Berkeley statt Audi Max - Im Blindflug an die Uni?
Bis zur Matura liegt der Bildungsweg mehr oder weniger klar sichtbar vor den meisten Gymnasiasten - die Aufmerksamkeit richtet sich auf die Reifeprüfung und weniger auf das, was danach kommt. Hat man den Abschluss erst in der Tasche, treten oftmals die großen Fragezeichen zutage: Wohin im scheinbar uferlosen Meer an Bildungsangeboten? Was bedeutet es eigentlich, an einer Universität, Fachhochschule oder Pädagogischen Hochschule zu studieren? APA-Science hat sich mit drei frisch gebackenen Wiener AHS-Absolventen darüber unterhalten, welche Vorstellungen von Hochschule sie haben, welches Bild ihnen in der Schule über das Kommende vermittelt wurde und woher sie die Informationen für ihre ersten Schritte im System Hochschule nehmen.
Informationsangebote zu möglichen Studienrichtungen gebe es zwar viele, wenn aber selbst die grundsätzliche Richtung, in die man gehen möchte, noch im Dunkeln liegt, sei einem auch mit Berufsmessen oder einem Informationstag an der Schule wenig geholfen, erklären Josepha, Florian und Stefan unisono. Die Fülle an Bildungsangeboten könne jedenfalls erdrückend wirken, sind sie sich einig. An die richtigen Informationen zu kommen, sehen die Schüler zwar weitgehend in ihrer eigenen Verantwortung, dass in ihrem Schulalltag der mögliche Uni-Alltag so gut wie kein Thema war, sei im Nachhinein nun doch überraschend.
Im Chemiesaal gab es zwar Poster über das Studium der Technischen Chemie an der TU Wien, aber im Unterricht wurde das nicht behandelt, fällt Stefan spontan auf die Frage ein, wo denn die Universität an der Schule präsent war. Entsprechend vage sind die Vorstellungen darüber, was in einem Uni-Hörsaal tatsächlich vor sich gehen könnte. Das scheint auch wenig verwunderlich, denn obwohl ihr Schulgebäude weniger als einen Kilometer Luftlinie von der Universität Wien entfernt ist, gab es nie eine Exkursion dorthin. Das liege wahrscheinlich daran, dass kein Lehrer gerne etwas von seiner Unterrichtszeit opfern möchte, meint Josepha. An der simplen Überwindung der Distanz dürfte eine solche Exkursion jedenfalls nicht gescheitert sein, denn im Zuge eines USA-Aufenthalts eines Teiles ihrer Klasse gab es immerhin einen Besuch an der University of California in Berkeley.
Einstieg ins Ungewisse
Trotzdem sind Josepha und Florian jetzt damit beschäftigt, ihren Einstieg an der Universität organisatorisch hinzubekommen. Ein Bild darüber, ob die von ihnen gewählte universitäre Sparte die richtige ist, könne man sich ohnehin nur vor Ort machen, sind sie überzeugt.
Florian hat sich für das Studium der Pharmazie an der Universität Wien angemeldet. Begründet liegt seine Wahl darin, dass er sich in der Schule für Biologie und Chemie interessiert hat. Da in diesem Jahr ein Test für die Aufnahme zum Studium Voraussetzung war, hat er zur Sicherheit auch für Chemie inskribiert. Da dann allerdings weniger Interessenten antraten, als Studienplätze zu vergeben waren, bekamen alle einen Platz. "Ich schaue jetzt einmal, ob mir das Studium gefällt", erklärt er. In den Unibetrieb "kommt man dann - glaube ich - eh recht schnell hinein". Florian erwartet sich viel von der ersten Orientierungsveranstaltung, wenn das Studium nun beginnt.
Auf der Suche nach dem Roten Faden
Sich einfach vom Durchlesen eines Studienführers "die Erleuchtung" zu erwarten, sei jedenfalls unrealistisch, ist sich Josepha sicher. Sie interessierte sich ursprünglich für Psychologie, hat sich aber nun umentschieden und Rechtswissenschaften inskribiert. Aufgrund der späten Entscheidung steht sie noch vor jeder Menge Fragezeichen: "Ich hatte heute aber schon einen Zusammenbruch, weil ich nicht kapiert habe, wie das mit der Anmeldung funktioniert. Die Uni hat noch nicht einmal begonnen und ich habe wirklich keine Ahnung, was mich erwartet". Wenn man frisch von der Schule kommt, bekomme man eine Art Kulturschock "weil scheinbar nichts geregelt ist", so Josepha.
Stefan hat nun erstmal seinen Zivildienst vor sich und steht noch nicht unmittelbar vor dem Sprung auf die Uni. "Ich kann mir auch noch gar nicht vorstellen, wie das auf der Uni ist." Darüber erfahre man auch nichts, wenn man nicht dezidiert danach sucht. Auf den ersten Blick sei vieles auch sehr unübersichtlich. An der Schule gab es zwar eine eintägige "Bildungsmesse" in deren Rahmen sich Universitäten, Fachhochschulen aber etwa auch die Polizei vorgestellt haben. Das Hauptaugenmerk sei da aber auch eher auf den "Massenstudien", wie Wirtschaft, Rechtswissenschaften oder Medizin gelegen, erinnert sich Stefan.
Freunde und das Internet als Informationsquellen
Um sich ein Bild über die große Unbekannte zu machen, setzen die drei vor allem auf Gespräche mit Freunden, die in der Auseinandersetzung mit der neuen Realität schon etwas weiter sind. "Die meisten lassen sich einfach von Leuten beraten, die schon studieren", erklärt Josepha. Dieser Kreis ließe sich dann in Sozialen Netzwerken erweitern, denn eine wichtige Informationsquelle sind etwa spezielle Facebook-Gruppen, beispielsweise für Erstsemestrige in Jus, wo andere Studenten einschlägige Fragen beantworten. Insgesamt fänden sich viele Informationen von Betroffenen im Internet. Interessant seien etwa Erfahrungsberichte.
Dass es Internetplattformen von offiziellen Stellen gibt, die hier Informationen gebündelt anbieten, haben sie in der Schule oder auf Bildungsmessen nicht erfahren. Dass sie eine dieser Plattformen bereits einmal besucht haben, sei zwar nicht auszuschließen, gezielt aufgerufen hat sie aber keiner der drei. Ähnliches gilt für die Studienberatung. Dass es Stellen gibt, an denen das angeboten wird, sei ihnen schon bewusst, in Anspruch genommen hat sie bisher aber keiner der drei.
Eine Frage von Angebot und Nachfrage
Einmal ein Vorlesungsverzeichnis durchzugehen oder darüber nachzudenken, wie ein Studienplan eigentlich zu lesen sein könnte, sei an der AHS auch kein Thema gewesen. "Es gibt ja irgendwie auch keinen Rahmen, indem uns so etwas erklärt werden würde", so Stefan, der allerdings festhält, dass sich die Lehrer sicher darum bemüht hätten, hier mehr zu tun, wenn es wiederum mehr Nachfrage seitens der Schüler gegeben hätte. Klar sei jedoch, in der Zeit vor der Matura, zähle eben in erster Linie die Reifeprüfung.
Stefan beschreibt seine Sicht der Dinge im Moment so: "Die Schule ist ein abgeschlossenes Kistl", die Matura eine Art "Trennstrich". Die Verbindungslinien zwischen Schule und Uni würden irgendwie fehlen. Die Betonung liege eher auf den Unterschieden zwischen den beiden Bereichen. Oft höre man, "auf der Uni müsst ihr euch dann alles selber organisieren, da kann man sich dann nicht mehr wie in der Schule hinsetzten und es passt alles", erklärt Florian.
Wie die Umstellung von dem doch behüteten Schulbetrieb zum auf den ersten Blick unübersichtlichen und wenig persönlichen Unibetrieb dann tatsächlich aussieht, können sich alle drei natürlich noch nicht vorstellen. Darauf könne man auch im Rahmen von Beratung und in der Schule nur bedingt vorbereiten, sind sie überzeugt. "Hätte uns andererseits jemand die Studieneingangsphase genau erklärt, hätten wir vielleicht auch nicht aufgepasst", weil dieses Thema noch nicht so präsent war, gibt Stefan selbstkritisch zu bedenken.
Tendenzen in Richtung "Massenstudium"
Der Prozentsatz derer, die in ihrem Umfeld nach der Matura genau wissen, was sie weiter tun werden, sei jedenfalls relativ gering. Auf "fünf Prozent", schätzt ihn Josepha. "90 Prozent der Leute sagen 'ich weiß noch nicht, irgendwas mit Wirtschaft oder Psychologie' hört man oft", sagt Stefan. Auch Josepha glaubt, das sich viele in "Massenstudien" wiederfinden werden. Wie klar die Vorstellung darüber ist, wohin es gehen soll, hänge insgesamt aber einfach damit zusammen, wie sehr man sich damit auseinandersetzt, sind sich die drei einig.
Von Nikolaus Täuber/APA-Science