"Das Anthropozän - Faktum oder Fiktion?"
Es scheint Mode geworden zu sein, dass manche Politiker gegenwärtig infrage stellen, ob es einen durch menschliche Aktivität verursachten Klimawandel gibt. Meist wird darauf verwiesen, dass sich das Klima unserer Erde im Laufe ihrer Entwicklung immer wieder gewandelt hat. Dies ist zweifelsohne richtig, allerdings stieg die Kohlendioxidkonzentration niemals in der Erdgeschichte rascher als das gegenwärtig der Fall ist. Die Auswirkungen des Anstiegs an Kohlendioxid und dessen Auswirkungen sind in vielfältiger Weise messbar.
Vor mehr als sechzig Jahre wurde "global warming" zum ersten Mal erwähnt. In einer wissenschaftlichen Publikation von Charles Keeling und dem gebürtigen Österreicher Hans Suess, der an der Universität Wien promovierte und im Jahr 1950 in die USA emigrierte und dann ab 1955 am Scripps Institution of Oceanography in San Diego arbeitete, wurde im Jahr 1957 darauf verwiesen, dass ein Teil des Kohlendioxids, das durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe in die Atmosphäre gelangt, vom Ozean aufgenommen wird - allerdings in einer geringeren Rate als menschliche Aktivitäten dieses Kohlendioxid aus fossilen Brennstoffen freisetzen. Dadurch kommt es zu einem Anstieg an Kohlendioxid in der Atmosphäre und damit verbunden zu einem Anstieg der Temperatur, da Kohlendioxid Wärmestrahlung absorbiert, also als Treibhausgas fungiert. Charles Keeling initiierte dann die erste kontinuierliche Messung von Kohlendioxid in der Atmosphäre durch den Aufbau einer Messstation am Mauna Loa auf Hawaii ab 1958. Viele weitere Messstationen dokumentieren gegenwärtig den kontinuierlichen Anstieg der Kohlendioxid-Menge in der Atmosphäre, der mittlerweile 400 ppm überschritten hat, von 180 ppm vor Beginn des industriellen Zeitalters.
Der Atmosphärenchemiker Paul Crutzen benannte das Erdzeitalter, in dem wir uns gegenwärtig befinden, das Anthropozän, weil erstmals in der Erdgeschichte der Mensch das Klima auf der Erde beeinflusst. Das Pariser Klimaabkommen, im Dezember 2015 unterzeichnet, setzt sich zum Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Hierfür wäre rasches Handeln der politischen Akteure notwendig, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, den Anstieg an Kohlendioxid in der Atmosphäre drastisch zu reduzieren und möglichst bald Kohlendioxid-neutral zu werden.
Es ist nicht verwunderlich, dass der Begriff "Globale Erwärmung" zuerst in Zusammenhang mit dem Meer genannt wurde. Das Meer ist der größte Wärmespeicher der Erde und somit entscheidend für das Klima auf unserer Erde.
Der Ozean wird wärmer! Der Temperaturanstieg ist nicht nur im sonnendurchfluteten Oberflächenwasser messbar, sondern auch in der Tiefsee. Die Wassermassen des Ozeans werden durch Änderungen von Temperatur und Salzgehalt in Bewegung gehalten. Der Golfstrom ist eine der wichtigsten Oberflächen-Wassermassen, die die globale Ozeanzirkulation antreibt und dann zwischen Grönland, Island und Norwegen so viel an Wärme verloren hat, dass es in die Tiefe absinkt und zum Nordatlantischen Tiefenwasser wird, dem eigentlichen Motor der globalen Ozeanzirkulation. In einer kürzlich veröffentlichten Langzeitstudie in der Fachzeitschrift Nature wurde nun nachgewiesen, dass sich die Bildung von Tiefenwasser im Nordatlantik verlangsamt und somit das globale Förderband der sogenannten Thermohalinen Zirkulation verlangsamen könnte. Dies könnte eine Änderung der globalen Ozeanzirkulation bedeuten und das Klima auf unserer Erde in den verschiedenen Breiten verändern.
Das durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzte Kohlendioxid findet sich zu ca. 50 Prozent in der Atmosphäre wieder. Zu je 25 Prozent wird es von Landpflanzen und vom Ozean aufgenommen. Die Aufnahme von Kohlendioxid durch die Oberflächengewässer des Ozeans führt zu einer Versauerung der Meere, also einer Abnahme des pH-Wertes von bisher leicht basisch (pH-Wert ca. 8) in den eher sauren Bereich (pH <7).
Zusammen mit der Erwärmung der Ozeane führt die Versauerung der Oberflächengewässer zu einem Kollaps vieler Korallenriffe, wie das gegenwärtig am Großen Barriere-Riff vor Australien der Fall ist. Die globalen Änderungen im Ozean sind aber nicht auf einzelne Regionen beschränkt. In der Arktis schmelzen die Eiskappen schneller, als im IPCC Report noch vor zehn Jahren vorhergesagt. In den gemäßigten Breiten des Atlantiks nimmt das Vorkommen subtropischer und tropischer Arten zu, man spricht von einer "tropicalization" dieser gemäßigten Breiten. Das heißt, wir sind mit dem Phänomen konfrontiert, dass Arten sich weiter nach Norden ausbreiten, was zu Änderungen im Nahrungsnetzgefüge führt und somit auch das Vorkommen und die Fortpflanzung der Fische betrifft, die fischereiwirtschaftlich genutzt werden.
Gegenwärtig ernährt sich die Weltbevölkerung nur mit zwei Prozent vom Fischfang aus dem Meer, 98 Prozent unserer Nahrungsquellen beziehen wir aus der Landwirtschaft. Umso verwunderlicher ist es daher, dass weit mehr als 50 Prozent aller fischereiwirtschaftlich genutzten Fischarten als überfischt eingestuft werden, im Mittelmeer sind es 89 Prozent. Der jährliche globale Fischfang beträgt ca. 100 Millionen Tonnen. Das Problem dabei ist, dass wir beinahe ausschließlich Raubfische fangen, also Fische, die sich von anderen, kleineren Fischen ernähren. Die Biomasse an Raubfischen ist aber nur ca. zehn Prozent der Biomasse jener Fische, von denen sie sich ernähren, das heißt, wir fangen die Fische, die an der Spitze der Nahrungsnetzpyramide stehen. Aus der Landwirtschaft hingegen ernähren wir uns vorwiegend von der Basis der Nahrungsnetzpyramide. Wir essen Getreide und daraus erzeugte Produkte, Reis und ernähren uns fast ausschließlich von Pflanzenfressern wie Rindern oder Geflügel. Würden wir das auch im Meer so handhaben, könnten wir statt der 100 Millionen Tonnen Fisch ca. 4.000 Millionen Tonnen Muscheln ernten, weil diese sich vorwiegend von pflanzlichem Plankton ernähren, also näher an der Basis der Nahrungspyramide im Meer stehen, also auf einer niedrigeren Trophiestufe.
Der Mensch verändert seine Umwelt schon seit langem, wir leben in Kulturlandschaften mit intensiver Landwirtschaft, ermöglicht durch hohen Einsatz an Düngemitteln und Herbiziden. In den letzten drei Dekaden wurden aber die Veränderungen der Natur und unserer Umwelt offensichtlicher als je zuvor, auch weil wir mehr Messdaten generieren. Die Auswirkungen dieser Veränderungen führen zur Zeit zu einem dramatischen Rückgang der Artenvielfalt.
Fünf massive Artensterben gab es in der Geschichte der Erde, ausgelöst vorwiegend durch geologische Ereignisse, die nachfolgend das Klima veränderten und die zu diesem Massensterben an Arten führten. Gegenwärtig befinden wir uns in der Phase des sechsten Artensterbens in der Erdgeschichte als Konsequenz des Anthropozäns. Der Rückgang an Insekten, Vögeln und anderen Organismen am Land ist wohldokumentiert. Im Meer beobachten wir ähnliche Phänomene, wo einzelne Organismen sowie ganze Ökosysteme, z. B. Korallenriffe, bedroht sind.
Was sind mögliche Auswege? Zuerst ist einmal eine rasche Reduktion des Kohlendioxidausstoßes erforderlich. Die politischen Rahmenbedingungen dafür müssen rasch geschaffen werden. Wir haben nur mehr ein kleines Zeitfenster von ca. zehn Jahren zur Verfügung, um Kohlendioxid-neutral zu werden und den im Pariser Abkommen festgelegten Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu halten, wie Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Klimaforschungsinstitut errechnete. Dies erfordert eine erhebliche Anstrengung und letztlich auch einen Umbau unserer Wirtschaft in eine "circular economy", in eine Kreislaufwirtschaft, die mit den Rohstoffen sorgsam umgeht und wieder verwertet, also nachhaltig nutzt.