Nehammer will Aus für Binnen-I in Verwaltung und Bildungseinrichtungen
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will nach bayerischem Vorbild eine Art Gender-Verbot in der Verwaltung und in den Bildungseinrichtungen. Wie die Tageszeitung "Heute" berichtet, sollen Binnen-I, Sternchen und Doppelpunkte bis 2030 der Vergangenheit angehören. "Sinnvoll" findet Nehammer dagegen das Ausschreiben beider Geschlechterformulierungen. Der Vorschlag soll bei seiner Grundsatzrede am Freitag in Wels präsentiert werden. Die Grünen reagierten mit Spott, die FPÖ hingegen will noch viel mehr verbieten.
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"Gendern darf nicht prüfungsrelevant und in wissenschaftlichen Arbeiten verpflichtend vorgeschrieben sein", zitiert "Heute" den Bundeskanzler über ein Gender-Verbot in Bildungseinrichtungen. Ferner plädiert Nehammer laut dem Bericht für ein Verbot von "Gender-Missbrauch". Der ÖVP-Obmann will "eine klare rechtliche Konkretisierung der Geschlechter".
Nehammers Grüner Koalitionspartner reagierte mit Häme. Der Bundeskanzler "fürchtet sich also wieder einmal vor Buchstaben, Doppelpunkten & Sternchen", schrieb Frauensprecherin Meri Disoski via Social Meida : "Langsam wird's fad." Dazu postete sie eine ironische Grafik von "Zeit"-Autorin Katja Berlin, wonach es weder Feminist*innen, Feminist_innen noch Feminist:innen, sondern ausschließlich Konservative seien, die häufig auf das Thema geschlechtergerechte Sprache kämen.
"Mit dieser Themensetzung konzentriert sich der Bundeskanzler auf Probleme, die es gar nicht gibt, um nicht über das Zukunftsthema Nummer 1 reden zu müssen: Das Überleben unseres Planeten", ergänzte Disoski in einer schriftlichen Stellungnahme: "Er übernimmt damit Methoden, die wir von Rechtskonservativen wie Trump und Söder kennen." Statt sich vor Großbuchstaben, Doppelpunkten und Sternchen zu fürchten, solle die ÖVP ihre Energie für ein Klimaschutzgesetz, einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung oder für eine Kindergrundsicherung einsetzen. Die Grünen Vorschläge dazu seien bekannt und schnell umsetzbar.
Auch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sieht in Nehammers Vorstoß eine "reine Ablenkungsdebatte", die man bereits aus Wahlkämpfen in anderen Ländern kenne. "Damit soll von den echten Themen der Politik abgelenkt werden - Klimaschutz, Lohntransparenz oder der Ausbau der Kinderbetreuung zum Beispiel", sagte Gewessler am Rande einer Pressekonferenz. "Wir sind alle gut beraten, uns den großen Themen zu widmen, die die Menschen bewegen. Dafür sind wir in der Politik da und nicht für Ablenkungsdebatten."
Kritik auch von der Opposition
Ähnlich, wenn auch mit anderer Themenpriorität reagierte die SPÖ. "Nehammer ist der einzige Regierungschef in Europa, der sich mit Schreibregeln statt mit der Bekämpfung der Teuerung beschäftigt. Er ist schuld daran, dass Österreich die höchste Inflation in Westeuropa hat. Er sollte sich darum kümmern, dass Wohnen und Energie wieder leistbar werden und dass Menschen ihre Arzt- und OP-Termine rasch bekommen", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme der Sozialdemokraten: "Die SPÖ wird sich nicht an jeder absurden, peinlichen Debatte, die Nehammer beginnt, beteiligen. Je früher wir wählen, desto besser für das Land."
Genau gegenteilig fiel die Reaktion der FPÖ aus. Nehammer bleibe wieder einmal auf halbem Weg stehen, meinte der freiheitliche Bildungssprecher Hermann Brückl: "Tatsächlich wäre nämlich ein Verbot von Asterisk, Binnenmajuskel, Doppelpunkt und den sonstigen orthographischen Unsinnigkeiten in den Schulen das eigentliche Gebot der Stunde." Er sah einen Zusammenhang mit schlechten Werten österreichischer Schüler beim Lesen und Schreiben, deshalb müsse dort bereits im nächsten Schuljahr ein generelles Genderverbot kommen.
Noch schärfer formulierte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz via Social Media. "Nehammer und die ÖVP stehen für Genderterror und sechs Geschlechter!", verkündete er. Die Partei des Kanzlers habe sich "energisch dagegen gewehrt, den Genderwahnsinn abzustellen" und gegen drei entsprechende Entschließungsanträge der FPÖ gestimmt. Nehammers Forderung sei "heuchlerisch und nicht mehr als ein Wahlkampfschmäh".