Öffnung der Wissenschaft: "Open Access" könnte nur der Anfang sein
Neben der bereits seit einigen Jahren stark im Aufwind befindlichen Praxis, Forschungsergebnisse frei zugänglich zu machen, wird auch über andere Wege zur Öffnung nachgedacht. Im Windschatten von "Open Access" wird vermutlich bald mehr Bewegung in die Diskussion zur Bereitstellung wissenschaftlicher Daten kommen. Auch in Österreich tue sich in Sachen "Open Science" Einiges, erklärten Experten gegenüber APA-Science.
In Teilen des Forschungs- und Bibliotheksbetriebes wurde es in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend zum Problem, dass vor allem große Verlage den Zugang zu wichtigen wissenschaftlichen Publikationen und übergeordneten Datenbanken und somit den Zugang zu neuem Wissen stark verteuerten. Unter dem Begriff "Open Access" wuchs eine Gegenströmung zu dieser Praxis zu beträchtlicher Größe an. Mittlerweile sind etwa ein Viertel aller aktuell ungefähr 30.000 wissenschaftlichen Fachzeitschriften offen zugänglich, heißt es in einer Publikation des Wissenschaftsfonds FWF aus dem vergangenen Jahr.
"Ich sehe es als Grundvoraussetzung für die weitere Öffnung von Wissenschaft, dass auch ihre Resultate zur Verfügung stehen", erklärte Falk Reckling, Experte für Open Access beim FWF. Dass Teile der Wissenschaft selbst nur eingeschränkt Zugang zu dem haben, was Forschung mit großem Aufwand produziert und Forscher oft unentgeltlich im Rahmen von Peer-Review-Verfahren begutachten, erscheint paradox. Nicht zuletzt gelte es laut Reckling zu bedenken, dass ein erheblicher Teil der Forschungsergebnisse ohne öffentliche Mittel nicht erzielt werden könnte, und daher die Allgemeinheit ein Recht auf diese Informationen habe.
Breites Interesse an Forschungsergebnissen
Eine weitere Umsetzung würde viele gesellschaftliche Gruppen betreffen: "Wir haben einen breiten Bereich an Berufsgruppen, die an neuesten wissenschaftlichen Informationen vitales Interesse haben", so Reckling. Das seien etwa Ärzte, in technischen Berufen, in den neuen Medien oder in der öffentlichen Bildung tätige Personen sowie Journalisten. Studien gehen auch davon aus, dass etwa Klein- und Mittelunternehmen (KMU) von Open Access stark profitieren könnten, erklärte Reckling.
Was die Umsetzung betrifft, liege man momentan auf einer gedachten Skala von eins bis zehn ungefähr bei fünf. Reckling: "Es tut sich im Moment aber Einiges." So gehe der Trend in Richtung einzelner Abkommen zwischen Bibliotheken, Förderorganisationen und einschlägigen Verlagen, die einen Umstieg zu Open Access vereinfachen sollen. Österreich, respektive der FWF, hat als eines der weltweit ersten Länder einen solchen Vertrag mit einem kleineren, auf Physik spezialisierten Verlag abgeschlossen.
Schneller Umstieg möglich
Holland hat kürzlich eine Vereinbarung mit der Verlagsgruppe Springer getroffen, die sicherstellt, dass zukünftig alle Veröffentlichungen mit Beiträgen niederländischer Autoren frei zugänglich sind und Wissenschafter auf alle Publikationen des Verlags Zugriff bekommen. Das sei ein interessanter Ansatz, bei dem Österreich auch mitziehen könnte. "Wenn sich diese Idee durchsetzt, dann wird es wohl relativ schnell zu einem vollständigen Umstieg kommen", so Reckling.
Für solche Lösungen würden die Vertragspartner der Verlage in Zukunft jedenfalls auch mehr Geld in die Hand nehmen müssen. Man müsse aber aufpassen, denn derartige "Big Deals" könnten auch dazu führen, dass die großen Verlage ihre Marktposition weiter ausbauen, da dann viel Geld in Verträgen mit wenigen großen Anbietern gebunden und kaum mehr etwas für kleinere Nischenanbieter übrig wäre. Das würde der Intention, dass Open Access zu mehr Konkurrenz führen soll, zuwider laufen. "Das kann langfristig auch gefährlich sein", gab der Experte zu bedenken.
Offene Prozesse
Aber nicht nur die Frage des freien Zugangs zum Endergebnis von Forschung beschäftigt die Szene. Zunehmend wird auch über andere Formen der Öffnung nachgedacht. Zu einem wichtigen diesbezüglichen Vehikel könnte auch die Beteiligung von Laien an konkreten Forschungsprojekten, also "Citizen Science" werden. Der radikalste "Open Science"-Ansatz ist jedoch das Konzept der "Open Notebook Science": Hier soll der gesamte Prozess eines Forschungsprojekts öffentlich einsehbar sein und das auch noch möglichst in Echtzeit. Experten wie Stefan Kasberger, Koordinator der Open-Science-Arbeitsgruppe bei der Open Knowledge Foundation Österreich und Gründer der Plattform "openscienceASAP", sprechen in diesem Zusammenhang von "Open Methodology".
Der nächste Schritt scheine aber das Öffnen von Daten und Software (Open Data und Open Source) zu sein, erklärte Kasberger. "Worüber auch viel diskutiert wird, ist Open Peer Review, also den Prozess der Qualitätssicherung nachvollziehbarer zu machen."
Mehr Qualität durch Öffnung
"Das zentrale Ziel der Öffnung ist ganz einfach: Bessere Wissenschaft", so der Aktivist in Sachen offene Wissenschaft. Dass eine Überprüfung von Befunden schwierig ist, wenn viele Informationen und Daten, die Erkenntnissen zugrunde liegen, nicht zugänglich sind, sei klar, so auch Reckling. Offenheit könne hier die Qualität erhöhen. Wären Daten freier verfüg- und auffindbar, müssten auch teure Erhebungen nicht wiederholt werden, was wiederum zum ökonomischeren Umgang mit Forschungsgeldern führen könnte. Zusätzlich könnte "Open Data" auch KMU helfen, Entwicklungen auf Basis wissenschaftlicher Daten stärker vorantreiben.
Die Umsetzung von "Open Research Data" sei allerdings noch ein Stück komplexer als Open Access, gibt Reckling zu bedenken. Es stellen sich Fragen dahingehend, was alles unter den Terminus "Forschungsdaten" fällt und ob es überhaupt aus rechtlicher und ethischer Sicht wünschenswert ist, bestimmte Daten zu Verfügung zu stellen. Auch die technische Umsetzung sei alles andere als trivial, da verschiedene Forschungsdisziplinen auch fundamental verschiedene Arten und Mengen an Daten produzieren. Der FWF weist Forscher bei der Antragstellung aber bereits darauf hin, Aspekte der Archivierung mitzubedenken.
Klar sei, dass hier etwas getan werden müsse, denn dass Daten nicht wiederverwendet werden können, die mit öffentlichen Geldern erhoben wurden, sei kein haltbarer Zustand. Auch im Rahmen des mit Jahresbeginn gestarteten Forschungsrahmenprogrammes der EU "Horizon 2020" gebe es schon Empfehlungen in Richtung Open Data. Das deute darauf hin, dass zukünftig Verpflichtungen folgen könnten, so Recklings Einschätzung.
"Open Science" braucht Kulturwechsel
Beim Hineinschnuppern in die Praktiken anderer Forscher oder ganzer Disziplinen könne man laut Kasberger jedenfalls viel lernen. "Die größte Veränderung aber ist sicher eine kulturelle. Sehr oft ist der Kontrollverlust, der mit Öffnung zusammen hängt, mit Angst behaftet". Dafür gebe es aber kaum Gründe, denn offenere Forschung führe "zu mehr Vertrauen und Partizipation und kann die Wahrnehmung des großen gesellschaftlichen Projektes der Wissenschaft nach außen hin positiv verändern, was gerade in Österreich dringend notwendig wäre", erklärte Kasberger.
Von Nikolaus Täuber/APA-Science