Brustkrebs-Chirurgie soll weniger belastend werden
Brustkrebs kann zunehmend besser behandelt werden. Die Mammakarzinom-Spezialisten setzen immer öfter auf schonendere Operationen bzw. lassen ehemals routinemäßig durchgeführte zusätzliche Eingriffe ohne Verlust von Sicherheit weg, erklärte jetzt der Basler Brustchirurg Walter Weber aus Anlass der bevorstehenden Internationalen St. Gallen Brustkrebskonferenz in Wien (12. bis 15. März).
"Wir sprechen von einer Deeskalation der Chirurgie in der Behandlung von Patientinnen mit einem Mammakarzinom. Hier gibt es neue Erkenntnisse, die in Wien diskutiert werden. Ein Beispiel ist die Axilla-Chirurgie, also die Entfernung von Lymphknoten in der Achsel der von einem Mammakarzinom betroffenen Brust", erklärte Weber.
Wird eine Brustkrebs-Diagnose gestellt, muss geklärt werden, in welchem klinischen Tumorstadium sich die Erkrankung befindet. "Das erfolgt mittels moderner Bildgebung mit Mammografie, Ultraschall, Magnetresonanz-Untersuchung bis hin zur Positronen-Emissions-Tomografie und Computertomografie (PET-CT). Eine Frage ist zum Beispiel, ob eine Ganzkörper-Behandlung mit Medikamenten entweder schon vor der Operation ("neoadjuvant") oder erst nach der Operation erfolgen sollte. Mit den bildgebenden Verfahren wird auch untersucht, ob der Krebs bereits auf die Lymphknoten übergegriffen hat", sagte Weber vom Universitätsspital Basel.
Schonende Strategie
Im Fokus stehen hier vor allem die Lymphknoten in der Achselhöhle. "Leider sind die Befunde aus der Bildgebung nicht immer aussagekräftig", erklärte der Experte. Derzeit wird noch bei 80 Prozent der Patientinnen mittels "Wächter-Lymphknoten"-Biopsie untersucht, ob sich in den ersten der Brust benachbarten Lymphknoten Krebszellen befinden. In diesem Fall werden manchmal immer noch alle Lymphknoten der Achsel entfernt, was auch der Standardbehandlung bei Patientinnen mit einem Befall der Lymphknoten schon zum Zeitpunkt der Stellung der Diagnose entspricht. Das soll die Häufigkeit von Rückfällen reduzieren, führt aber bei jeder dritten Patientin zu starken Nebenwirkungen.
"Die brennende Frage ist derzeit, ob man bei manchen Patientinnen ganz auf die Axilla-Chirurgie verzichten könnte. Zum Beispiel, wenn eine Ultraschalluntersuchung keinen verdächtigen Befund ergibt", sagte Weber.
Dazu sind in der jüngeren Vergangenheit zwei große internationale wissenschaftliche Studien publiziert worden. Im April vergangenen Jahres erschien in der angesehenen Medizin-Fachzeitschrift "New England Journal of Medicine" die sogenannte INSEMA-Untersuchung. 1.436 Brustkrebspatientinnen im mittleren Alter von rund 60 Jahren, bei denen die Ultraschalluntersuchung der Lymphknoten keinen Verdacht ergeben hatte, wurden nach dem Zufallsprinzip ("Randomisierung") in zwei gleich große Gruppen eingeteilt. Bei der einen Hälfte wurde im Rahmen der Mammakarzinom-Operation eine Untersuchung des "Wächter-Lymphknotens" durchgeführt, bei der anderen Hälfte nicht. 98 Prozent der Patientinnen insgesamt erhielten nach der Operation eine Strahlentherapie.
Die Beobachtungszeit betrug im Mittel 5,8 Jahre. Die Häufigkeit eines Rückfalls nach Entfernung des Tumors war mit einem Prozent (Axilla-Chirurgie) bzw. 0,9 Prozent (ohne zusätzlichem Eingriff) gleich. Mit einem ganz ähnlichen Ergebnis endete auch eine erst im vergangenen Dezember ebenfalls im "New England Journal of Medicine" publizierte ähnliche klinische Studie, an der rund 4.800 Brustkrebspatientinnen teilgenommen hatten. Auf fünf Jahre berechnet hatten 91,9 Prozent der Patientinnen ohne Axilla-Chirurgie keinen Rückfall, hingegen 91,7 Prozent mit einem solchen Eingriff.
"Für die Patientinnen macht das alles einen großen Unterschied. Eine von 20 Frauen, die eine Wächter-Lymphknoten-Biopsie bekommen, hat später Probleme. Werden die Axilla-Lymphknoten alle entfernt, hat später jede vierte Frau Probleme", sagte Weber. Solche die Lebensqualität in manchen Fällen stark beeinträchtigenden Folgen können zum Beispiel chronische Schmerzen und Lymphstaus im Arm sein.
Medikamentöse Therapie vor OP schraubt Krankheitsstadium zurück
Mittlerweile wird auch schon untersucht, ob man vielleicht auch bei einem Krebsbefall der Lymphknoten in der Achsel zum Zeitpunkt der Erstdiagnose auf eine vollständige Entfernung verzichten könnte. Ein erst in der jüngeren Vergangenheit realisierbar gewordenes Szenario könnte vollkommen neue Möglichkeiten bieten: eine Chemotherapie oder eine Behandlung mit monoklonalen Antikörpern bereits vor der chirurgischen Entfernung des Tumors. Diese "neoadjuvante" Behandlung kann das Stadium der Brustkrebserkrankung sozusagen "zurückdrehen" und eventuell auch aus einem Mammakarzinom mit Lymphknotenbefall eines ohne diese Komplikation machen.
"Derzeit erhalten bereits rund die Hälfte der Patientinnen eine neoadjuvante medikamentöse Therapie", berichtete der Basler Brustchirurg. Dies erfolgt besonders häufig bei Patientinnen mit sogenanntem HER2-positivem Brustkrebs (ca. 15 Prozent der Mammakarzinome) und bei einem "triple-negativen" Tumor, der nicht von Geschlechtshormonen (Progesteron, Östrogen) abhängig ist und nicht das HER2-Merkmal aufweist.
Bessere Lebensqualität als Ziel
"Ein großes Thema ist für mich aber auch die Brustchirurgie selbst. Hier geht es darum, die Lebensqualität der Patientinnen bei Erhaltung der Sicherheit zu verbessern", sagte Weber. Zwei Drittel bis drei Viertel der Patientinnen werden derzeit bereits brusterhaltend operiert.
Die Operationsverfahren mit Erhaltung der von Krebs befallenen Brust werden immer mehr mit Techniken aus der plastischen Chirurgie kombiniert, mit gleichzeitiger Straffung oder Verkleinerung samt Aufrechterhaltung der Symmetrie. Brusterhaltend können weiters mehr Patientinnen nach neoadjuvanter Therapie operiert werden. "Es kommt auch immer öfter zur Entfernung des Brustgewebes wegen eines erblichen Mammakarzinomrisikos. Hier erfolgt der plastische Wiederaufbau oft sofort, also in einem Eingriff", sagte Weber.
"Insgesamt werden die chirurgischen Eingriffe in vielen Fällen schonender. Manche Spezialisten und Spezialistinnen sind da progressiver, manche konservativer. Aber gerade das wird bei der Internationalen St. Gallen Brustkrebskonferenz diskutiert", betonte der Chirurg abschließend.
Konferenz von 12. bis 15. März in Wien
Bei der Konferenz treffen einander zwischen 12. und 15. März mehrere tausend Teilnehmer in Wien, um - das erfolgt immer in einem Zwei-Jahres-Rhythmus - die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Mammakarzinome zu sichten, einzuordnen, zu diskutieren und dann zu kritischen Fragen einen Konsens für die auf diesem Gebiet tätigen Ärzte und die Betroffenen zu finden. Das soll die Umsetzung der aktuellsten Erkenntnisse bei größtmöglicher Sicherheit garantieren.