Unabhängige Lehrervertreter warnen vor "Brand" im Bildungssystem
Die Unabhängigen LehrergewerkschafterInnen (ÖLI-UG) haben am Montag vor einem "Brand" im Bildungssystem gewarnt. Vorsitzender Hannes Grünbichler sprach von einer der schwersten Bildungskrisen der Zweiten Republik und forderte die Politik zum Handeln auf. Die ÖLI-UG will u.a. mehr Geld für Schulen, Unterstützungspersonal, eine Lehrer-Ausbildungsoffensive und ein inklusives Schulsystem. Am Donnerstag findet ein Aktionstag statt, die Freizeitpädagogen streiken.
Der sich verschärfende Lehrermangel treffe in Österreich auf ein veraltetes, unterfinanziertes, segregiertes Bildungssystem, so Grünbichler bei einer Pressekonferenz. Die Lehrer könnten Kinder und Jugendlichen nicht mehr ausreichend auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten. Ein wichtiger Grund sei der Mangel an Unterstützungspersonal. Immer mehr Lehrer würden ausbrennen. Gleichzeitig bräuchten immer mehr Schüler Nachhilfe, der Anteil an frühen Schulabbrechern sei mit 12 Prozent erschreckend hoch.
Grünbichler appellierte deshalb an die Politik, bei den Finanzausgleichsverhandlungen das gesamte System neu zu denken - von den frühen Hilfen und dem Kindergarten als Vorbereitung auf die Schule über die Kinder- und Jugendhilfe, die an die Schulen angebunden gehöre, bis zu Gesundheitsvorsorge an den Schulen in Form von School Nurses. Dazu brauche es einen Bildungsgipfel mit Bildungsministerium, Bundeskanzleramt, Gesundheitsministerium und Ländern sowie der Zivilgesellschaft. Die Verwaltung des Bestehenden sei wegen der Überforderung des Systems nicht weiter möglich.
Aus für Deckel beim SPF gefordert
Co-Vorsitzende Claudia Astner schilderte als Beispiel für den Bedarf nach multiprofessionellen Teams den Bereich der Sonderschulen. Dort müssten Mitschüler und Lehrer etwa damit zurechtkommen, dass Jugendliche sich auf dem Schulklo selbst verletzen oder Suizidabsichten äußern - und all das ohne professionelle Unterstützung vor Ort, die beim Verarbeiten unterstützen würde. Astner forderte u.a. ein Aus für den Deckel beim Sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF), durch den es derzeit nur für 2,7 Prozent der Schüler mit Beeinträchtigungen zusätzliche Ressourcen gibt. Es brauche auch wieder eine eigene Ausbildung für Sonderpädagogen, mehr Unterstützungspersonal und Supervision. Außerdem sollen auch Jugendliche mit Beeinträchtigung einen Anspruch auf einen Schulbesuch bis 18 haben.
Um die aktuelle "Bildungskrise" zu lösen, müsse Druck aus dem System genommen und die Betroffenen müssten beteiligt werden, forderte Grünbichler. Weil das derzeit nicht passiere, seien zuletzt Initiativen wie die von der ÖLI-UG unterstützte "Schule brennt", das Gesamtschul-Bündnis "Gemeinsame Schule 2.0" und der "Aktionstag Bildung" entstanden. "Wir können nicht mehr lange", warnte Astner vor den Folgen der Überlastung des Lehrpersonals.
Beim "Aktionstag Bildung" hat ein Netzwerk aus über 50 Initiativen und Organisationen - von Lehrergewerkschaften verschiedenster Couleur über Elternvertreter und Behindertenverbände bis zur Kindergarten-Plattform Educare und der Österreichischen HochschülerInnenschaft - für Donnerstag zu Demos für ein "inklusive Bildung und für bessere Aufwachs-, Lern- und Arbeitsbedingungen im Bildungsbereich" aufgerufen. In Wien, Innsbruck, Linz und Salzburg sind für den Nachmittag Kundgebungen angekündigt, auch alternative Formate wie Bildungs-Picknicks soll es geben.
Wiederstand bei Freizeitpädagoginnen und Freizeitpädagogen
In Wien wird die Demo von den Freizeitpädagoginnen und Freizeitpädagogen der ganztägigen Schulen verstärkt, die an diesem Tag wegen einer geplanten Reform des Berufsbildes in den Streik treten. In Wien fällt damit für rund 35.000 Kinder an 142 von "Bildung im Mittelpunkt" betreuten öffentlichen Volksschulen der Freizeitteil aus. Im Rahmen einer mit Montag gestarteten Aktionswoche gab es in der Bundeshauptstadt an manchen Standorten noch einen zweiten (Teil-)Streiktag.
Sie wehren sich gegen die Einführung einer neuen Personalkategorie "Assistenz- und Freizeitpädagog/innen", die - anders als die aktuellen Freizeitpädagogen - auch in der Lernzeit einsetzbar sein und in ein anderes Gehaltsschema wechseln sollen. Geplant ist die Matura als Zugangsvoraussetzung zur Ausbildung, dafür soll die Ausbildung von zwei auf ein Semester verkürzt werden.
Unterdessen hat der oberste Wiener Lehrervertreter Thomas Krebs (FCG) in einer Aussendung davor gewarnt, dass laut Planungen für das kommende Schuljahr in der Bundeshauptstadt viele Klassen keine ausreichende pädagogische Betreuung haben könnten. Derzeit hätten laut internen Schätzungen rund 160 Volksschulklassen zum Schulstart noch keinen fixen Klassenlehrer, allein in Favoriten seien es 29, so Krebs in der Tageszeitung "Heute" (Montagsausgabe). Bildungsdirektor Heinrich Himmer meinte ebendort, er kenne die genannten Zahlen nicht. Der Volksschulbereich stelle die größte Herausforderung dar, die Bildungsdirektion arbeite aber "bis zum letzten Ferientag daran, dass in jeder Klasse ein Lehrer steht".