Praevenire Gesundheitstage - Patienten müssen im Zentrum stehen
Im Gesundheitswesen sollte jeder mit jedem kommunizieren können. Immer sei dabei der Patient zu hören. Das vom Gesundheitsministerium eingerichtete Bewertungsboard für innovative Arzneimittel sorge schon jetzt für Verzögerungen, erklärte die Präsidentin des Bundesverbandes Selbsthilfe Österreich, Angelika Widhalm, in einem APA-Interview am Rande der Praevenire Gesundheitstage in Eisenstadt.
Nach den Nationalratswahlen äußern derzeit viele Gruppen und Standes- und Interessensvertretungen ihre Wünsche an die künftige Bundesregierung. Auch die Patientenvertreter haben Forderungen an die Politik. "Im Gesundheitswesen hat einfach der Patient im Mittelpunkt zu stehen. Rundherum kann das Gesundheitssystem 'wuseln', aber nur für den Patienten", sagte Angelika Widhalm. Tatsache sei allerdings, dass auch das österreichische Gesundheitswesen oft viel zu viel mit sich selbst beschäftigt sei, politische Diskussionen und die Finanzen oft als wichtiger als die Anliegen der Betroffenen angesehen würden.
Die Forderung der gewählten Vertreterin des Bundesverbandes Selbsthilfe Österreich: "Jeder sollte im Gesundheitssystem mit jedem kommunizieren. Der Patient muss immer dabei sein. Jeder sollte auf den Patienten hören."
ELGA: Alle Daten sollen rein
Auf der anderen Seite könnten auch die direkt Betroffenen dazu beitragen, das System besser zu machen. "Alle Daten gehören in die elektronische Gesundheitsakte (ELGA; Anm.), auch jene aus den Wahlarztpraxen und vieles mehr. Alle Ärzte sollten verpflichtet sein, in ELGA hineinzuschauen. Auch andere Gesundheitsdiensteanbieter (GDAs) sollten Zugang zu ELGA bekommen und einpflegen. Die Bevölkerung muss auch informiert und geschult werden, um sich in ELGA 'bewegen' zu können, Informationen abfragen zu können. Und schließlich sollte man jenen, welche sich hier abgemeldet haben, einen Weg zeigen, wie sie in das ELGA-System hineinkommen."
Extrem kritisch bewertet Angelika Widhalm den mittlerweile installierten "Bewertungsboard" für neue, innovative und kostenaufwendige Therapien, der zum größten Teil aus Vertretern der Bundesländer und der Sozialversicherungsträger besteht: "Dieses Gremium ist mit jährlich drei Millionen Euro dotiert. Drei der Mitglieder sind Ökonomen. Ich sehe das äußerst kritisch. Wir sehen schon jetzt, dass es dadurch zu Verzögerungen bei der Einführung und Anwendung neuer Therapien kommt. Nach Rechtsauskunft könnten die Mitglieder des Boards eventuell sogar für durch dort getroffene Entscheidungen mit Folgeschäden persönlich haftbar sein."
Bei bloß quartalsweise abgehaltenen Sitzungen und dem Ziel, innerhalb eines Jahres zehn neue Therapien einer Bewertung zu unterziehen, werde das bald zu Problemen führen, sagte Angelika Widhalm. Der Bundesverband Selbsthilfe Österreich ist in dem Gremium nicht vertreten. Im Board ist derzeit ein Vertreter aus der Reihe der Patientenanwälte ohne Stimmrecht. Diese werden von dem jeweiligen Bundesland bestellt und haben in jedem Bundesland unterschiedliche Zuständigkeiten.
Auf der anderen Seite sei die Gesundheitspolitik bei der Berücksichtigung der Patienteninteressen aber weiterhin säumig, erklärte Angelika Widhalm. "Das Erfahrungswissen in Selbsthilfe- und Patientenorganisationen organisierten Menschen wird im Gesundheits- und Sozialwesen in Österreich weiterhin zu wenig und nicht systematisch genutzt. Wir brauchen eine transparente Berücksichtigung der Patienteninteressen auf Bundesebene. Dazu wäre ein 'Patientenbeteiligungsgesetz' notwendig, welches die Teilnahme von demokratisch gewählten Patientenvertretern an den Entscheidungsprozessen bundesweit regelt. Und schließlich fehlt eine österreichweite Basisfinanzierung der Selbsthilfe- und Patientenorganisationen sowie deren Dachverbänden", sagte Widhalm.