Antikörper wirkt gegen krebsbedingte Gewichtsabnahme
Erstmals könnte es eine Behandlung gegen die im Rahmen von Krebserkrankungen häufig auftretende drastische Gewichtsabnahme (Kachexie) geben. Ein monoklonaler Antikörper gegen den oft durch Entzündungen geförderten Botenstoff GDF-15 hat in einer klinischen Studie zu einer deutlichen Gewichtszunahme und zu einer besseren Lebensqualität geführt, haben Wissenschafter im "New England Journal of Medicine" berichtet.
Laut internationalen Zahlen leiden 50 bis 80 Prozent der Krebspatienten im Laufe ihrer Erkrankung auch an einer Kachexie. Dabei kommt es zu einem schnellen Abbau von Fett und Muskelmasse, starkem Gewichtsverlust und zunehmender Schwächung des Organismus. Die Betroffenen geraten dabei leicht in einen Teufelskreis mit immer schlechter werdender Lebensqualität und noch zusätzlich verringerter Lebenserwartung.
Aus Nebenwirkung wird gewünschter Effekt
"Vor kurzem veröffentlichte Empfehlungen unterstützen die Einnahme einer niedrigen Dosis von Olanzapin (Antipsychotikum; Anm.), um den Appetit und das Körpergewicht von Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung zu verbessern. Diese Empfehlung basiert zum größten Teil auf einer Studie an einem einzigen Zentrum", schrieben jetzt John Groarke (Pfizer) und seine Co-Autoren im "New England Journal of Medicine" (DOI: 10.1056/NEJMoa2409515). Die Anwendung des atypischen Neuroleptikums Olanzapin bei Tumorkachexie, wirksam bei Schizophrenie, ist wenig überraschend: Die größten Nebenwirkungen von Olanzapin sind starke Gewichtszunahme und allenfalls Typ-2-Diabetes.
Der US-Pharmakonzern Pfizer ist einen neuen Weg gegangen. Seit längerem ist bekannt, dass der sogenannte Wachstumsdifferenzierungsfaktor 15 (GDF-15), ein körpereigener Botenstoff, bei einer Kachexie vermehrt im Blut zu finden ist. Das liegt bei Krebspatienten daran, dass die körpereigene Produktion durch Entzündungsreaktion stark erhöht ist. Im Rahmen von bösartigen Erkrankungen spielen oft auch Entzündungsreaktionen eine Rolle.
Biotech-Wirkstoff drei Monate lang erprobt
Mit dem monoklonalen Antikörper Ponsegromab wurde ein hoch wirksamer Biotech-Hemmstoff für GDF-15 entwickelt. Jetzt liegen erstmals die Informationen aus einer klinischen Studie der Phase II (Dosisfindung, Verträglichkeit, auch Hinweise auf Wirksamkeit) mit Placebokontrolle vor. Insgesamt wurden 187 Krebspatienten mit Tumorkachexie aufgenommen. 40 Prozent hatten ein fortgeschrittenes nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom, 32 Prozent Bauchspeicheldrüsen- und 29 Prozent Dickdarmkrebs. Je ein Viertel bekam alle vier Wochen (insgesamt dreimal) jeweils hundert, 200 oder 400 Milligramm des monoklonalen Antikörpers oder ein Placebo als Injektion unter die Haut.
"Im Vergleich zu Placebo zeigten sich in der 400-Milligramm-Gruppe statistisch signifikante Verbesserungen", schrieben die Wissenschafter. Die Behandelten nahmen im Mittel 2,81 Kilogramm zu. In der Placebo-Gruppe berichteten 80 Prozent der Probanden von Nebenwirkungen, in jenen Gruppen, welche Ponsegromab bekommen, 70 Prozent. Jetzt werden noch größere klinische Studien der Phase III folgen, bevor es in die Zulassung geht.