Peter Zoller: Wenn sich nicht nur die Oma freut
Der soeben erst mit dem renommierten Wolf-Preis für Physik ausgezeichnete Quantenphysiker Peter Zoller sieht Preise in der Wissenschaft als eine Anerkennung durch die Community wissenschaftlicher Kollegen - vorausgesetzt, der Preis stellt auch etwas dar. Denn einen Preis zu bekommen, den niemand kenne, sei vermutlich sehr wenig wert - "außer, dass es die Oma freut".
Geboren wurde Zoller am 16. September 1952 in Innsbruck. In seiner Heimatstadt studierte er Physik, wo er 1977 promovierte und Assistent am Institut für Theoretische Physik wurde. Zwischen 1978 und 1980 forschte er als Max Kade Stipendiat an der University of Southern California und ging nach Auckland (Neuseeland). 1981 habilitierte sich Zoller in Innsbruck, 1981/82 und 1988 war er jeweils für ein Jahr Visiting Fellow am Joint Institute for Laboratory Astrophysics (JILA) der University of Colorado in Boulder (USA), wo er 1991 zum Professor für Physik berufen wurde. 1994 kehrte er als Professor an die Uni Innsbruck zurück, seit 2003 ist er auch einer der wissenschaftlichen Direktoren am IQOQI.
Zoller erhielt u.a. die Blaise-Pascal-Medaille in Physik (2011), die Benjamin Franklin Medaille für Physik (2010; gemeinsam mit dem Physik-Nobelpreisträger von 2012, David Wineland), den BBVA Foundation Frontiers of Knowledge Award (2009), die Dirac-Medaille, den International Quantum Communication Award (beide 2006), die Niels Bohr-Goldmedaille der UNESCO, die Max Planck-Medaille (beide 2005) sowie 1998 mit dem Wittgenstein-Preis die höchste österreichische Wissenschafts-Auszeichnung. Erst kürzlich wurde ihm gemeinsam mit drei Forschern aus Deutschland, Frankreich und Israel ein hoch dotierter Synergy Grant des Europäischen Forschungsrats zuerkannt. Die jüngste Auszeichnung ist der renommierte Wolf-Preis für Physik 2013, der an Zoller und seinen spanischen Kollegen Ignacio Cirac geht. Sie erhalten die von der Wolf-Stiftung in Israel vergebene, mit 100.000 Dollar (77.136 Euro) dotierte Auszeichnung für ihre grundlegenden theoretischen Beiträge zur Quanteninformationsverarbeitung, Quantenoptik und zur Physik von Quantengasen.
APA-Science: Was hat sich durch die Auszeichnung(en)/Grant(s) für Sie persönlich verändert bzw. welche(r) davon war am bedeutsamsten?
Zoller: Preise stellen im Wesentlichen eine Anerkennung durch die Community wissenschaftlicher Kollegen dar - meist kritischer Kollegen, die auch noch mit einem im (meist freundlichen, selten auch harten direkten) Wettbewerb stehen. Insofern sind sie der ultimative Referenzpunkt der eigenen Leistung. Preise messen auch den Impakt der eigenen Arbeiten in langen Zeiträumen, was das entscheidende Maß der Dinge ist. Dabei kommt es sehr darauf an, was der jeweilige Preis darstellt. Manche Preise haben ein sehr hohes Renomee, zum Teil sogar außerhalb jeglicher Rationalität. Einen Preis zu bekommen, den niemand (in der jeweiligen Wissenschaftlichen Disziplin) kennt, ist vermutlich sehr wenig wert - außer, dass es die Oma freut.
Wenn mit einem Preis auch ein wenig Geld kommt, dann ist das auch eine nette Sache, aber der Wert von Preisen ist ziemlich unabhängig vom Geld. Bei Grants ist das eine ganz andere Sache. Wir haben soeben in einem Team mit I. Bloch (MPQ), J Dalibar (College de France, ENS) und E. Altman (Weizmann) den ERC Synergy Grant bekommen. Die Erfolgswahrscheinlichkeit war 1.5 Prozent. Insofern ist der Erhalt des ERC Synergy ein Maßstab für aktuelle (!) eigene Forschungstätigkeit. Aber, und das ist fast wichtiger, er finanziert die Forschung, was in meinem Fall Stellen für junge Leute bedeutet. Wir haben 10 Millionen Euro im Synergy bekommen, wo zwei Mio. Euro nach Innsbruck fließen werden. Das finanziert einen guten Teil meiner Forschung für die nächsten sechs Jahre. Indem die Finanzen sichergestellt sind, kann man sich mehr der eigentlichen Forschung widmen.
APA-Science: Braucht man in der Wissenschaft heute Auszeichnungen, um voran zu kommen?
Zoller: Ja. Ein Schauspieler, der einen Oscar bekommt, ist ein Top-Schauspieler. Preise in der Wissenschaft sind ähnlich zu sehen, wenn der Status des Preises in derselben Liga spielt.
APA-Science: Anton Zeilinger sagte kürzlich sinngemäß, dass man die Mittel für hoch dotierte Preise wie etwa den Wittgensteinpreis genauso gut Jungforschern zur Verfügung stellen könnte. Wie bewerten Sie diese Einschätzung?
Zoller: Ich stimme dem mit aller Höflichkeit nicht zu. Zeilinger hat einen ERC Advanced Grant, der einen guten Teil seiner Forschung finanziert. Offenbar macht er so gute Physik, dass er diesen Grant erhielt. Wenn er nun sagt, man solle einen Wittgenstein abschaffen und nur mehr einen START ausgeben, oder keinen Advanced ERC sondern nur mehr die Junior Version, dann wird man die besten Leute aus österreich / Europa damit nicht halten können. Eine politische Entscheidung.
Die Frage ist wohl eine andere: während der Anfangsperiode ERC Advanced hätte man - nach Aussagen eines Kommissionsmitgliedes, der nicht genannt werden will - 3 x so viele Grants vergeben können _ohne_ Einbuße der Qualität. Inzwischen gibt man bei gleicher Zahl genau so viele Grants aus, wie gute Anträge kommen. Der Grund ist, dass viele guten Forscher eben schon ihre Grants haben. Beim ERC wird aber nun eine 2. Welle von Anträgen kommen, wo die besten Forscher nach Auslaufen des Grants einen 2. beantragen. Beim Wittgenstein ist es sicher ähnlich. Ich habe nicht die Einsicht in die Wittgenstein Vergabe, aber was ich begrüßen würde ist, wenn EIN Topf Geld für Wittgenstein und START vorhanden wäre, wo man dynamisch die Wände verschieben kann. Je nach Bedarf, dh Flexibilität.
APA-Science: Welche Preise und Förderungen sind gut, welche weniger, welche müssten erst erfunden werden?
Zoller: Eine kleine Geschichte: Wir haben vor 1.5 Jahren einmal selbst einen Preis erfunden, dh initiiert. Ich hatte damals eine Reihe von Kollegen (jung und alt) für Preise vorgeschlagen, die von anderen wissenschaftlichen Communities kreiert wurden. Diese Communities haben aber eifrig darauf geachtet, dass sie ihre Preise selbst unter sich verteilen. Eine mir durchaus verständliche Reaktion. Ich hatte daher als Chairman und als Board Member der Bose Einstein Konferenz (siehe oben) den Vorschlag, dass wir doch selbst einen Preis uns ausdenken könnten und das haben wir dann auch gemacht.
1. Wir schufen einen Senior und einen Junior Preis. Der Senior Preis für ein Lebenswerk. Der Junior Preis für eine junge aufstrebende Person, die in Eigenleistung (!) wesentliche wissenschaftliche Leistungen vollbracht hat. (Also nicht als Postdoc sondern im eigenen Labor).
2. Wir haben über die Laser Firma Toptica ein wenig Preisgeld aufgetrieben.
Die Reaktion war überwältigend. Wir haben nicht nur sehr gute Nominierungen erhalten, wie wir dann zwei Preisträger aussuchten, wir haben auch gesehen, wie lange die Liste der potenziellen und hervorragenden (vor allem auch jungen) Preisträgern ist. Das wird somit ein Preis sein, der im kleinen Rahmen durchaus Prestige haben wird. Den jungen Leuten sind diese Dinge in ihrer Karriere sehr hilfreich. Den älteren Preisträger ist das ein Zeichen der Community, wie sehr wir sie alle schätzen. Die Stimmung bei der Preisverleihung in Spanien während der BEC Konferenz war super. Ich bin neugierig, was heuer rauskommt. Ich bin nicht mehr in der Kommission, und die Kommissionsarbeit ist heuer erstmals auf professionellere Beine gestellt worden.
Die Antwort auf Ihre Frage ist, dass es nicht nur Millionen Endowment braucht, um einen wirkungsvollen Preis zu kreieren, manchmal ist ein kleiner Rahmen mit besonderer Beachtung junger Leute eine genau so tolle Sache, auch wenn es sicher kein Nobelpreis ist.
APA-Science: Wie schätzen Sie den Stellenwert der Öffentlichkeit und von Öffentlichkeitsarbeit für die Wissenschaft und die Person des Wissenschafters selbst ein?
Zoller: Wir werden vom Steuerzahler finanziert. Somit haben wir die Verpflichtung zu outreach. Besonders wichtig ist es, dass wir die jungen Leute an den Schulen von Wissenschaft überzeugen. Sie sind nicht nur ev. zukünftige Studenten, die - falls gut - wir so gerne an unseren Unis sehen wollen, sondern auch die kommende Generation, die die Einstellung zu Wissenschaft und Forschung (u.a. auch als Steuerzahler) prägen. Aber letztlich macht es auch einfach Spaß, anderen zu sagen, warum man als Wissenschaftler von seinen Dingen so begeistert ist. Allerdings gehört die richtige Balance zwischen Forschung und Auftreten in der Öffentlichkeit auch als Teilaspekt dazu. Extreme in beide Richtungen sind schlecht.
APA-Science: Was fällt Ihnen sonst noch spontan zu dem Themenkreis ein, was durch diese Fragen nicht abgedeckt wurde?
Zoller: Internationale Auszeichnungen mit Ansehen sind meist über allen Zweifeln erhaben, dass die Besten und nur die Besten sie bekommen. Die Qualität einer Preiskommission und die Ernsthaftigkeit sind die Grundlage des Ansehens des Preises.