Klima-Glossar: Konsumkorridore
Im Kampf gegen die Klimakrise ist das Konzept der sogenannten Konsumkorridore weniger bekannt als etwa die Reduktionspfade für Treibhausgase. Während letztgenannte den Weg zur CO2-Neutralität weisen sollen, wollen erstere ein Weg in Richtung eines nachhaltigen Konsums definieren. Sie seien "ein wirksames Instrument, um in einer Welt voller ökologischer und sozialer Grenzen verantwortungsbewusst ein gutes Leben zu führen", heißt es im Vorwort im Buch "Consumption Corridors".
Der Korridor bedeutet dabei minimale Verbrauchsstandards. Das Ziel sei, jedem ein gutes Leben zu ermöglichen, aber gleichzeitig maximale Verbrauchsstandards - also Limits - einzuführen. Entstanden ist der Begriff im Rahmen eines vom deutschen Bildungsministerium geförderten sozial-ökologischen Forschungsprojekts zum Thema "Vom Wissen zum Handeln - Neue Wege zum nachhaltigen Konsum". Auch kann sich das Konzept der Konsumkorridore auf eines der 17 Nachhaltigen Entwicklungsziele der UNO (Sustainable Development Goals/SDGs), dem SDG12 für "nachhaltigen Konsum und nachhaltige Produktion", stützen. Dieses zielt ebenfalls darauf ab, eine ressourcenschonendere Lebensweise zu etablieren.
Der Umstand, dass Ressourcen nicht grenzenlos vorhanden sind, wurde bereits vor über 50 Jahren durch den 1972 veröffentlichten Bericht von Donella und Dennis Meadows mit dem Titel "Die Grenzen des Wachstums" einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Auch die Idee von Obergrenzen beim Konsum ist nicht neu, und etwa im Fall fossiler Energien Teil der Klimastrategien, um den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase zu reduzieren.
Extreme Armut weltweit durch Covid-19-Pandemie
Die Idee, dass es auch ein Minimum für jeden Menschen brauche, ist ebenfalls durch ein SDG definiert. Das SDG1 zum Thema "Armut" enthält die Forderung, dass alle Menschen "gleiche Rechte und Chancen beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, Vermögen und natürlichen Ressourcen haben" sollen. Die Entwicklung ging zuletzt jedoch in eine andere Richtung. Auf der Onlinepräsenz "https://17ziele.de/" wird darauf verwiesen, dass durch die Covid-19-Pandemie und deren ökonomische Folgen "die extreme Armut weltweit zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder angestiegen" sei. Statt dem Ziel, bis 2030 die Armut zu verringern, würden bei einer Fortsetzung dieser Tendenz 575 Millionen Menschen weiterhin in extremer Armut leben und nur ein Drittel aller Länder wird die Armut bis 2030 halbieren können.
Ob das Konzept der Konsumkorridore einer solchen Entwicklung etwas entgegensetzen kann, ist ungewiss. Es scheint nicht geklärt, wie genau eine Definition erfolgen soll, was nun der minimale und maximale Verbrauchsstandard ist, noch was ein "gutes Leben" an sich ist. Es sei eine "gesellschaftliche Aufgabe auszuhandeln, was ein "Genug" des individuellen Konsums bedeutet", heißt es etwa in der Publikation "Grenzen des Konsums im Lebensverlauf: Gelegenheiten, Hürden und Gestaltungsspielräume".
Offen bleibt auch, wie eine Bereitschaft bei allen gesellschaftlichen Akteuren hergestellt werden soll, für eine gerechtere Verteilung der Ressourcen einzutreten. "Neben dem Problem der Praktikabilität dieses Konzepts - etwa bei der Umsetzung und Kontrolle - stellen sich vor allem zwei Fragen: Wem soll es gerecht werden? Und wie steht es um seine Legitimität?", fragt sich etwa die Schweizer politische Philosophin Katja Gentinetta in einem Beitrag zum Konzept der Konsumkorridore in der "Neue Zürcher Zeitung" (02.05.2021).
Service: "Grenzen des Konsums im Lebensverlauf: Gelegenheiten, Hürden und Gestaltungsspielräume", DOI: 10.14512/gaia.29.4.4