Arbeiterkammer gegen eigenes Fach "Wirtschaft" an Schulen
Das neu gegründete "Netzwerk für eine zukunftsfähige Wirtschaftsbildung" kritisiert Forderungen nach einem eigenen Fach für Wirtschaftsbildung an Schulen. Vor allem die ERSTE Bank und eine Stiftung der Bank Austria würden für ein eigenes Fach lobbyieren. Wie man mit Kindern über wirtschaftliche Fragen sprechen soll, sei eine der zentralen Fragen der Zukunft, sagte Martin Schenk von der Armutskonferenz bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Auch die AK ist Teil des Netzwerks.
Das Netzwerk fordert eine zukunftsfähige Wirtschaftsbildung. Dazu gehöre volkswirtschaftliche Bildung, Konsumentenschutz, ökonomische Alphabetisierung und die Fähigkeit, wirtschaftliches Handeln in soziale, politische und ökologische Kontexte einbetten zu können. Eine Trennung des Faches "Geografie und Wirtschaftskunde" biete die Gefahr, nur die Interessen der Banken zu vertreten, und "unser Sozialsystem zu kritisieren und private Vorsorgeprodukte zu propagieren", so Ilkim Erdost, Bereichsleiterin für Bildung bei der Arbeiterkammer. Private Großunternehmen würden immer mehr in die "schulische Sphäre" drängen, mit Unterrichtsmaterialien und außerschulischen Angeboten.
Fächerübergreifender Unterricht statt eigenem Fach
Statt eines eigenen Faches müssten die 50-Minuten-Einheiten aufgehoben werden und mehr fächerübergreifender Unterricht stattfinden. "Es braucht gut informierte, kritische Konsumenten und Konsumentinnen, die eine breite Wirtschaftsbildung haben und über Risiko, ungleiches Wissen und die umverteilende Wirkung von Kapitalmärkten Bescheid wissen", betonte Erdost. Denn "unsere Kinder sollen nicht einzig ihre Ellbogen trainieren".
Reinhold Hedtke, Soziologe der Universität Bielefeld, kritisierte ein eigenes Fach Wirtschaft auf Grund der Erfahrungen in Deutschland. In Baden-Württemberg habe es einige Studien gegeben, die nach der Einführung eines separaten Faches keine signifikanten Unterschiede bei der Wirtschaftskompetenz gesehen hätten. Ein eigenes Fach würde vor allem die ohnehin schon benachteiligten Schüler und Schülerinnen noch mehr benachteiligen, so Hedtke.
Der erneuerte Lehrplan in Georgraphie und Wirtschaftskunde, nach dem ab Herbst 2023 unterrichtet werden soll, sei "die Grundlage für eine zukunftsorientierte und nachhaltige wirtschaftliche Bildung", sagte Christian Fridrich, Vorsitzender der bundesweiten Fachgruppe Geografische und Sozioökonomische Bildung und des Vereins für geografische und wirtschaftliche Bildung. Hauptaspekt des neuen Lehrplans sei die "massive" Ausweitung der wirtschaftlichen Bildung. "Junge Menschen müssen Orientierungs-, Urteils- und Handlungskompetenzen entwickeln. Diese müssen es ihnen ermöglichen als mündige Bürgerinnen und Bürger die gesellschaftlichen, ökologischen, ökonomischen und technologischen Herausforderungen verantwortungsbewusst mitzugestalten."sagte Fridrich.
Als Folge einer OECD-Studie hat die Regierung im September 2021 eine Finanzbildungsstrategie vorgelegt. Diese würde zwar Probleme wie Altersarmut, Klimawandel, Verarmung oder Überschuldung anerkennen, jedoch keine Lösungsmöglichkeiten bieten, kritisierte Teresa Gäckle von der globalisierungskritischen NGO ATTAC. Teil einer guten Wirtschaftsbildung sei auch, Zusammenhänge sehen und Kontexte herstellen zu können, so Martin Schenk. Dazu gehöre auch, soziale und ökonomische Probleme nicht zu individualisieren. Viel zu oft würden Probleme wie etwa Altersarmut von Frauen als persönliches Verschulden anstatt als strukturelles Problem dargestellt.