KI sollen sich erklären
Bei alldem schwingt immer mit, dass eine Künstliche Intelligenz eine Entscheidung trifft, mit der der Mensch konfrontiert wird, von deren Genese er aber keine Ahnung hat. Die Hintergründe eines Suchmaschinenresultats oder einer Albumempfehlung bleiben komplett im Verborgenen. Genau das will Martina Mara, Professorin für Roboterpsychologie am Linz Institute of Technology (LIT) der Johannes Kepler Universität Linz, unbedingt ändern (siehe „Maschinen in Erklärungsnot“): „Was mich wirklich umtreibt ist, wie wir intelligente Maschinen für Menschen besser verständlich machen können – einerseits, indem wir beispielsweise medial realistischer darüber berichten, aber auch, und das ist in unserer Forschung fast wichtiger, inwiefern sich Maschinen selbst besser erklären können.“
Mara und ihr Team versuchen das unter anderem mit Hilfe von eigens kreierten Versuchsanordnungen wie einer Schwammerlsuche per Tablet, wobei eine KI den Userinnen und Usern einmal mehr und einmal weniger erklärt, warum ein Pilz giftig oder essbar sein soll. Es gewinnt – wenig überraschend – das Modell mit den ausführlicheren Erklärungen. Wie man KI & Co auch betrachtet, das Thema dahinter bleibt immer wieder das Vertrauen – ob im medizinischen Bereich (siehe Gastbeitrag VRVis), bei sozio-technischen Systemen, die politische Annahmen treffen (Gastbeitrag TU Delft), oder bei Chatbots (Gastbeitrag FH Salzburg).
Warten auf den AI Act
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Nur wie soll das gelingen? Die Herausforderungen in der digitalen Welt sind massiv, wie die vorangegangenen Beispiele demonstrieren. Das Bewusstsein für die algorithmische Diskriminierung ist in Teilbereichen schon vorhanden, aber es braucht viel mehr, dass es zu flächendeckenden Verbesserungen kommt: Es braucht verbindliche Regulierungen von „oben“. Alle Augen sind daher auf den Artificial Intelligence Act der EU gerichtet, der derzeit als Gesetzesvorschlag vorliegt. Der Wiener Jurist Nikolaus Forgó bremst aber die Erwartungen (siehe dazu „Wie digitale Stereotype aus der Welt geschafft werden sollen“): „Das ist ein irrsinnig langes Textdokument, aber es ist noch nichts davon definitiv beschlossen“, sagt Forgó: „Wir sind also noch weit davon entfernt, dass man davon reden könnte, wann man weiß, was am Ende rauskommt.“
Fix sei quasi nur, dass es „wirklich elend lange dauern kann“, und dass niemand abschätzen kann, wie sich der EU-Rat und das EU-Parlament schließlich positionieren werden. Forgó bezweifelt außerdem, dass der AI Act letztlich tatsächlich ein effektives Mittel gegen die digitale Diskriminierung wird: „Momentan steht da irrsinnig viel drinnen über Risiken von AI-Systemen, Berichts- und Selbstevaluierungspflichten sowie neue Behörden, aber nicht wahnsinnig viel, ob jemand diskriminiert wird oder nicht, und wie man dies verhindert.“
Letztlich wird man laut Forgó mit den aktuellen und geplanten Vorschriften die Probleme mit digitalen Stereotypen kaum in den Griff bekommen: „Es ist ein bisschen zu optimistisch, zu glauben, dass man in irgendein Gesetz etwas hineinschreibt, und dann wird die Welt besser.“ Der Ball liegt laut Experten bei den Entwicklern, mit Sozialwissenschaftern diskriminierungsfreie Datensätze und Algorithmen für eine gerechtere digitale Welt zu schaffen.
Plädoyer für Gestaltungshoheit
Dass auch „wir“ als einfache Nutzerinnen und Nutzer der Digitalisierung nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, sondern auch Gestaltungsmöglichkeiten haben, ist das Credo von Christopher Frauenberger. „Es ist ein Narrativ der Digitalisierung, dass sie über uns hereinbricht. Und wir Menschen müssen halt da mit. Ich glaube, dass das ein Trugschluss ist“, reflektiert der Professor für Human-Computer-Interaction an der Universität Salzburg im Podcast-Interview mit APA-Science (siehe unten). Trotz einer „fahrlässigen Privatisierung“ von digitalen Räumen und der daraus resultierenden Gefahr für die Demokratie bleibe uns zumindest noch ein kleiner „Konsumenten-Hebel“: „Ich glaube, dass es schon trotzdem wertvoll ist, darüber nachzudenken, wie können wir ein stückweit diese Gestaltungshoheit wieder zurückgewinnen? Wie können wir denn eigentlich die Dinge, die unser Leben so fundamental mit beeinflussen, auch mitgestalten?“