Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall: Experte warnt vor zwei Süßstoffen
Nach der Debatte um Aspartam, einem unter Umständen bei Menschen Krebs auslösenden Süßstoff, warnt der Direktor für Innere Medizin I der Innsbrucker Uni-Klinik, Herbert Tilg, vor zwei weiteren künstlichen Süßstoffen: Sucralose und Erythritol. Studien würden nahelegen, dass diese "Major Player" in einem Fall ein bestimmtes Krebswachstum beschleunigen und im anderen Herzinfarkt und Schlaganfall befördern, sagte Tilg im APA-Gespräch.
Im Falle von Sucralose - "sechshundertmal süßer als Zucker" - gebe es derzeit zwar rein vorklinische Studien von britischen Forschern, aber, so Tilg: "Die Daten sind sehr überzeugend." Versuche an Mäusen hätten gezeigt, dass der Süßstoff, der breit in der Nahrungsmittelindustrie verwendet wird "weil er so potent ist", das Wachstum bestimmter Tumore steigere, etwa von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Forscher hätten sich damit beschäftigt, ob der Süßstoff in der Lage ist, das Immunsystem zu manipulieren. "Die Antwort ist: Jawohl", erklärte der Experte.
Bei Erythritol, einem Zucker-Alkohol, der als Süßstoff ebenfalls breit verwendet und in den Körper gut aufgenommen werde, würden indes eine klinische Studie sowie zwei große Folgestudien US-amerikanischer Wissenschafter vorliegen. "Anhand von 1.157 Patienten hat man gezeigt, dass über drei Jahre die Rate an Herzinfarkt und Schlaganfall direkt mit dem Blutspiegel von Erythritol korreliert hat. Das heißt: Es gibt hier offenbar einen klaren Zusammenhang", betonte Tilg. Auch in den beiden Folgestudien sei dies festgestellt worden. Und darüber hinaus sei im Labor nachgewiesen worden, dass Erythritol eine Konzentration im Menschen erreichen könne, die zur Folge habe, dass die Blutplättchen verklumpen. "Und das ist wiederum die Voraussetzung für Herzinfarkte oder Schlaganfälle", verdeutlichte Tilg. Schließlich wurde laut dem Top-Mediziner auch noch gesunden Probanden Erythritol gegeben: "Die Blutspiegel, die man dabei erreicht, waren gleich hoch wie die, bei denen man auch im Labor gesehen hat, dass die Blutplättchen verklumpen. Das zeigt, dass es sich nicht nur um einen reinen Laboreffekt handelt. Wenn man das Zeug trinkt, erreicht man Spiegel, die in der Lage sind, ein Plättchen-Verklumpen zu verursachen."
Fazit: Süßstoffe sind nicht harmlos
Der Sukkus aus den Erkenntnissen beide Süßstoffe betreffend sei: "Das Konzept, dass diese ganzen Süßstoffe völlig harmlos sind, muss beendet werden." Die Wissenschaft müsse sich ab nun damit beschäftigen, dass womöglich auch weitere Zusatzstoffe abseits von Aspartam alles andere als harmlos sind, sondern womöglich, im Gegenteil, Erkrankungen verursachen.
Man brauche aber in beiden Fällen "noch mehr Studien und noch mehr Daten", unterstrich Tilg. "Aber ab nun ist das Rufzeichen da und man kann nicht sagen: 'Wir ignorieren das.' Sondern die medizinische Wissenschaft muss sich in Form von großen klinischen Studien intensiv damit beschäftigen", erklärte der Gastroenterologe. Es gebe Hinweise, dass "obwohl man künstliche Süßstoffe nimmt, diese über die Manipulation von Darmbakterien sogar Energieaufnahme steigern und letztlich in der Lage sind, den Zuckerstoffwechsel erst wieder negativ zu beeinflussen." Das ursprüngliche Ziel - "dass die Leute nicht dicker werden" - habe man "überhaupt nicht erreicht, im Gegenteil". Nun gehe es darum, endgültig zu beweisen, dass diese Süßstoffzunahme "nicht nur ein Nullsummenspiel ist, sondern sogar schädlich im Sinne der Verursachung von Krankheiten."
Irgendwann könnte dies alles dazu führen, dass solche Süßstoffe überhaupt verboten werden, denn: "Jetzt besteht ein Riesenfragezeichen." Nicht zuletzt deshalb, da Adipositas, also Fettleibigkeit, global zunehme. "Trotz einem ständig steigenden Markt an künstlichen Süßstoffen", ergänzte Tilg und folgerte: "Die künstlichen Süßstoffe sind zunehmend unter Attacke."
Tilgs Schlussfolgerungen finden übrigens auch Eingang in eine renommierte medizinische Publikation: Unter seiner Federführung kommentieren Forscher der Medizinischen Universität Innsbruck diese neuesten Erkenntnisse in der Fachzeitschrift "The New England Journal of Medicine", "unserer Bibel", wie Tilg anschaulich meinte.