Stichwort: CERN
Das Europäische Labor für Teilchenphysik CERN bei Genf ist eine Großforschungseinrichtung im Bereich der physikalischen Grundlagenforschung. Bekannt wurde sie vor allem für ihre großen Teilchenbeschleuniger, mit deren Hilfe der Aufbau der Materie erforscht wird. Damit wurden nobelpreisgewürdigte Entdeckungen wie jene des lange gesuchten Higgs-Teilchens möglich, aber auch Erfindungen wie jene des World Wide Web (WWW).
Unter dem ursprünglichen Namen Centre Europeen pour la Recherche Nucleaire wurde CERN von zwölf Ländern gegründet, das Übereinkommen zwischen diesen trat am 29. September 1954 in Kraft. Frankreich, Italien und Deutschland waren die treibenden Kräfte des internationalen Projekts, das eine Antwort auf die spektakulären Erfolge der US-Atomforschung während des Zweiten Weltkriegs war.
"Die europäische Einigung schien damals noch so weit weg und illusorisch, aber die Physiker hatten damals erfasst, dass die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene die einzige Chance war, um mit den USA und der UdSSR zu konkurrieren", erklärte der Theoretische Physiker Walter Thirring (1927-2014) einmal im Gespräch mit der APA. Der Österreicher war seit der Gründung des Labors in verschiedenen Funktionen am CERN tätig, von 1968 bis 1971 war er Direktor der theoretischen Abteilung.
Heute hat das Zentrum 23 Mitgliedstaaten, Österreich ist seit 1959 mit dabei. Zudem sind viele außereuropäische Länder auf unterschiedliche Weise beteiligt.
Die Größe der Beschleuniger, und damit ihre Energie, mit der winzigste Teilchen zur Kollision gebracht werden, wuchs ständig. Je höher die Energie beim Zusammenstoß ist, desto exotischer sind die Teilchen, die dabei entstehen. Nachgewiesen werden diese Zerfallsprodukte mit zum Teil gigantischen Teilchendetektoren.
Von 1989 bis 2000 war der Large Electron-Positron-Collider (LEP) in Betrieb. Für diesen ringförmigen Beschleuniger wurde ein unterirdischer Tunnel mit einer Länge von 27 Kilometern gebaut, der auch auf französisches Gebiet reicht. Diese Röhre wurde auch für das Nachfolgemodell, den Large Hadron Collider (LHC), verwendet, der als weltweit leistungsstärkster Teilchenbeschleuniger gilt. In der komplexestes und größten Maschine, die bisher gebaut wurde und 2008 ihren Betrieb aufnahm, werden Protonen oder Blei-Kerne auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht.
Fülle an wissenschaftlichen Entdeckungen
Die Liste der wissenschaftlichen Entdeckungen am CERN füllt viele Bücher, einige davon wurden auch mit Nobelpreisen belohnt: So erhielten 1984 Carlo Rubbia und Simon van der Meer die Auszeichnung für den Nachweis der sogenannten W- und Z-Teilchen. Diese sind für die schwache Wechselwirkung verantwortlich, eine der vier Grundkräfte, die das Verhalten der Materie im Universum bestimmen. 1992 wurde Georges Charpak für die Entwicklung einer neuen Detektorentechnik (Vieldraht-Proportionalkammer) mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Schließlich erhielten 2013 der Brite Peter Higgs und der Belgier François Englert den Physik-Nobelpreis, nachdem am CERN das sogenannte Higgs-Teilchen nachgewiesen wurde, das die beiden ein halbes Jahrhundert zuvor vorhergesagt hatten. Das Higgs-Teilchen verleiht den Materieteilchen Masse.
Die bekannteste Erfindung, die aus dem CERN hervorgegangen ist, ist wohl das World Wide Web (WWW). Der britische Wissenschafter Tim Berners-Lee entwickelte Ende 1990 das System, ursprünglich um Physikern in aller Welt mit den Daten aus den Beschleuniger-Experimenten versorgen zu können.
Und das sind nicht so wenige: Zehntausende Wissenschafterinnen und Wissenschafter in aller Welt arbeiten mit den am CERN gewonnenen Daten. An der Einrichtung selbst sind rund 2.600 CERN-Mitarbeiter an Planung, Bau und Betrieb der Forschungsinfrastruktur beteiligt. Jährlich werden rund 1,4 Mrd. Schweizer Franken (1,45 Mrd. Euro) aufgewendet, wobei 1,2. Mrd. Schweizer Franken von den Mitgliedsstaaten kommen. Österreich trägt 2,2 Prozent des Jahresbudgets bei.
Österreich ist seit seinem Beitritt eng mit dem CERN verbunden, die Kooperation läuft primär über das Institut für Hochenergiephysik (HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Seit 2016 ist der Wiener Teilchenphysiker Manfred Krammer Leiter des Department für experimentelle Physik am CERN, der österreichische Physiker Michael Benedikt leitet die Machbarkeitsstudie für den Future Circular Collider. Dieser soll - vorausgesetzt die Pläne werden finanziert - in einem rund 91 Kilometer langen ringförmigen Tunnel einmal den LHC ablösen. Benedikt leitete auch die technische Planung des Krebsbehandlungs- und Forschungszentrums MedAustron in Wiener Neustadt (NÖ), das in enger Kooperation mit dem CERN aufgebaut wurde. Für Aufregung sorgte 2009 der damalige Wissenschaftsminister Johannes Hahn (V), der wegen der Kosten einen Ausstieg Österreichs aus CERN verkündete, ehe er ein paar Tage später vom damaligen Bundeskanzler Werner Feymann (S) zurückgepfiffen wurde.
Service: https://home.cern/