Tatkräftige Erneuerin: ÖNB-Chefin Johanna Rachinger wird 65
Wenn ihr Vertrag mit Jahresende 2026 ausläuft, wird sie 25 Jahre an der Spitze der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) gestanden sein. Eine Zeitspanne, in der Johanna Rachinger die Besucherzahlen vervielfachen konnte und auch Sanierungsprojekte sowie die Eröffnung des Literaturmuseums umsetzte. Einzig der jahrelang gewünschte Tiefspeicher konnte nicht realisiert werden. Am Donnerstag feiert Rachinger ihren 65. Geburtstag.
"Ich freue mich darauf, zu zeigen, was Frau kann", hatte Rachinger im Februar 2001 bei ihrer Designierung als Generaldirektorin Optimismus versprüht. Seit Mitte 2001 ist die Oberösterreicherin Chefin der wichtigsten Bibliothek Österreichs und der ihr angeschlossenen musealen Sammlungen und hat seither mit großem Erfolg unter Beweis gestellt, was sie kann. Zuletzt brachte sie mit einem Maßnahmenpaket zur Künstlichen Intelligenz (KI) ein zukunftsorientiertes Projekt auf den Weg, dazu zählen etwa KI-gestützte Katalogisierungsprozesse und Analysen des umfangreichen Bildmaterials. Angekündigt wurde aber auch eine Ausbildungsoffensive für die rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, "um uns KI-fit zu machen". Bereits 2022 hatte Rachinger ein neues Center für Informations- und Medienkompetenz ins Leben gerufen, wo Schülerinnen und Schülern, Studierenden und der interessierten Öffentlichkeit geholfen werden soll, sich im "Dschungel der Informationen zurechtzufinden".
"Von Anfang an große Affinität zum Buch da"
Geboren am 9. Jänner 1960 in Putzleinsdorf im Mühlviertel, besuchte Johanna Rachinger die Handelsakademie in Rohrbach und studierte Theaterwissenschaft und Germanistik an der Universität Wien, wo sie 1986 über "Das Wiener Volkstheater in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung des Dramatikers Ludwig Anzengruber" dissertierte. "Es war von Anfang an eine große Affinität zum Buch da", sagte Rachinger einmal über sich.
Ihre Verlagslaufbahn begann sie 1987 als Lektorin im kleinen Wiener Frauenverlag. 1988 bis 1992 war sie Leiterin der Buchberatungsstelle beim Österreichischen Bibliothekswerk, ab 1992 Programmleiterin für den Bereich Jugendbuch beim Verlag Carl Ueberreuter. 1995 bis 2001 war sie Geschäftsführerin des Verlags und bekannte bei ihrem Wechsel in die ÖNB, dort nicht ohne Wehmut zu scheiden: "Ich habe mich in dem Verlag sehr wohl gefühlt." Auch ihre Tätigkeit als Uni-Lehrbeauftragte zum Thema "Buchhandlungen, Verlage, Bibliotheken" sowie als Leiterin von Ausbildungskursen für Bibliothekare "hat mir sehr viel Spaß gemacht".
ÖNB als moderne, user-orientierte Service-Einrichtung
In der ÖNB setzte sie die Ausgliederung als vollrechtsfähige wissenschaftliche Anstalt ab 1. Jänner 2002 um, machte die Bibliothek zügig zu einer modernen, user-orientierten Service-Einrichtung, bei der sie moderne Technik und Digitalisierung in den Vordergrund rückte. Mit vorbildlicher Provenienzforschung und umfangreichen Restitutionen stellte sich die ÖNB unter Rachinger auch ihrer Vergangenheit. Auch bei ihrer Festrede anlässlich des 90-Jahre-Republik-Jubiläums 2008 sprach sie klare Worte, was Vergangenheitsbewältigung und Verharmlosung von NS-Verbrechen betrifft.
Die Entwicklung von Besucher- und Budgetzahlen verlief mehr als zufriedenstellend. Bereits nach ihrem ersten vollen Jahr an der Spitze der Institution verbuchte die Nationalbibliothek ein Besucherplus von 20 Prozent von rund 114.000 auf 137.000 Besucherinnen und Besucher. Das Interesse konnte im Laufe der Jahre deutlich gesteigert werden, zuletzt besuchten 722.300 Personen die Österreichische Nationalbibliothek (inklusive Haus der Geschichte Österreich).
Prunksaal, Literaturmuseum, hdgö
Mit der Sanierung der Hauptlesesäle, des Bildarchivs und des Prunksaals, der Errichtung einer Leselounge, dem Einzug der Musiksammlung, des Globenmuseums und des Esperantomuseums in das Palais Mollard in der Herrengasse, der Wiedereröffnung von Kartensammlung und Augustinerlesesaal trieb Rachinger die räumliche Neuordnung voran, 2015 eröffnete schließlich in der Johannesgasse mit dem Literaturmuseum ein lange geplantes Projekt. 2018 wurde in der Neuen Burg schließlich das hdgö - Haus der Geschichte Österreich errichtet, das organisatorisch an die ÖNB angedockt wurde. 2028 soll das hdgö ins Museumsquartier übersiedeln, in diesem Zusammenhang plädierte Rachinger dafür stark, das Zeitgeschichtemuseum in ein eigenes Bundesmuseum zu überführen.
Bei der Vorstellung des ÖNB-Programms für 2025 zeigte sich Rachinger nicht zuletzt aufgrund des hohen Besucherinteresses und einer stabilen Finanzlage optimistisch. Grund zu feiern gibt es auch: Das Literaturmuseum feiert seinen zehnten Geburtstag mit einem bunten Veranstaltungsprogramm samt Lesung von Christoph Ransmayr, Music-Performances, Archivgesprächen und Gratis-Eintritt von 26. Mai bis 5. Juni. Und in der Jahresausstellung "Woher wir kommen. Literatur und Herkunft" will man zeigen, "in welcher Weise soziale Aspekte wie etwa ökonomische Ungleichheit, Migration oder Mehrsprachigkeit Eingang in Literatur finden".
Service - http://www.onb.ac.at