Aufarbeitung der NS-Zeit: WU widerruft Ehrendoktorat
Einen Widerruf und drei Kontextualisierungen hat die Wirtschaftsuniversität Wien (WU) bei ihren Ehrendoktoraten vorgenommen. Im Rahmen der Aufarbeitung der Universitätsgeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus hat die WU an historisch belastete Personen vergebene akademische Ehrungen überprüft. Widerrufen wurde der Titel Walther Kastners, der laut WU maßgeblich an der systematischen "Arisierung" von Wirtschaftsunternehmen in der Ostmark beteiligt war.
Kastner war langjähriger Direktor der Österreichischen Kontrollbank für Industrie und Handel und in dieser Funktion mit der Zerschlagung und dem Verkauf von Unternehmen im Eigentum von Jüdinnen und Juden beauftragt. Er war für alle Verträge im Rahmen des nationalsozialistischen Vermögensentzugs mitverantwortlich sowie Mitglied der NSDAP, teilte die WU in einer Aussendung mit. Nach Kriegsende habe er sich mit Rückstellungen an Holocaust-Überlebende befasst, sich von seiner Rolle in der NS-Zeit aber nie distanziert. Aus dem Ehrenbuch der WU soll die Ehrung allerdings nicht gelöscht werden, um die Verleihung und den Widerruf im "historischen Gedächtnis der Institution zu erhalten".
Bereits zuvor hatte man mit einer Satzungsänderung die rechtliche Möglichkeit geschaffen, akademische Ehrungen zu widerrufen. Ein Team von Historikerinnen und Historikern hatte sich schließlich mit allen Ehrendoktoren mit Bezug zum NS-Regime beschäftigt und sieben problematische Fälle identifiziert. Eine externe Kommission war für Empfehlungen zum angemessenen Umgang mit den Funden zuständig. In vier Fällen ergriff man Maßnahmen. Kontextualisiert wurden die Ehrendoktorate an Josef Hellauer, Erich Kosiol und Karl Friedlich Rößle, die als "Mitläufer" eingestuft wurden.
Seit 2010 beschäftige man sich mit der Aufarbeitung der eigenen NS-Geschichte, teilte die WU mit. Mittlerweile seien über 70.000 Bücher untersucht und mehrere Restitutionen durchgeführt worden. Dem Mahnmal am Campus seien kürzlich 31 Namen von Opfern des Nationalsozialismus hinzugefügt und am Montag präsentiert worden. "Jede Institution sollte für das eigene Tun und Handeln Verantwortung übernehmen und ihre Beschlüsse entlang neuer Erkenntnisse der Gedächtniskulturforschung auch immer wieder reflektieren", so Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger. Erst am Montag hatte auch die Regierung eine Reform der Ehrenzeichengesetze präsentiert, die eine Aberkennung ermöglichen soll.