Mehr Kindergartenplätze in Vierteln mit vielen Akademikern
Wie leicht man einen Kindergartenplatz findet, hängt in Wien vom Wohnviertel ab. So standen Kindern laut am Donnerstag präsentierten Studien 2020 in Wohnvierteln mit dem höchsten Akademikeranteil im Verhältnis deutlich mehr Plätze zur Verfügung als in Vierteln, in denen vor allem Menschen mit geringerem Bildungsniveau leben. In den 25 Prozent der Viertel mit dem höchsten Akademikeranteil sind es demnach um zehn Prozent mehr als in den 25 Prozent mit den wenigsten Akademikern.
Diese Ungleichverteilung hat zwischen 2013 und 2023 noch zugenommen, so die Wirtschaftsuni-Forscherin Astrid Pennerstorfer bei einem Online-Pressegespräch von "Diskurs. Das Wissenschaftsnetz" im Vorfeld des achten Tags der Elementarbildung am morgigen Freitag. So sei das Angebot an Kindergartenplätzen insgesamt in dieser Zeit um 27 Prozent gewachsen, bei den öffentlichen Kindergärten der Stadt Wien waren es aber nur rund zwei Prozent. Der Anteil der öffentlichen Häuser sei dadurch in diesem Zeitraum von 37 auf 30 Prozent geschrumpft.
Vor allem Betreiber kleinerer Privatkindergärten sperren bevorzugt dort Häuser auf, wo Eltern viel Geld und Zeit haben. Doch nicht nur die Betreiber kleiner Privatkindergärten würden eine solche Ansiedlungspolitik verfolgen und damit "ungleichheitsschaffend" wirken. Auch bei katholischen und evangelischen Kindergärten gebe es in Wohnvierteln mit höherem sozioökonomischem Status eine "leicht höhere Zugänglichkeit".
Die Plätze in den kleinen Privatkindergärten sind dabei im Vergleich teurer, argumentiert wird das laut Pennerstorfer etwa mit speziellen pädagogischen Angeboten. In diesen Häusern - etwa elternverwalteten Kindergruppen - müssen die Eltern teilweise auch selbst mitarbeiten, damit kämen noch bis zu 32 Stunden pro Monat für Koch-, Putz- oder Betreuungsdienste dazu. "Paradoxerweise" würden gerade die teuersten Betreiber bei Struktur-Qualitätsmerkmalen wie durchschnittlichen Öffnungszeiten pro Woche oder den Schließtagen am schlechtesten abschneiden.
Viele öffentliche Kindergärten in Arbeitervierteln
Die beiden großen Wiener Privatkindergartenträger, Kinderfreunde und Kinder in Wien, sind laut der Erhebung hingegen relativ gleichmäßig im städtischen Raum verteilt. Bei den öffentlichen Kindergärten der Stadt Wien gibt es sogar vergleichsweise mehr Angebot in Vierteln mit besonders vielen bildungsfernen Menschen. Das schaffe zwar einen gewissen Ausgleich, so Pennerdorfer. Allerdings werden in Wien nur ein Drittel der Kindergartenplätze von der Stadt angeboten. "Wenn man diese Ungleichheiten abbauen und gleiche Chancen für alle Kinder haben will, braucht es wieder vermehrt ein öffentliches Angebot oder alternativ mehr staatliche Mittel, um eine qualitative, personell gut ausgestattete Kinderbetreuung zuzulassen."
Soziologin Fabienne Décieux von der Uni Wien ortete hier in ihrem Vortrag jedenfalls noch Aufholbedarf. So gebe es zwar in Österreich seit den 2000ern einen öffentlichen Konsens, dass Kindergärten die erste Bildungseinrichtung sind, und seit den späten 2000er-Jahren fließe auch mehr Geld in den Ausbau. Die veränderten Anforderungen an die Pädagoginnen seien aber nicht mit besseren Arbeitsbedingungen einhergegangen. Ihre Arbeitsplatzbeobachtungen und Interviews hätten gezeigt, dass die Arbeit mit den Kindern vom Kindergartenpersonal als sehr positiv bewertet werde. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen mit großen Gruppen und vielen Kindern pro Fachkraft sei es aber oft nicht möglich, auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Das führe zu hoher Arbeitsbelastung und Überlastung. "Man muss sich die Frage stellen, ob nicht der Personalnotstand in Teilen auch hausgemacht ist", betonte Décieux.
AK und Gewerkschaft fordern "Turbo für die Elementarbildung"
Im Vorfeld des Tags der Elementarbildung haben unterdessen Gewerkschaften und Arbeiterkammer einmal mehr einen "Turbo für die Elementarbildung" gefordert. Vom Bund müsse "endlich kräftig Geld in die Hand genommen werden". Denn wenn im Kindergarten die Rahmenbedingungen nicht passten, müsse im späteren Bildungsverlauf vieles teuer nachgeholt werden. Konkret brauche es mehr Personal, eine bundesweit einheitliche Ausbildung für Assistenzkräfte und kleinere Gruppen. Ziel müsse ein flächendeckender Ausbau und der Rechtsanspruchs auf beitragsfreie Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag sein, forderten ÖGB, die Gewerkschaften GPA, younion, vida und die AK per Aussendung.