Im Angesicht mit dem Virus: Neue Wissensstation im NHM
Eine neue Wissensstation thematisiert "Das Virus und wir" ab Mittwoch (26. Juli) im Naturhistorischen Museum (NHM) Wien. Im Zentrum der im Experimentierraum "Deck 50" neu konzipierten Schau steht ein etwa ein Meter großes Modell des SARS-CoV-2-Virus mit seinen imposanten "Spikes", die dem Virus den Eintritt in eine Zelle ermöglichen. Anhand des Coronavirus wolle man auch die Ambivalenz von Krankheiten darstellen, hieß es am Dienstag bei der Vorstellung der Station.
Gesundheit sei ein aktuelles Thema, das prinzipiell positiv konnotiert sei, so NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland. Beim genaueren Hinschauen werde es komplizierter. "Aber sind Krankheiten und Einschränkungen nicht Teil des Lebens?", so Vohland. Das Modell, welches auf wissenschaftlichen Daten beruht und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gebaut wurde, stehe auch für die Komplexität von Evolution und Gesundheit. Viren-DNA mache immerhin rund 60 Prozent der gesamten menschlichen DNA-Masse aus.
"Es war eine verrückte Zeit", sagte der ÖAW-Präsident Heinz Faßmann, der bis Dezember 2021 als damaliger Bildungsminister mit der Bewältigung der Pandemie befasst war. Die Wissenschaft habe einen großen Beitrag bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie geleistet, so etwa bei der verhältnismäßig raschen Genomsequenzierung des Virus, bei der Erkundung der Infektionswege oder auch bei der Entwicklung von Schnelltests und der Bestimmung der Virusvarianten, bei denen IMBA-Forscher maßgeblich beteiligt waren. "Wir brauchen Wissenschaft, um im Krisenfall, auch in Bezug auf Gesundheit, rasch handeln zu können."
Auf der einen Seite könnten Viren schädlich sein, auf der anderen Seite lerne aber auch die Wissenschaft über die Erforschung von Viren und die Entwicklung von Tests und Impfungen. "Viren lehren uns auch über die Prinzipien der Biologie", sagte Jürgen Knoblich, wissenschaftlicher Leiter des IMBA der ÖAW, in Anspielung auf die Ambivalenz, die die Betrachtung und Auseinandersetzung mit Viren mit sich bringt und vielleicht auch einige Besucherinnen und Besucher der Schau ereilt.
Potenzieller Publikumsmagnet
Ein Testbetrieb der partizipativen Wissensstation hat aber bereits gezeigt, "dass Kinder keine Angst vor dem Virus haben und ihm auch seine Meinung sagen", sagte Ines Méhu-Blantar, die Leiterin des NHM-Deck 50. Im Rahmen des Wissensstation können Besucher persönliche Eindrücke und Assoziationen hinterlassen - diese werden systematisch gesammelt und würden auch als Daten wiederum der Coronaaufbereitung zur Verfügung stehen, so Méhu-Blantar. Weitere Elemente der Station sind etwa abrufbare Avatare, darunter NHM-Direktorin Vohland und Molekularbiologe Ulrich Elling vom IMBA, aber auch Vertreter und Vertreterinnen anderer Wissenschaftsdisziplinen, die zu bestimmten Themen sprechen.
Das Virenmodell, potenzieller Publikumsmagnet, ist ein stark vergrößertes Originalmodell des SARS-CoV-2-Virus, dem Auslöser von Covid-Infektionen - zum Vergleich: Wenn ein Mensch genauso stark vergrößert würde wie dieses Virus, hieß es seitens des NHM, wäre er größer als der Planet Erde.
Viren gibt es schon lange. Woher sie kommen, seit wann es sie auf der Erde gibt oder wie sie z.B. mit Bakterien verwandt sind - viele dieser Fragen sind bis heute ungeklärt. Viren funktionierten als Speicher des Lebens, so das NHM. Sobald das Genmaterial in einer Zelle ausgepackt werde, erwache es zum Leben - wie ein Computerprogramm am Computer, nachdem der USB-Stick eingesteckt wurde. Viren als Grundlage des Lebens, als parasitische Weggefährten, mit ihrem Bezug zu Krankheiten und Medizin, aber auch in Bezug auf Klimawandel sind unter den Themen, die die neue Wissensstation präsentiert. Zudem gibt es eine begleitende Workshopreihe für Kinder ab 8 Jahren.
Aber auch, wenn das Coronavirus nun bereits den Weg in eine Ausstellung geschafft hat, ist das Kapitel für die Forschung noch nicht abgeschlossen. Man sei beim Verständnis des Coronavirus "am Anfang", so IMBA-Chef Knoblich, z. B. beim Andock-Mechanismus des Virus an die Zelle stellten sich der Forschung noch gewisse Fragen, aber auch darüber, wo das Virus herkommt und wie es sich so explosionsartig ausbreiten konnte.
Service: www.nhm-wien.ac.at