ÖAW und Uni Wien gaben Gebeine an indigene Australier zurück
Im Rahmen einer Zeremonie im Arkadenhof der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in der Wiener Innenstadt erhielten am Donnerstag Vertreterinnen und Vertreter indigener Australier Überreste von sechs Vorfahren zurück. "Großmutter, wir sind da, um dich heimzubringen", sagte Amber Munkara von der Wotjobaluk Nation im australischen Bundesstaat Victoria. Die Gebeine wurden vor mehr als 100 Jahren von dem Forscher Rudolf Pöch erworben und gelangten nach Wien.
Über viele Jahrzehnte wurden die Überreste in den Archiven der Universität Wien aufbewahrt. Bis zur Repatriierung im Rahmen einer traditionellen Rauchzeremonie war es ein weiter Weg, wie Vertreter der indigenen Communitys, der österreichischen Forschungsgemeinde und des offiziellen Australiens erklärten.
Bereits im Jahr 2011 gaben die ÖAW und die Uni Wien Gebeine von 30 Menschen, die sie als Teil der Sammlung des Mediziners, Ethnologien und Anthropologen Rudolf Pöch (1870-1921) einst erhalten hatten, an eine Delegation zurück. Australien bemüht sich seit rund drei Jahrzehnten verstärkt, ins Ausland verbrachte sterbliche Überreste von Aborigines und Torres Strait Islanders zurückzuführen, um sie dort den Gebräuchen und Traditionen der australischen "First Nations" folgend zu beerdigen. Die Repatriierung ist für die indigenen Gruppen von großer Bedeutung. Bisher kehrten auf diese Weise 1.686 Vorfahren zurück, mehr als 50 davon aus Österreich.
Die Geschichte der heute rückerstatteten Gebeine konnte mit Hilfe von Dokumenten geklärt werden, die im Rahmen der Übersiedlung des Departments für Evolutionäre Anthropologie der Uni Wien im Jahr 2021 auftauchten. Die Rekonstruktion des Zustandekommens der "Australischen Sammlung" Pöchs und ihrer teils bewegten Geschichte im Verlauf des 20. Jahrhunderts hat die ebenda tätige Wissenschafterin Katarina Matiasek vorangetrieben. Ab dem Jahr 2007 arbeite man an den Repatriierungen, die 2009 und 2011 gestartet wurden. Damals konnte man Gebeine von 47 Vorfahren zurückgeben, wie der australische Botschafter Ian Biggs ausführte: So könne man jenen Respekt gegenüber den First Nations ein Stück weit wieder herstellen, "den es immer hätte geben sollen".
Dunkles Kapitel der Anthropologie
Durch die Forschungen tauche man "in eines der dunkelsten Kapitel der Anthropologie" ein, wie Matiasek betonte. In Zeiten der Australienreise Pöchs im Jahr 1905 sei dieses Fach gewissermaßen noch in den Kinderschuhen gesteckt. "Ohne ethische Bedenken" wurden einst Menschen vermessen, um sie in "rassische Kategorien" einzuteilen, erinnerte ÖAW-Präsident Heinz Faßmann. Gräber wurden dafür geöffnet, und die Forschung bediente sich dubioser Quellen, um an "Forschungsobjekte" zu kommen. Die Menschen wurden so "de-personalisiert", sagte Matiasek. Mit den Repatriierungen wolle man nun weiter "versuchen, Wunden zu heilen", wurde betont.
An der ÖAW nahmen nun Vertreter der Dharawal Nation, der Ngiyampaa Nation (beide im heutigen Bundesstaat New South Wales beheimatet) und der Wotjobaluk Nation ihre Ahnen entgegen, um sie nach Hause zu begleiten. Weitere Überreste übernahm ein Vertreter der australischen Regierung im Namen anderer indigener Gruppen. Die Repatriierungen seien ein "monumentales Ereignis", erklärte Wotjobaluk-Vertreter Michael Douglas. Sie seien eine Möglichkeit, die "Fehler der Vergangenheit" ein Stück weit zu korrigieren, so Dharawal-Vertreter David Johnson.
Nach den überlieferten Vorstellungen können weder die Vorfahren, noch die heute lebenden Nachfahren wirklich Ruhe finden, wenn die Gebeine nicht in der "Muttererde" niedergelegt werden, verwies Johnson auf die Traditionen auf Basis der 65.000 Jahre alten Besiedlungsgeschichte des australischen Kontinents. So würde jede Rückkehr "die Communitys stärken", die durch die Kolonialisierung viel Leid erfahren haben, betonte Alison Basa von der Ngiyampaa Nation.
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