soll Innovation und Strukturwandel nicht verhindern, sondern mit Überbrückungshilfen, Umschulung und Qualifizierung den Betroffenen anderswo neue, bessere Perspektiven verschaffen. Christian Keuschnigg und Michael Kogler, Herausgeber.
Quelle: Georg Graetz und Guy Michaels (2018), Robots at Work, Review of Economics and Statistics 100, 753-768.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fürchteten viele englische Arbeiter eine zunehmende Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen im Zuge der industriellen Revolution. Die sogenannten Ludditen bekämpften den Einsatz von Maschinen, welche grosse Teile ihrer Arbeit überflüssig machten und sie zu ersetzen drohten. Daher sabotierten sie Drehmaschinen, Woll- und Baumwollspinnereien, bis die Bewegung schliesslich militärisch niedergeschlagen wurde. Seitdem haben Maschinen und andere Formen der Automatisierung gewaltige Fortschritte erlebt. Roboter sind in zahlreichen Anwendungsgebieten Wirklichkeit geworden. Verdrängen die Roboter unsere Arbeit?
Die Ökonomen Georg Graetz und Michaels Guy von der Universität Uppsala und der London School of Economics untersuchen, welche Folgen der Einsatz von Industrierobotern für Arbeitsproduktivität, Preise, Löhne und Beschäftigung hat. Roboter sind zentraler Teil eines automatisierten Arbeitssystems und vielfältig einsetzbar. Industrieroboter können zum Beispiel zuschneiden, verteilen, dosieren oder verpacken, oder übernehmen Schweiß-, Maler oder Montagearbeiten. Sie werden in den verschiedensten Bereichen der Wirtschaft eingesetzt, etwa in der Produktion, in der Landwirtschaft oder auch zur Inspektion von Kraftwerken.
Um den Einfluss von Robotern zu schätzen, verwenden die Forscher Daten mit Informationen zu 14 Wirtschaftszweigen in 17 Industriestaaten von 1993 bis einschliesslich 2007. In diesem Zeitraum stieg die Anzahl der eigesetzten Industrieroboter in nahezu allen Wirtschaftszweigen und Ländern. 1993 wurden im Schnitt 0.53 Roboter pro eine Million Arbeitsstunden eingesetzt. Spitzenreiter war Deutschland mit 1.7 Robotern pro Million Arbeitsstudenten. 2007 betrug die Roboterdichte in Deutschland bereits 4.4. Im Durchschnitt stieg die Roboterdichte um gut 150 Prozent auf 1.48 in 2007. Der Anstieg fiel in den Bereichen Transportmittel, Chemie und Metall besonders stark aus.
Im Durchschnitt von 17 Industriestaaten stieg die Roboterdichte von 1993 bis 2007 um gut 150 Prozent. Spitzenreiter ist Deutschland, wo die Zahl der Roboter pro Million Arbeitsstunden um mehr als 250 Prozent zunahm.
Es liegt nahe, dass Unternehmen zunehmend Roboter einsetzten, weil diese stetig billiger wurden, wie Abbildung 1 illustriert. In den sechs betrachteten Ländern halbierte sich der Preis während 15 Jahren. Bereinigt man die Preise um Qualitätsverbesserungen, wurden Roboter im Schnitt sogar um fast 80 Prozent billiger (siehe Abbildung 1: Qualitätsbereinigte Roboterpreise in sechs Ländern, 1990-2005, Quelle: Graetz und Michaels, 2018, S.760).
Wie beeinflusst der zunehmende Einsatz von Robotern die Wirtschaft? Was ist der Effekt auf die Arbeitsproduktivität? Um dies zu schätzen, berechnen die Autoren den Zusammenhang zwischen der Roboterdichte, also der Anzahl an Industrierobotern pro eine Million Arbeitsstunden, und der Arbeitsproduktivität gemessen als Wertschöpfung pro geleistete Arbeitsstunde. Da die Forscher am langfristigen Einfluss der Robotik interessiert sind, betrachten sie jedoch nicht den Einfluss auf die absoluten Zahlen, sondern auf die Veränderungsraten (1993-2007). Also schätzen sie, wie die Zunahme des Robotereinsatzes das Wachstum der Arbeitsproduktivität beeinflusst.
Allerdings sind die Daten zu den Veränderungsraten meist verzerrt. Die Veränderung der Roboterdichte ist in den allermeisten Fällen positiv, weil zwischen 1993 und 2007 meist mehr Roboter eingesetzt wurden, und schwankt stark. Die Autoren unterteilen daher die Werte in vier Abschnitte (Quartile) und schätzen, wie die Arbeitsproduktivität mit der Veränderung der Roboterdichte je nach Quartil zusammenhängt: In Wirtschaftszweigen mit besonders starker Zunahme der Roboterdichte (viertes Quartil) ist das jährliche Wachstum der Arbeitsproduktivität um circa 4,1 Prozentpunkte höher als in einer Brachen mit geringer Zunahme der Roboterdichte (erstes Quartil).
Der Beitrag von Robotern zum Produktivitätswachstum ist vergleichbar mit dem Beitrag der Dampfmaschine im 19. Jahrhundert. Er ist etwas weniger gross als der Beitrag von Schnellstrassen Mitte des 20. Jahrhunderts, und der Informations- und Kommunikationstechnologien der vergangenen Jahrzehnte.
Die Ergebnisse weisen jedoch auch darauf hin, dass die positive Wirkung der Robotisierung mit einem zunehmenden Roboterbestand abnimmt: Setzt ein Wirtschaftszweig erst wenige Roboter ein, so steigern neue Roboter die Arbeitsproduktivität stärker, als wenn bereits viele Roboter verwendet werden.
Zudem schätzen die Forscher nicht nur den Effekt auf die Arbeitsproduktivität in den einzelnen Wirtschaftszweigen, sondern auch in der gesamten Volkswirtschaft. Der zunehmende Einsatz von Robotern erhöht das jährliche Wachstum der Arbeitsproduktivität um circa 0.36 Prozentpunkte. Dies entspricht einer Steigerung um 15 Prozent, denn das durchschnittliche Wachstum betrug im betrachteten Zeitraum 2.4 Prozent.
Profitieren die Arbeitenden vom zunehmenden Einsatz der Roboter oder müssen sie um ihre Jobs fürchten? Generell steigen die Löhne in Branchen mit hoher Roboterdichte stärker. Im Vergleich zum Produktivitätswachstum fällt der Lohnzuwachs jedoch deutlich geringer aus.
Der zunehmende Einsatz von Robotern führt im Schnitt zu einer Erhöhung der Löhne. Allerdings wachsen die Löhne etwa zehn Mal langsamer die Arbeitsproduktivität.
Während Arbeitnehmer insgesamt durch höhere Löhne von der Robotisierung profitieren, können die Beschäftigungseffekte je nach Bildungsstand unterschiedlich ausfallen. Die Autoren schätzen den Effekt der zunehmenden Roboterdichte auf den Anteil der geleisteten Arbeitsstunden dreier Beschäftigungsgruppen: hoch-, mittel- und niedrigqualifizierte Arbeitnehmer. Die Schätzergebnisse weisen auf einen gleichbleibenden oder steigenden Anteil an Arbeitsstunden mit hoher und mittlerer Qualifikation hin, während jener von gering qualifizierten abnimmt.
Den grössten Einfluss hat die Robotisierung auf geringqualifizierte Arbeitnehmer: Ihr Anteil an den geleisteten Arbeitsstunden fällt deutlich, wenn der Anteil von Industrierobotern an den Arbeitsstunden steigt.
Die Wissenschaftler weisen abschliessend darauf hin, dass der Einfluss der Robotisierung in Zukunft noch grösser ausfallen könnte, als ihre Ergebnisse vermuten lassen. Denn im betrachteten Zeitraum (1993 bis 2007) wurden Industrieroboter im Schnitt nur in etwa einem Drittel der Wirtschaft eingesetzt. Zudem machten sie in den betreffenden Sektoren bloss 2.2 Prozent des gesamten Kapitals aus. Die Möglichkeiten der Robotisierung scheinen daher bei Weitem noch nicht ausgeschöpft zu sein. Weiter sinkende Anschaffungspreise und Innovation in neuen Anwendungsfeldern wie Medizin, Logistik, und autonomes Fahren künden vom enormen Potenzial der Robotik. Zudem war China aufgrund mangelnder Daten nicht Bestandteil dieser Analyse, stellt jedoch bereits den grössten Absatzmarkt für Industrieroboter dar.
Autorin:
Céline DIEBOLD Universität St. Gallen PhD in Economics and Finance (PEF) celine.diebold@unisg.ch
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