Drei Bücher zur Klimakrise: Wandel, Optimismus und Technologieglaube
Kaum eine Woche vergeht ohne neue Sachbücher zu möglichen Auswegen aus der Klimakrise. Dieser Tage sind drei Bücher erschienen, die mit gänzlich unterschiedlichen Ansätzen aufwarten. Das Spektrum reicht von der Forderung nach einer radikalen Systemänderung ("Kapitalismus am Limit") über den Glauben an die Vernunft des Menschen ("Wie wir uns die Zukunft zurückholen") bis hin zur Überzeugung, dass man Wirtschaft und Technik nur machen lassen möge ("Im Namen des Klimas").
Der an der Universität Wien lehrende deutsche Politologe Ulrich Brand führt mit seinem in Berlin tätigen Kollegen Markus Wissen in "Kapitalismus am Limit" das weiter, was die beiden vor sieben Jahren in "Imperiale Lebensweise" begonnen haben: Sie sind der Überzeugung, dass jenes Wirtschaftssystem, das die Welt in die multiple Krise der Gegenwart gebracht hat, ohne harte politische Vorgaben nicht von selbst Wege aus der Krise finden wird. Die "grüne Modernisierung" täusche nur ein Umdenken vor, das aber letztlich bloß einen Zeitverlust bei der Bewältigung einer Mammutaufgabe bedeute, so die Autoren.
Ein System, das auf Ungleichheit, Ausbeutung von Menschen und Ressourcen, Profitstreben und ständigem Wachstum basiere, sei ungeeignet, den nötigen radikalen Wandel herbeizuführen, analysieren Brand und Wissen. Wie die angestrebte "solidarische Resilienz" angesichts vielfältiger globaler Verzahnung und gigantischer Dimension des Problems tatsächlich herbeigeführt werden könnte, bleibt vage. Immerhin zeigten vielfältige Initiativen "die Machbarkeit einer anderen Produktions- und Lebensweise", für die es sich zu kämpfen lohne.
Ex-Gesundheitsminister Anschober als Buchautor
Rudi Anschober hat den Kampf bereits hinter sich - als Politiker, der im April 2021 als Sozial- und Gesundheitsminister zurücktrat, und als Buchautor, der in "Wie wir uns die Zukunft zurückholen" von seinem 80. Geburtstag im Jahr 2040 auf eine erfolgreich bewältigte Transformation der Gesellschaft zurückblickt. "Das Gedankenexperiment erzählt davon, was alles möglich wird, wenn wir umgehend handeln, unsere Gewohnheiten und die bisherige Politik überwinden und gemeinsam eine Revolution starten", schreibt der ehemalige Grün-Politiker, der heute als Redner und Berater tätig ist. Und als Märchenerzähler, möchte man bei der Lektüre seines Buches hinzufügen, das Hoffnung vermitteln möchte: Es ist noch nicht zu spät!
In seiner Zukunftserzählung muss es zunächst schlechter werden, damit es besser werden kann. Schon bei der COP30 im Dezember 2025 in Brasilien werden globale und verbindliche Klimaziele verabschiedet, doch erst der "Schwarze Sommer" 2026, in dem eine dreimonatige Hitzeperiode Europa an den Rand des Kollaps, Flüsse zum Austrocknen, Kraftwerke zum Abschalten und die Versorgung zum Zusammenbrechen bringt, bedeutet den Umschwung. Am Höhepunkt der Hitzewelle wendet sich die EU-Kommissionspräsidentin in einer dramatischen Rede an die Bevölkerung Europas, appelliert an den Zusammenhalt und verkündet Notmaßnahmen. Nach zwei Wochen bringt eine Kaltfront das Ende der Ausnahmezustands, aber nicht das Ende der Wende: Ein neues, solidarisches Europa entsteht, und Anschober breitet über weitere 100 Seiten jene Maßnahmen aus, die dazu führen, dass der UNO-Generalsekretär bei der COP43 in Wien erklären kann, dass "aus der Chronik eines angekündigten Suizids die Utopie einer neuen Gesellschaft" entstanden ist.
Kein Grund zur Panik für Elisabeth Zehetner
Elisabeth Zehetner, 1977 geborene Geschäftsführerin der wirtschaftsnahen NGO oecolution austria, braucht diese Utopie nicht. Für die "technologieaffine Öko-Optimistin" mit 20-jähriger Wirtschaftskammer-Vergangenheit besteht zu Panik kein Anlass. Gleich zu Beginn ihrer "konstruktiven Streitschrift" "Im Namen des Klimas" verweist sie darauf, dass man doch auch Waldsterben und Ozonloch in den Griff bekommen habe. Umweltprobleme seien lösbar - "mit vernünftigen Maßnahmen und ohne jenen 'Systemwechsel', den sich manche bei jedem größeren Problem unserer Zeit herbeisehnen", schreibt sie.
Die Debatte über einen solchen "System Change" sieht sie als Gefahr, da dabei der liberalen Demokratie "autoritär-ökologische" Vorstellungen entgegengestellt würden, argumentiert sie in einer von neun Thesen, die sie aufstellt. "Die Ideologisierung von Klimaschutz fördert Technologiefeindlichkeit", lautet eine davon - fatal natürlich, wenn These 8 lautet: "Technologien sind unser mächtigster Hebel für eine bessere Klimazukunft." Dazu passt die in These 7 ausformulierte Überzeugung, dass Wachstum nicht etwa der Grund für Klimaschutzmaßnahmen sei, sondern dessen Grundlage. Denn die Erhaltung von Wohlstand und Arbeitsplätzen sei ein genauso wichtiges Ziel wie der Klimaschutz, betont Zehetner. Diese gelte es in Einklang zu bringen - Wasserstoff-Technologie, CO2-Speicherung und Abbau europäischer Rohstoffvorkommen inklusive.
Service: Ulrich Brand, Markus Wissen: "Kapitalismus am Limit. Öko-imperiale Spannungen, umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven", oekom verlag, 304 Seiten, Broschur, 24 Euro, ISBN 978-3-98726-065-0; Rudi Anschober: "Wie wir uns die Zukunft zurückholen", Brandstätter Verlag, 208 Seiten, 25 Euro, ISBN: 978-3-7106-0785-1; Elisabeth Zehetner: "Im Namen des Klimas. Warum die Zukunft mehr Vernunft braucht", ecoWing, 176 Seiten, 20 Euro, ISBN 978-3-71100339-3