Lärm gefährdet das Herz
Eine ständige Lärmbelastung bedeutet für Menschen auch ein Herzrisiko. Das ergibt sich aus zwei wissenschaftlichen Studien, die beim Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC, 30. August bis 2. September) präsentiert werden.
Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte, mangelnde Bewegung und Diabetes sind besonders wichtige Risikofaktoren für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch auch Umweltbelastungen spielen eine Rolle. Dazu gehört offenbar auch der Umweltfaktor Lärm.
Stadtlärm kann das Risiko erheblich erhöhen
"Unsere DECIBEL-MI-Studie zeigt, dass junge Patienten im Alter von 50 Jahren oder jünger, die einen Herzinfarkt erlitten hatten, einem höheren Lärmpegel ausgesetzt waren als die Allgemeinbevölkerung. Die Studie belegt, dass Stadtlärm das Risiko eines frühzeitigen Herzinfarkts bei jungen Menschen mit geringen traditionellen Risikofaktoren erheblich erhöhen kann", erklärte Studienleiter Hatim Kerniss von der Klinikgruppe Gesundheit Nord in Bremen in Deutschland anlässlich des bevorstehenden ESC-Jahreskongresses, der dieses Jahr in London stattfindet.
An der DECIBEL-MI-Studie nahmen 430 Patienten im Alter von 50 Jahren oder jünger teil, die in Bremen (Deutschland) mit einem akuten Herzinfarkt in eine Klinik eingeliefert wurden. Bei der Berechnung der Lärmbelastung in deren Wohngebieten stellten die Forscher fest, dass die Lärmbelastung dieser Patienten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung derselben Region höher war. Patienten mit Herzinfarkt und einem niedrigen LIFE-CVD-Score (von weniger als 2,5 Prozent), was auf ein niedriges Maß an traditionellen Risikofaktoren wie Rauchen oder Diabetes hinweist, hatten eine deutlich höhere Lärmbelastung als Patienten mit einem hohen LIFE-CVD-Score.
Die europäische Kardiologengesellschaft: "Dies ist von entscheidender Bedeutung, da herkömmliche Modelle zur Risikobewertung das Herz-Kreislauf-Risiko bei jungen Menschen unterschätzen könnten, die ansonsten als risikoarm gelten. Durch die Einbeziehung der Lärmbelastung in diese Modelle können Personen mit erhöhtem Herzinfarktrisiko genauer identifiziert und so gezielter gezielte Präventionsmaßnahmen und Interventionen ergriffen werden."
Auch französische Studie findet Zusammenhang zwischen Herz und Lärm
In einer weiteren Studie in Frankreich wurde der Einfluss von Lärmbelastung auf das weitere Schicksal von Patienten nach einem ersten Herzinfarkt untersucht. "In der ENVI-MI-Studie haben wir einen starken Zusammenhang zwischen Lärmbelastung in der Stadt, insbesondere nachts, und einer schlechteren Prognose ein Jahr nach einem ersten Herzinfarkt festgestellt", erklärte die Studienleiterin Marianne Zeller von der Universität Burgund und dem Krankenhaus von Dijon.
Für die wissenschaftliche Untersuchung wurden aus der französischen RICO-Datenbank Informationen zu 864 Patienten erhoben, die wegen eines akuten Herzinfarkts im Krankenhaus waren und mindestens 28 Tage nach dem Herzinfarkt überlebten. Bei einer Nachuntersuchung nach einem Jahr zeigte sich, dass 19 Prozent ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis (MACE; Herztod, Wiedereinweisung wegen Herzschwäche, neuerlicher Herzinfarkt, Schlaganfall, Angina pectoris und/oder instabile Angina pectoris) erlitten hatten. Die am jeweiligen Wohnort jedes Patienten gemessenen täglichen Lärmbelastungspegel wurden dem gegenübergestellt.
Zehn Dezibel Lärmzunahme während der Nacht reichen aus
Die Kardiologengesellschaft in einer Aussendung: "Bemerkenswert ist, dass pro zehn Dezibel Lärmzunahme während der Nacht ein um 25 Prozent erhöhtes Risiko für ein schwerwiegendes Herz-Kreislauf-Ereignis (MACE; Anm.) MACE bestand - unabhängig von Luftverschmutzung, sozioökonomischem Niveau und anderen Faktoren."
"Diese Daten liefern einige der ersten Erkenntnisse darüber, dass Lärmbelastung die Prognose (von Herzpatienten; Anm.) beeinflussen kann", erklärte die Kardiologin. Würde sich das auch in die Zukunft gerichteten (prospektiven) Studien so zeigen, könnte man neue Möglichkeiten zur Verhinderung weiterer Herzprobleme nach einer ersten akuten Erkrankung identifizieren und umweltbezogene Präventionsstrategien entwerfen.