Fake News der Nazis: Web-Edition von Kraus' "Dritte Walpurgisnacht"
Von März bis September 1933 dokumentierte und kommentierte Karl Kraus (1874-1936) die Gewaltpolitik und Propagandalügen der Nationalsozialisten in Deutschland. Daraus entstand das erst posthum veröffentlichte Werk "Dritte Walpurgisnacht". Forscher der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben nun eine Online-Edition des Texts veröffentlicht und u.a. mit den Zeitungsartikeln und Personen verknüpft, die in das Werk eingeflossen sind.
Der Schriftsteller, Publizist und Satiriker Karl Kraus beschreibt in "Dritte Walpurgisnacht" die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland. Das Werk gilt den Wissenschaftern der ÖAW zufolge als "die stärkste zeitgenössische Analyse des Beginns nationalsozialistischer Herrschaft".
Zeitungsberichte analysiert
Kraus analysierte für den Text Zeitungsberichte in Deutschland und Österreich und wie diese die Propaganda der Nazis fortsetzten oder ablehnten. Er zeigte, "wie die Wirklichkeit von den Medien verzerrt wird. Wie Fake News geschaffen werden, um die politische Landschaft zu bestimmen", so Projektleiterin Konstanze Fliedl in einer Aussendung der ÖAW. Für sie ist das "ein sehr heutiger Ansatz".
Die "Dritte Walpurgisnacht" wurde erst posthum veröffentlicht. Das im Herbst 1933 fertiggestellte Manuskript des Werks ist verschollen. Kraus habe zuletzt an einem rund 270-seitigen Fahnenabzug gearbeitet und ihn mit vielen hand- und maschinenschriftlichen Korrekturen und Ergänzungen versehen, "als er sich schließlich gegen eine Publikation entschied", so Fliedl. Zahlreiche Stellen daraus hat er im Jahr darauf in seine Zeitschrift "Die Fackel" aufgenommen.
Nach dem Tod Kraus' 1936 wurden die Fahnen durch seinen Anwalt Oskar Samek vor den Nationalsozialisten gerettet, über die Schweiz und New York kamen sie an die National Library of Israel. Teile des Textes, etwa vorab angefertigte Notizen des Autors, sind darin nicht enthalten und befinden sich in der Wienbibliothek im Rathaus und im Brenner-Archiv in Innsbruck.
Online-Edition auf Grundlage der "Fahnenfassung"
Auf der Grundlage der "Fahnenfassung" wurde nun am Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage der ÖAW eine Online-Edition erstellt, die sämtliche Textteile, Korrekturen und Ergänzungen berücksichtigt und ein Personen- und Textregister enthält. In einem nächsten Publikationsschritt wollen sich die Wissenschafter mit der Textentstehung auseinandersetzen, die Kontexte erläutern und historische Informationen bieten. Die Edition soll dann 2023 abgeschlossen sein.
Service: https://kraus1933.ace.oeaw.ac.at/