Studierfähigkeit auf dem Prüfstand
Mit der Matura erlangt man in Österreich zwar formal die Berechtigung zum Studieren, doch ob jemand tatsächlich die Fähigkeit zur Bewältigung eines Studiums hat, lässt sich anhand eines solchen, einzigen Kriteriums selbstverständlich nicht feststellen. Gemeinsam mit Arthur Mettinger hat sich die Vizerektorin für Studierende und Lehre der Universität Wien, Christa Schnabl, 2008 in einem Arbeitspapier dem Thema Studierfähigkeit gewidmet.
Wenig überraschend kommt der Befund, dass es eine Vielzahl von potenziellen Einflussfaktoren gibt, die dazu beitragen, ob ein Student eher Erfolge oder Misserfolge einfährt. Klar, dass hier nicht nur die persönlichen Voraussetzungen und der Einsatzwille des Studenten eine Rolle spielen, sondern gerade auch strukturelle Rahmenbedingungen und die speziellen Gegebenheiten an einer Bildungsinstitution stark hineinspielen.
Eine Erhöhung der Studierfähigkeit brauche daher jedenfalls die Beteiligung aller Involvierten, von den Studenten, über die Schule, die Hochschule bis zu denjenigen, die die politischen Rahmenbedingungen gestalten, so Schnabl und Mettinger in ihrer Analyse 2008. APA-Science hat nun bei der Vizerektorin nachgefragt, wie viel Gültigkeit die Betrachtungen nach fünf Jahren und der Einführung von Zugangsbeschränkungen in manchen Studienfächern noch besitzen.
APA-Science: Was ist Studierfähigkeit und wie beweist sie sich?
Christa Schnabl: Studierfähigkeit ist mehr als eine reine formale Voraussetzung (Matura oder Studienberechtigungsprüfung). Die allgemeine Definition ist "potenzielle Abschlussfähigkeit". Das heißt für uns als Universität: StudienbeginnerInnen steigen mit einem Bildungslevel ein, der eine solide Grundlage für den Abschluss eines Erststudiums (Bachelor bzw. tw. noch Diplom) darstellt.
APA-Science: Besitzen die wesentlichen Aussagen Ihrer Studie zur Studierfähigkeit von 2008 noch Gültigkeit – wenn nein, was hat sich geändert?
Schnabl: An der Gültigkeit der Grundaussagen hat sich nichts geändert. Was seitens der Universität in den letzten Jahren dazu gekommen ist: eine Schwerpunktsetzung bei der Gestaltung des Studieneinstiegs durch die Umsetzung der sogenannten Studieneingangs- und Orientierungsphase. Der Übergang von der Schule an die Universität ist eine große Veränderung für StudienbeginnerInnen. Die Universität Wien hat die Phase des Studieneinstiegs neu gestaltet, um den Studierenden von Beginn an eine gute Grundlage zu bieten, ihre Studienentscheidung zu festigen.
APA-Science: Wie ist es heute um die Studierfähigkeit österreichischer Maturanten bestellt?
Schnabl: Das Bild ist kein homogenes, weil auch die österreichischen Schulen unterschiedlich auf das akademische Umfeld vorbereiten. Es gibt nach wie vor sehr viele, sehr gut auf das Studium vorbereitete MaturantInnen. Ein entscheidender Faktor ist – neben den erworbenen Maturakompetenzen – Entschiedenheit und Motivation.
Die Studieneingangs-und Orientierungsphase ist daher ein wichtiges Instrument für Universität und die StudienbeginnerInnen nach ersten Lehrveranstaltungen über mehrere Prüfungen festzustellen, ob das "richtige" Studium gewählt wurde. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die STEOP in ihrer "Brückenfunktion" hinein ins Studium wichtig ist.
APA-Science: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Einflussfaktoren für die Studienwahl – "früher" und heute?
Schnabl: "Früher" gab es weniger und dadurch klarere Berufsbilder. Zudem standen weniger Studienrichtungen zur Auswahl. Heute ist die Berufswelt dynamischer und auch das Studienangebot vielfältiger. Informationsquellen wie Webinformationen oder Beratungsangebote sind daher von entscheidender Bedeutung. Diese Formate sind erst in den letzten Jahren entstanden und prägen daher heute viel stärker die Studienentscheidungen.
APA-Science: Haben Erstsemestrige heute ein realistischeres (subjektives) Bild von einer Hochschule als noch vor einigen Jahren?
Schnabl: Insbesondere im Laufe des ersten Semesters entwickeln Studierende schnell ein realistisches Bild. Die bisherigen Erfahrungen mit der Studieneingangs- und Orientierungsphase zeigen, dass Verbindlichkeit und Struktur zu Studienbeginn zu einem erfolgreicheren Studieneinstieg führen. Um in der besonderen Phase des Studieneinstiegs auch über begleitende Maßnahmen den Studierenden Unterstützung zu bieten, setzt die Universität Wien verstärkt auch auf Mentoring-Programme. Gefördert werden der Wissenstransfer von Höhersemestrigen zu den NeubeginnerInnen, sowie die Vermittlung der Charakteristika des Studiums und die Etablierung von Lerngruppen.
APA-Science: Was haben jüngste Initiativen zur Studienberatung gebracht – und: Gibt es genügend Schnittstellen zwischen Schulen und Hochschulen?
Schnabl: Wir freuen uns zu sehen, dass die verschiedenen Angebote vermehrt Zuspruch von Schülerinnen und Schülern erleben. Das hängt einerseits mit der stärkeren Nachfrage, andererseits aber auch mit den verbesserten Angeboten zusammen. Die Universität Wien hat in den letzten Jahren insbesondere UniOrientiert, die jährliche Infomesse für SchülerInnen, neu konzipiert (siehe Infobox unten).
APA-Science: Was läuft in diesem Bereich gut, was könnte man noch verbessern?
Schnabl: Was es stetig auszubauen gilt sind die Online-Services. Hier steigt die Nachfrage von Studierendengeneration zu Studierendengeneration. Diese Online-Angebote ersetzen jedoch nicht den direkten Kontakt, wie z.B. über Probevorlesungen bei UniOrientiert.
APA-Science: Wie stark haben Sie als Vizerektorin für Studierende und Lehre Einblick in die Studienberatung?
Schnabl: Neben der Weiterentwicklung der Curricula, ist die Verbesserung der Services für die Studierenden und AbsolventInnen mein zentrales Anliegen. Die StudienbeginnerInnen - die „nächste Studierendengeneration“ - haben da natürlich einen besonders hohen Stellenwert. Gemeinsam mit den verschiedenen Partnern in der Universität, den Studienprogrammleitungen wie auch den Dienstleistungseinrichtungen arbeite ich regelmäßig an der Verbesserung und dem Ausbau der bestehenden Formate. Ein besonderes Anliegen ist mir dabei zu motivieren, Fragen zu stellen. Denn nur über Fragen und verschiedene Antworten kommen SchülerInnen/StudienanfängerInnen zu einem klaren Bild – dabei empfiehlt es sich sowohl das private Umfeld wie auch Beratungsangebote zu nutzen.