Gelenksrheuma: Völlige Beschwerdefreiheit als Ziel
Nunmehr kann bei chronischer Polyarthritis völlige Beschwerdefreiheit als Ziel einer Behandlung angestrebt und auch wirklich erreicht werden. Das ist der mittlerweile breiten Palette gezielt wirksamer Medikamente zu verdanken, hieß es jetzt beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (15. bis 18. September/online).
Ein wichtiger Wendepunkt in der Rheumatherapie war die Einführung der sogenannten Biologika vor rund 20 Jahren. "Diese Substanzgruppe hat aufgrund ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit die Behandlung der rheumatischen Gelenkentzündungen revolutioniert", sagte Andreas Krause, Präsident der deutschen Fachgesellschaft der Rheumatologen (DGRh).
Bei den Biologika handelt es sich vor allem um monoklonale Antikörper, die beispielsweise die bei Gelenksrheuma (chronische Polyarthritis, rheumatoide Arthritis) stark entzündungsfördernden Botenstoffe Interleukin-alpha oder Interleukin-6 hemmen. In den vergangenen Jahren ist mit den sogenannten Januskinase-Inhibitoren (JAKi) noch eine weitere Substanzgruppe hinzugekommen, die bei vergleichbarer Wirksamkeit deutlich einfacher anzuwenden ist. Im Gegensatz zu den Biologika, die gespritzt werden müssen, können JAKi als Tabletten eingenommen werden. Sie blockieren Januskinase-Enzyme, welche bei entzündlichen Erkrankungen eine wichtige immunologische Signalwirkung haben.
Auch Medikamente gegen Psoriasisarthritis
"Mithilfe dieser vielfältigen Therapieoptionen können immer mehr Rheuma-Betroffene das Ziel der Remission, also der vollständigen Beschwerdefreiheit, erreichen", so Krause. Zu den rheumatischen Erkrankungen, die sich besonders an den Gelenken bemerkbar machen, zählt neben der bekannten rheumatoiden Arthritis (RA), dem klassischen Gelenksrheuma, auch die weit weniger bekannte, jedoch ebenfalls sehr belastende Psoriasisarthritis, die in Verbindung mit einer Schuppenflechte (Psoriasis) auftreten kann. Auch für sie stehen die antirheumatisch wirksamen innovativen Medikamente zur Verfügung.
"Die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten für die Psoriasis und die Psoriasisarthritis haben sich in den letzten Jahren so stark verbessert wie für keine andere rheumatische Erkrankung", sagt Krause. Mit den bereits länger etablierten TNF-alpha-Inhibitoren sowie den erst in den vergangenen Jahren zugelassenen IL-17- und IL-23-Antagonisten stünden mittlerweile drei Biologikagruppen zur Verfügung, die je nach Beschwerdebild differenziert eingesetzt werden könnten. In Studien erwiesen sich die beiden neueren Substanzgruppen als besonders effektiv bei der Behandlung der Psoriasis-typischen Hautveränderungen. Die IL-23-Antagonisten scheinen darüber hinaus auch sehr gut gegen die schmerzhaften Entzündungen der Sehnenansätze zu wirken.
Unterschiedliche Wirkstoffe haben spezifische Effekte
Gegen die Gelenksentzündungen können alle drei Biologikagruppen mit vergleichbarem Erfolg angewendet werden. "Darüber hinaus sind inzwischen auch zwei JAKi für die Therapie der Psoriasisarthritis zugelassen, ebenfalls mit vergleichbar guter Wirksamkeit", erklärte der DGRh-Präsident anlässlich einer Pressekonferenz der Fachgesellschaft. Wie diese Substanzen bei Psoriasis-Patienten eingesetzt werden, richte sich nach der individuellen Ausprägung der Erkrankung. Während manche Patienten ausschließlich an Hautveränderungen leiden, treten bei anderen auch Entzündungen an Gelenken, Sehnen, Augen oder Darm auf. Hier können die unterschiedlichen Wirkstoffe jeweils spezifische Effekte haben. Auch dabei gelte eine vollständige Remission als oberstes Ziel.
Weil bei entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankungen immer häufiger eine lang anhaltende Beschwerdefreiheit erreicht wird, drängen sich neue Themen in den Vordergrund, die es früher nie geben konnte. "Sowohl bei Patienten als auch bei den behandelnden Rheumatologen kommt die Frage nach einer möglichen Lockerung der Therapie auf", sagt Krause. In Studien habe sich mittlerweile gezeigt, dass es bei vielen Patienten mit mindestens sechs Monaten anhaltender Remission möglich sei, die Medikamentendosis zu reduzieren. Bei einer Halbierung der Dosis blieben etwa zwei Drittel der Patienten beschwerdefrei.
Ein komplettes Absetzen der Medikamente sei dagegen nicht zu empfehlen, betonte der Rheumatologe. Bei zwei von drei Patienten mit rheumatoider Arthritis sei es dann nämlich innerhalb eines Jahres zu einem Wiederaufflammen der Beschwerden gekommen.