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Neue Gentechnik

Debatte um Einsatz von Verfahren wie CRISPR/Cas in der Landwirtschaft neu entfacht
WLADIMIR BULGAR/Science Photo Library/picturedesk.com
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Gentechnisch veränderte Pflanzen für die Lebensmittelproduktion sind in Österreich seit jeher ein kontroverses Thema. Die Debatte ist mit den im Juli vorgestellten Plänen der EU-Kommission, den Umgang mit Neuer Gentechnik (NGT) in der Landwirtschaft zu lockern, neu entfacht.

Damit sollen bestimmte gentechnisch veränderte Pflanzen von den strengen EU-Gentechnikregeln ausgenommen werden, also neue Mutationsverfahren künftig einfacher eingesetzt und damit bearbeitete Pflanzen nicht mehr als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden. 

Die EU-Pläne stoßen aber besonders in Österreich bei Politik und vielen Interessensvertretungen auf weitgehende Ablehnung. Österreichische Forschungsinstitutionen sprachen sich hingegen in einem Offenen Brief für eine vorurteilsfreie, aufgeschlossene Debatte zur Neuen Gentechnik auf Basis von wissenschaftlicher Evidenz aus.

Ziel des EU-Vorstoßes ist es unter anderem, Nutzpflanzen mit verbesserter Resistenz, Qualität oder höherem Ertrag schneller und präziser züchten zu können. Das soll die Nachhaltigkeit und Resilienz unseres Lebensmittelsystems verbessern und zu den Zielen des Europäischen „Green Deal“ und zur Farm-to-Fork-Strategie, dem Aktionsplan für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion, beitragen. 

>> EU will Neue Gentechnik als Werkzeug für „Green Deal“ nutzen

Die Ablehnung der Gentechnik hat auch in Europa eine gewisse Tradition. Jüngste Umfragen und EU-Ratsdiskussionen zur Anpassung der EU-Gesetzgebung lassen aber einen Wandel in der gesellschaftlichen Akzeptanz als möglich erscheinen, schreibt Armin Spök von der Technischen Universität Graz in einem Gastbeitrag. Als Gründe macht er z.B. den durch Extremwetterlagen und den schrittweisen Ausstieg aus Pestiziden erhöhten Druck auf Züchter und landwirtschaftliche Betriebe, nach neuen Instrumenten zur Sicherstellung der Ertrags- und Versorgungssicherheit zu suchen, aus. Auch die gegenwärtigen Krisen würden Konsumenten und Konsumentinnen wohl eher zu einem Umdenken bewegen.

>> Gastbeitrag: Gesellschaftliche Akzeptanz im Wandel?

Auf einen Blick

Die Debatte um Gentechnik ist mit den im Juli 2023 vorgestellten Plänen der EU, den Umgang mit Neuer Gentechnik (NGT) in der Landwirtschaft zu lockern, neu entfacht. Die neuen Verfahren erfordern eine aufgeschlossene Neubewertung der Gentechnik, sagen Experten zu APA-Science – auch in Österreich.

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Was ist neu an NGT?

 

Doch was ist das Neue an Neuer Gentechnik? Bei der bisherigen Gentechnik wurden artfremde Gene, also Erbgut aus anderen Pflanzen oder anderen Organismen, in die Pflanzengenome eingefügt, z.B. um Pflanzen widerstandsfähiger zu machen oder andere Inhaltsstoffe zu erzeugen. 

 

Dabei ist aber nicht kontrollierbar, an welcher Stelle und wie häufig sich das zusätzliche Gen in das Genom einfügt. Das gilt auch für die klassische Mutagenese, bei der Veränderungen an vorhandenen Genen im Erbgut durch Behandlung mit Chemikalien oder Bestrahlung erzielt werden: auch die passieren ungerichtet.  

 

Neue Verfahren, auch „Gene Editing“ (oder „Genome Editing“)  genannt, ermöglichen zielgerichtete Eingriffe in das vorhandene Erbgut von Pflanzen. Die Genschere CRISPR/Cas, deren Entdeckung im Jahr 2020 mit dem Nobelpreis für Chemie geehrt wurde und die regelrecht eine Revolution im Bereich Genetik auslöste, schneidet an spezifischen Stellen eines Gens und löst damit Mutationen aus. Bei diesem Gene Editing wird also kein fremdes Erbgut in die Pflanze eingebracht.

 

Mit neuen Verfahren wie CRISPR/Cas „kann man die Funktion von Genen und Genprodukten wie etwa Eiweißstoffen studieren, aber auch verändern“, erklärt Hermann Bürstmayr vom Institut für Pflanzenzüchtung der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien gegenüber APA-Science: „Im einfachsten Fall wird nur ein vorhandenes Gen in einer bestimmten Position minimal abgeändert.“ „Im Prinzip könnte man die gleichen Änderungen in der Natur auch finden.“ Wenn man lang genug sucht. 

 

r die Regularien sei es „ein Riesendilemma“, dass man den Auslöser der Veränderungen wie etwa Neue Gentechnik im Endprodukt nicht nachweisen kann, so der Forscher. „Die Veränderungen sind praktisch naturident“, sagt auch Andreas Bachmair von der Universität Wien. Sie können zufällig entstanden oder von Menschenhand ausgelöst worden sein.

Neuer Gentechnik wie CRISPR/Cas wird großes Potenzial für die Landwirtschaft zugeschrieben. Die EU-Pläne stoßen aber besonders in Österreich bei Politik und vielen Interessensvertretungen auf Ablehnung. Kritiker fürchten u.a., dass in den EU-Plänen zur Lockerung rund um Neue Gentechnik noch die Grundlagen für eine Risikobewertung fehlen.

„Da die jeweilige Eigenschaft der NGT-Pflanze ein wesentlicher Faktor für die Sicherheit ist, ist eine Bewertung des Risikos nur fallspezifisch möglich“, sagt Andreas Heissenberger vom Umweltbundesamt in einem Gastbeitrag. Er sieht damit einen „Freibrief für eine gesamte Technologie, ohne dabei die Ergebnisse ihrer Anwendung in Betracht zu ziehen“, sehr kritisch.

>> Gastbeitrag: (K)Ein Risiko für Mensch und Umwelt?

Unter Kritikern wird zudem häufig ins Treffen geführt, dass die Konsumenten die Entscheidungsgrundlage für oder wider Gentechnikprodukte genommen wird und dass letztlich auch die biologische und die konventionelle gentechnikfrei wirtschaftende Landwirtschaft gefährdet sind. Forscher, Saatguthersteller und Biobauer sehen aber auch bisweilen Nachteile für die Bio-Branche, wenn sich Österreich dem Weg versperrt.

>> (Keine) Neue Gentechnik im Biolandbau
>> Patente Sorten

Forschungswerkzeug, keine Freilandversuche in Österreich

Die Neue Gentechnik ist in Österreich derzeit vor allem ein Forschungswerkzeug, während es in anderen Ländern schon Freilandversuche und erste Anwendungen bei Pflanzen gibt. Bei fortgesetzten großen Restriktionen sehen Befürworter der EU-Pläne Nachteile für die künftige Forschung, Züchtung und Landwirtschaft.

>> Hier ein Forschungswerkzeug, anderswo gibt es erste Anwendungen

Differenzierung im Diskurs notwendig

Wie kann eine vorurteilsfreie, aufgeschlossene Debatte zur Neuen Gentechnik auf Basis von wissenschaftlicher Evidenz gelingen? „Es ist nicht leicht“, sagt Anton Graschopf, Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Rates für Forschung, Wissenschaft, Innovation und Technologieentwicklung, gegenüber APA-Science. Angesichts der traditionell ablehnenden Haltung Österreichs gegenüber Gentechnik hat der Experte schon damals, vor 35 Jahren, in seinem Studium der Molekularbiologie von seinem Professor gehört: „Wenn ihr in der Pflanzengenetik bleiben wollt, müsst ihr Österreich verlassen.“

„Es braucht jedenfalls eine diversifizierte und eine differenzierende Diskussion – trotz aller Komplexität des Themas“, sagt Graschopf: Ablehnende Vertreter würden oft das Narrativ bedienen, das Gentechnik und auch NGT schlecht sind. „Probleme, etwa mit Patentlösungen, werden vermischt mit der Technologie an sich und was sie kann.“ Es dominiere die Kommunikation von Risiken, Gefahren, negativen Emotionen.

„Die konventionelle Mutagenese, nach der ungerichtet Mutationen hervorgerufen werden, ist auf EU-Ebene nicht gesetzlich geregelt – sie ist von bestehenden Regelungen ausgenommen. Die gezielten Methoden unterliegen der Gentechnikregulierung. Etwas, was man kontrollieren kann, wird verboten. Etwas, was man nicht kontrollieren kann, ist frei.“ Dabei verweist Graschopf auch auf eine drohende Isolierung der Forschung gegenüber Ländern, wo es weniger restriktive Handhabungen gibt – „auch wenn die Nachteile für die Forschung in Österreich scheinbar schwer zu vermitteln sind bzw. ihre Relevanz bei diesem Thema ausgeblendet wird“. 

Aber es gehe auch um das Mitnehmen der Gesellschaft: Neben Bildung führt der Experte auch den dringend notwendigen Abbau der Blockade durch die Politik an.  „Vielleicht müssen wir auch noch mehr die positiven Beispiele aufzeigen, die mit der gewinnbringenden Technologie, der Neuen Gentechnik, zu erzielen sind. Etwa: Wie wir mit NGT unsere Kastanienbäume retten können – denn mit den neuen Verfahren eröffnen sich auch hier neue Möglichkeiten.“

APA-Science-Event: Neue Gentechnik bei Pflanzenzucht – weiterhin ein Tabu?

Expert:innenpodium zur Frage, wie der Dialog über den Einsatz von Neuer Gentechnik in der Landwirtschaft gelingen kann

Datum: Mi, 15.11.2023, 17:30 bis 19:00 Uhr, Einlass 17:00 Uhr
Ort: APA-Pressezentrum, Laimgrubengasse 10, 1060 Wien und digital

  • Ulrike Felt, Institut für Wissenschafts- und Technikforschung, Universität Wien
  • Jens Karg, ARGE Gentechnik-frei
  • Ortrun Mittelsten Scheid, Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
  • Martin Moder, Molekularbiologe und Wissenschaftskabarettist

Moderation: Lena Yadlapalli (APA)

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