Wiener Forscher setzen mit neuem Signalmolekül Viren auf Bakterien an
Bestimmte Viren - sogenannte "Phagen" - gelten als mögliche Verbündete im Kampf gegen Bakterien, da sie diese befallen und töten können. Wiener Forscher haben nun ein Signalmolekül gefunden, mit dem der Pseudomonas-Bakterienstamm Phagen gezielt dazu motiviert, sich gegen ihren Konkurrenten namens Staphylococcus aureus zu wenden. Das könne zukünftig zur Bekämpfung von Krankheitserregern genutzt werden, so die Forscher im Fachblatt "Journal of the American Chemical Society".
Bei Phagen handle es sich um einen noch relativ unbekannten Teil des menschlichen Mikrobioms, heißt es in einer Aussendung der Uni Wien. Biochemiker um Thomas Böttcher von der Universität Wien erforschen mit einem hochdotierten Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) was passiert, wenn in Bakterien eingenistete Phagen vom schlafenden in den wachen Zustand übergehen. Geschieht dies, machen sie ihrem Wirt den Garaus und setzen neue Viruspartikel frei.
Man wisse bereits, "dass Phagen die Populationsdynamik von Bakterien entscheidend beeinflussen und dass Mikroorganismen sich durch chemische Abwehrstoffe gegenseitig in Schach halten. Wir wollten nun herausfinden, ob es in dem komplexen mikrobiellen Miteinander auch Mikroben gibt, die gezielt Phagen in ihrer Konkurrenz aktivieren und somit gegen sie nutzen", so Böttcher.
Gezielte Phagen-Aktivierung
In Zusammenarbeit mit der Doktorandin Magdalena Jancheva konnte er nun zeigen, dass dem so ist: Bakterien der Spezies Pseudomonas aeruginosa können demnach großen Mengen des Signalmoleküls Pyocyanin produzieren. Heimtückisch dabei ist, dass dies Phagen im bakteriellen Konkurrenten Staphylococcus aureus vom ruhigen Mitbewohner in einen todbringenden Parasiten verwandelt. Diese Methode fruchtete aber nur bei dieser Bakterienart. "Es handelt sich bei Pyocyanin also um ein hochselektives Mittel", so Jancheva. Das steht im Gegensatz zu dem bekannten Wirkstoff Mitomycin C, der Bakterien schädigt, und alle Phagen zum Verlassen ihrer verschiedenen bakteriellen Wirte zwingt
Da die beiden Konkurrenten Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus aureus auch eine Rolle bei der Stoffwechselerkrankung zystische Fibrose spielen, denken die Forscher, dass sich die gezielte Hemmung durch Pyocyanin vielleicht auch therapeutisch nutzen ließe. Diese Grundidee könnte aber auch in anderen Kontexten verfolgt werden: "Bestimmte Signalmoleküle könnten es ermöglichen, über die Phagen-Aktivierung Krankheitserreger zu bekämpfen - mit ihnen ließe sich somit eine interne Phagentherapie anstoßen", so Böttcher, der dafür auch Potenziale in der Biotechnologie sieht.
Service: https://doi.org/10.1021/jacs.1c01275