Europäische Grabungsdatenbank nimmt Gestalt an
Grabungsdaten, Luftbilder, Prospektionsdaten, 3D-Aufnahmen - unzählige Datensätze zur Dokumentation archäologischer Funde und Befunde liegen an den unterschiedlichsten archäologischen Einrichtungen auf und nehmen ständig an Umfang zu. Doch weil all diese Daten verstreut, unzugänglich oder - die sogenannte "graue Literatur" - nicht veröffentlicht sind, kann ihr großes Potenzial nicht genutzt werden. Hier setzt das vor einem Jahr gestartete vierjährige EU-Projekt ARIADNE (Advanced Research Infrastructure for Archaeological Dataset Networking in Europe) an, das europaweit bestehende Datenbanken zu einer Datenbank-Infrastruktur zusammenführen will.
Es verfolge eine "integrierende Wirkung auf den gesamten archäologischen Sektor", erläuterte Guntram Geser von ARIADNE-Partner Salzburg Research gegenüber APA-Science das Hauptziel des Großprojekts, das von einem Konsortium archäologischer Institute und Technologie-Zentren ins Leben gerufen wurde und im 7. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union läuft. "Es geht um 'Community Building', Netzwerken, die Schaffung einer transnationalen Infrastruktur, wodurch Forscher beispielsweise die Möglichkeit erhalten, mit 'legacy data' - also Altdatenbeständen - zu arbeiten." Auch die Organisation gemeinsamer Seminare oder Ausbildungsmöglichkeiten falle hierunter.
Ebenso wichtig sei "e-Research", die Integration und Testung verschiedener Methoden, aufbauend auf bestehenden Erfahrungen. "Wir sehen uns dafür etwa 'Europeana', eine virtuelle Bibliothek zum Kulturerbe für interessierte Laien, genauer an", erklärt der Forscher, der langjährige Erfahrung mit EU-Projekten zur Integration von Infrastruktur mitbringt.
ÖAW-Institut als Archäologie-Partner
Als zweiter ARIADNE-Partner in Österreich ist das Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beteiligt. "Unsere Aufgabe ist es, ÖAW-eigene Datenbanken für die Integration vorzubereiten", erklärt Projektleiterin Edeltraud Aspöck. "Im ersten Jahr waren wir bei allgemeinen Forschungstätigkeiten involviert, haben etwa Beispielforschungssätze zur Verfügung gestellt", so die Archäologin. "Wir sind der Frage nachgegangen, wie typische archäologische Datensätze aussehen." Ihre Erfahrung: "Der Dialog mit den Technikern ist gar nicht so einfach." Denn im Gegensatz zu anderen geisteswissenschaftlichen Forschungsrichtungen arbeite die Archäologie mit vielen, noch dazu äußerst heterogenen Daten: Text-, Zahlen-, Bild- und 3D-Material.
Jetzt gehe es darum, am Institut "Inventur" zu betreiben, also eine Bestandsaufnahme aller analogen und digitalen Datensets am OREA durchzuführen. Zu den Sammlungen gehört beispielsweise die Studiensammlung prähistorischer ägäischer Keramik von Fritz Schachermeyr. Digitale Daten umfassen viele Projekt-, Grabungs-, Artefakt- und Literaturdatenbanken zur orientalischen und europäischen Archäologie.
Für nachfolgende Generationen sichern
Die ständig wachsende Menge an digitalen Beständen stellt sehr hohe Anforderungen an das Datenmanagement. "Die Schaffung von Standards in diesem Bereich ist sicher eine zentrale Aufgabe von ARIADNE", ist Aspöck überzeugt.
So ist auch die Langzeitaufbewahrung von Daten ein wichtiges Ziel des Projekts. Dafür braucht es sogenannte Repositorien, also Datenarchive. "Die Daten von abgeschlossenen, oder - bei sehr langen Projekten - auch laufenden Forschungsprojekten werden hier gelagert." Dahinter stehe der Open Access-Gedanke, also der freie Zugang zu wissenschaftlichem Material im Internet.
Das Erstaunliche: In Österreich gibt es bisher kein Repositorium, wenngleich langsam das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines solchen wachse. "Der Wissenschaftsfonds FWF hat seit vergangenem Sommer seine Open Access-Politik auf Daten erweitert - das bedeutet, dass geförderte Projekte ihre Daten dann auch öffentlich zugänglich machen müssen". Bisher werde man dafür auf englischsprachige "Repositories" verwiesen, was nicht der Weisheit letzter Schluss sei, da die Sprachkompatibilität gänzlich fehle.
Erfahrungsaustausch wichtig
Als Schwerpunkt im Rahmen des Projekts am OREA-Institut nennt Aspöck eine Ontologie (Anm.: ein Netzwerk von Informationen mit logischen Relationen) für Kulturdaten, welche um Archäologiedaten erweitert wird. "Daran haben wir im ersten Projektjahr viel gearbeitet", so die Forscherin. Das durch ARIADNE forcierte "Netzwerken" und den Erfahrungsaustausch unter den archäologischen Einrichtungen Europas erachtet sie als sehr wichtig. "Dadurch habe ich eine andere Art von Archäologen und auch unterschiedliche Arbeitsweisen kennengelernt", meint Aspöck. So habe man im Bereich Grabungsdaten und Ontologie etwa umfangreich mit dem griechischen Projektpartner FORTH kooperiert.
Die 24 Projektpartner in 16 Ländern sind sehr unterschiedlich aufgestellt. Europäischer Vorreiter ist laut Aspöck das Institut ADS (Archaeology Data Service) am Department of Archaeology der University of York, wie England insgesamt und die Niederlande führend im Bereich Datenmanagement seien. Südosteuropa hingegen - mit Ausnahme Griechenlands - habe hier noch wenig Erfahrungen gesammelt. "Die 'guten' Länder würden das Projekt wahrscheinlich nicht unbedingt brauchen", so Geser. Und weiter: "Die Vision von ARIADNE ist es, den Sektor insgesamt anzuheben."
Arbeitsweise wird sich ändern
Der Open Access-Ansatz hinter ARIADNE, die Möglichkeit von Usern, auf einzelne Datensammlungen zuzugreifen, mehr online mit Web-basierten Diensten zu arbeiten, "wirkt sich langfristig mit Sicherheit auf die Arbeitsweise aus", ist Aspöck überzeugt. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto eher könne ein Forscher neue Methoden einsetzen, meint auch Geser. Beim "Data Mining" etwa werden große Datenbestände nach verschiedenen Mustern durchsucht. Eingesetzt werde diese Technik schon jetzt von Handelsketten. "Sie erforschen das Kaufverhalten von Konsumenten, indem sie nachvollziehen, welche Produkte beispielsweise Freitag Abend verstärkt nachgefragt werden", erklärt der Forscher.
Als Zielgruppe, die die neugeschaffenen Internetdienste nutzen werde, sieht Geser klar die jüngeren Archäologen. "Projekte wie diese werden immer für die nächste Generation gemacht", so seine nüchterne Einschätzung.
Von Sylvia Maier-Kubala / APA-Science