Reduce, Reuse, Recycle: Die Wege zum "zirkulären Bauen"
Angesichts der immer dringlicheren Notwendigkeit, CO2-Emissionen zu reduzieren, um den fortschreitenden Klimawandel zu verlangsamen, rückt auch der Bausektor verstärkt in den Mittelpunkt. Vor allem gelte es dabei, den unglaublichen Ressourcenverbrauch einzuschränken, hieß es bei einem von Wissenschaftsnetz "Diskurs" und den "Scientists For Future" organisierten Online-Pressegespräch über "Zirkuläres Bauen".
Laut Jakob Lederer, der an der TU-Wien im Bereich Partikeltechnologie, Recyclingtechnologie und Technikbewertung forscht und lehrt, werden in Österreich trotz zahlreicher Innovationen bei Neubauten noch immer weit über 90 Prozent mineralischer Baustoffe wie Ziegel, Beton, Sand und Kies eingesetzt. Der diesbezügliche Verbrauch betrage 70 bis 80 Millionen Tonnen pro Jahr. Um Ziele wie jene der Stadt Wien, die den Materialverbrauch halbieren möchte, umzusetzen, brauche es daher gravierende Maßnahmen.
Großer Nachholbedarf bei gesetzlichen Standards
Diese lassen sich laut Rainer Pfluger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Innsbruck im Arbeitsbereich "Energieeffizientes Bauen", so zusammenfassen: "Reduce, Reuse, Recycle" - also Reduzieren, Wiederverwenden und Wiederverwerten. Bei den diesbezüglichen gesetzlichen Standards sei jedoch noch "großer Nachholbedarf": "Man sollte da noch viel mehr tun!" Auch bei den künftig gefragten flexiblen Nutzungskonzepten sei das derzeitige Widmungssystem eher ungeeignet.
Charlotte Schick und Lena Rössler von "Architects For Future" schlagen den Einsatz digitaler Technologien vor, bei dem Gebäude auf wiederverwendbare Materialien gescannt werden, um "die Stadt als digitales, anthropogenes Lager zu nutzen", sowie die verpflichtende Einbeziehung des gesamten Gebäudezyklus schon bei der Einreichung um Baugenehmigung. Dabei werde deutlich, das Kosten, die man sich bei der Errichtung zu ersparen hoffe, in der Nutzung oder beim Rückbau eines Gebäudes möglicherweise umso größer anfielen. "Es lohnt sich nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell, zirkulär zu bauen", betonte Rössler.
Fokus auf Holz
Die Bedeutung von Holz im Rahmen einer Bauwende zu klimagerechterem Bauen betonte Sandra Schuster, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU München am Lehrstuhl für Architektur und Holzbau. Nicht nur im Neubau, sondern auch bei Sanierung, Erweiterung, Aufstockung oder Nachverdichtung des Bestands sei Holz als Baustoff universell einsetzbar. Doch auch hier stehen Veränderungen an: "Wir wollen künftig mehr Schad- und Resthölzer einsetzen."
Erklärtes Ziel müsse es sein, künftig auf Neubauten und Abrisse weitestgehend zu verzichten, so die Expertinnen und Experten unisono, und nicht nur bestehende Gebäude an sich, sondern auch die in ihnen verbauten Materialien bestmöglich weiter zu nutzen. Der Abbruch des alten Leiner-Kaufhauses in der Wiener Mariahilfer Straße etwa "hätte nicht sein müssen. Jetzt steht dort ein Rohbau", sagte Lederer.
Er hat Szenarien durchgerechnet, wonach ein Drittel bis die Hälfte der mineralischen Baustoffe künftig eingespart werden könnten, mit dem Einsatz von Holzbau sogar noch mehr. Eines werde es aber auch künftig brauchen: Deponien. Denn manche früher verbauten Materialien ließen sich nicht wiederverwerten, sondern müssten endgelagert werden. Bestes und geläufigstes Beispiel: Asbest.