Studie: Österreich liegt beim Heizen mit Erdgas unter EU-Schnitt
Erdgas ist innerhalb der EU immer noch essenziell für die Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser. Fast die Hälfte der Heizwärme wird EU-weit mit Erdgas produziert. In Österreich sind es knapp 40 Prozent. Das zeigt ein neuer, frei zugänglicher Datensatz, der in einer Studie der Technischen Universität (TU) Wien, des Fraunhofer ISI, e-think sowie des Öko-Instituts und des dänischen Beratungsunternehmens Viegand Maagoe entwickelt worden ist. Zudem wurden sechs Dekarbonisierungs-Szenarien für Raumwärme und Warmwassererzeugung bis 2050 errechnet.
Mithilfe der neuen Daten kann die Raumwärmenachfrage und -versorgung in allen EU-Ländern abgefragt werden. Die Erdgasabhängigkeit variiert dabei stark zwischen den einzelnen EU-Mitgliedern: Schweden und Finnland sind mit fünf bzw. zehn Prozent unter den am wenigsten abhängigen Ländern, während die Niederlande mit 90 Prozent am meisten betroffen sind. Länder wie Malta, Italien, Ungarn und die Slowakei heizen zu über 60 Prozent mit Erdgas. Österreich liegt mit einer Erdgasabhängigkeit von knapp 40 Prozent im Raumwärmesektor unter dem EU-Durchschnitt von rund 50 Prozent. Auch in osteuropäischen Mitgliedstaaten wie Bulgarien, Estland, Litauen, Polen und in der Slowakei ist die Erdgasabhängigkeit deutlich geringer.
Erneuerbare sind die Ausnahme
Im Gegensatz zu Erdgas spielen Erneuerbare Energien bei der Raumwärmeversorgung in den meisten EU-Ländern eine untergeordnete Rolle. Die Forscherinnen und Forscher der Studie schätzen den Anteil Erneuerbarer Energien bei der Erzeugung von Raumwärme innerhalb der EU auf etwa 23 Prozent. 77 Prozent entfallen auf fossile Brennstoffe. Biomasse ist mit 16 Prozent die wichtigste erneuerbare Energiequelle.
Aufstrebende Energieträger und -technologien wie Wärmepumpen, Solarthermie und Geothermie sind in den meisten Ländern wenig verbreitet. Für die Dekarbonisierung wären sie jedoch von zentraler Bedeutung. "Unsere Szenarioanalyse zeigt, dass eine rasche Verbreitung von Wärmepumpen und Fernwärme Optionen sind, die alle Mitgliedsstaaten mit hoher Priorität verfolgen sollten", sagt Tobias Fleiter, der die Forschungsanteile des Fraunhofer ISI an der Studie koordinierte. Finanzielle Anreize, die Transformation der Märkte sowie die Förderung der Planungskompetenz in den lokalen Verwaltungen wären laut Fleiter dafür erforderlich.
Sechs Dekarbonisierungs-Szenarien für die Zukunft
Auf der Grundlage der gesammelten Daten wurden sechs Dekarbonisierungs-Szenarien für Raumwärme und Warmwassererzeugung bis 2050 errechnet. Dafür kamen drei Energiemodelle zum Einsatz: das Gebäudebestandsmodell Invert der TU Wien, das Energiesystemoptimierungsmodell Enertile des Fraunhofer ISI und das Fernwärmemodell Hotmaps der TU Wien. Wenn die Maßnahmen und das Gesamtsystem optimiert werden, so die Forscherinnen und Forscher, bewegen sich die Kosten für die Szenarien Wasserstoff, individuelle Wärmepumpen, Biomassekessel und Solar sowie Fernwärme und E-Fuels in ähnlichen Größenordnungen. Zusätzlich gibt es sogenannte "No-regret"-Optionen, die in allen berechneten Szenarien essenziell sind. Dazu zählen eine hohe und schnelle Verbreitung von Wärmepumpen und Fernwärme in geeigneten Gebieten sowie ein hohes Maß an Gebäudedämmung. Am niedrigsten sind die Kosten im Best-Case-Szenario mit einer hohen Verbreitung von Solarwärme und Fernwärme.
Fleiter fordert zudem dazu auf, neue Investitionen in fossile Heizsysteme zu verhindern, "da diese das System für die kommenden 20 Jahre bestimmen werden". Stattdessen wären Konzepte für die Wärmeplanung und die Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern wichtig, um den Ausbau, die Modernisierung und die Stilllegung von Infrastrukturen zu koordinieren. "Diese Strategien führen nicht nur zu einer Dekarbonisierung des Heizsystems, sondern auch zu einer erheblichen Entlastung in der derzeitigen Gaskrise", meint Fleiter.
Service: Link zur Publikation: http://go.apa.at/bUhTWNV5