Wissenschaftliches Mayröcker-Handbuch bietet umfassende Durchdringung
Eine umfassende wissenschaftliche Durchdringung des Werks von Friederike Mayröcker bietet das von Alexandra Strohmaier und Inge Arteel herausgegebene "Mayröcker-Handbuch", das sich auf 484 Seiten mit Leben, Werk und Wirkung der 2021 verstorbenen Dichterin auseinandersetzt. Rechtzeitig zum 100. Geburtstag ist der Band nun erschienen. Beleuchtet werden nicht nur Lyrik, Prosa und Hörspiele, sondern auch Mayröckers Motive und poetische Verfahren.
Rund 30 Wissenschafterinnen und Wissenschafter tauchen in ihren Beiträgen tief in Mayröckers Schaffen ein und zeichnen so die literarische Entwicklung der Autorin nach. Jedem von Mayröckers Gedichtbänden ist ein eigener Artikel gewidmet, das Spektrum reicht von dem 1966 erschienenen Band "Tod durch Musen" bis zu ihrem letzten Band "Von den Umarmungen" (2012). Die Prosa-Exegese reicht von dem 1956 erschienenen "Larifari" bis zu ihrem letzten Buch "da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete" aus dem Jahr 2020, in einem eigenen Kapitel widmet sich Eleonore De Felip den Kinderbüchern.
Abschließender Blick auf Wirkung
Karoline Johanna Baumann thematisiert die Gattungshybridität von Mayröckers Texten, Beate Sommerfeld setzt sich mit Intermedialität und Plurimedialität auseinander, während sich Alexandra Strohmaier der Performativität widmet. Besonders ausführlich ist das Kapitel zu den mannigfachen Motiven in Mayröckers Schaffen, darunter das Alter, Engel, Körper oder Kindheit. Abschließend setzt sich der Band mit der Wirkung Mayröckers auseinander und wirft etwa einen Blick auf Vertonungen, der Rezeption im Feuilleton oder den Übersetzungen und verschiedenen Sprachräumen.
Dass die bisherige Mayröcker-Forschung "quantitativ in keiner Relation zum breiten Spektrum ihres Oeuvres steht", führen die Herausgeberinnen in ihrem Vorwort auf den "literaturwissenschaftlichen Diskurs über die Komplexität ihres Werks" zurück. So habe sich in den 1990ern der Topos durchgesetzt, dass sich Mayröckers Texte aufgrund ihres experimentellen und innovativen Charakters "dem konventionellen Instrumentarium der Literaturwissenschaft entziehen". Vor diesem Hintergrund unternehme das Handbuch, das Werk Mayröckers "einführend zu kartieren".
Die an der Universität Innsbruck tätige Literaturwissenschafterin De Felip hat sich in den vergangenen Jahren, unterstützt durch den Wissenschaftsfonds FWF, mit dem Schaffen von Mayröcker auseinandergesetzt: "Sie sah sich wohl als eine Nachfolgerin von Friedrich Hölderlin, dessen Leben und Werk von intensiven Kontrasten geprägt ist. Ekstase und Verzweiflung, Glück und Schmerz liegen in seiner Dichtung nah beieinander. Aber auch bei Georg Trakl oder Paul Celan ist diese Intensität der Wahrnehmung zu spüren", wird die Forscherin am Montag in einer Aussendung zitiert.
Mayröcker-Professorin an Uni Innsbruck
Seit dem 1. Oktober ist an der Uni Innsbruck auch die erste Friederike-Mayröcker-Professorin Österreichs im Amt: Die Literaturwissenschafterin Uta Degner wird sich u.a. unterstützt durch das Bildungsministerium "jeweils zu 50 Prozent am Forschungsinstitut Brenner-Archiv und am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie" darum bemühen "gesellschaftlich relevante Fragen durchaus mit historischen Quellen zu bearbeiten", wie es seitens der Uni am Montag in einer Aussendung heißt. Degner, Expertin für Ingeborg Bachmann und Elfriede Jelinek, wird nun ihre Aufarbeitung zur österreichischen Literatur- und Kulturgeschichte mit dem Fokus auf Frauen im Literaturbetrieb auch mit Blick auf Mayröcker - ihres Zeichens Ehrendoktorin der Universität Innsbruck - ausbauen.
(S E R V I C E - "Mayröcker-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung", hrsg. von Alexandra Strohmaier und Inge Arteel, Springer Verlag, 484 Seiten, 104,50 Euro)