Wissenschaftliche Integrität und KI - ein Balanceakt
Gastbeitrag --- Angesichts des breiten Zugangs zu generativen KI-Anwendungen stellt sich die Fachhochschule St. Pölten die Frage, wie wissenschaftliche Integrität gewahrt werden kann, ohne die Nutzung dieser Technologien zu verbieten.
Im Sommer 2023 hat sich die Fachhochschule St. Pölten in ihren Empfehlungen im Umgang mit generativer KI zu Themen wie Datenschutz, Transparenz, kritischem Umgang mit KI-generierten Inhalten sowie Quellenkritik und wissenschaftlicher Integrität klar positioniert. Auch der achtsame Umgang im Sinne von Energieverbrauch, Bias in den Ergebnissen und Arbeitsbedingungen sind Thema. Die im Oktober 2024 neu veröffentlichten Richtlinien sind angelehnt an den Artificial Intelligence Act (AIA) der Europäischen Union. Mithilfe konkreter Anwendungsfälle aus dem Lehr- und Lernalltag ist die Logik des AIA für den Einsatz in der Hochschullehre adaptiert worden.
Das Ziel besteht in der Gewährleistung des geregelten Einsatzes von generativen KI-Tools in Lehre und Studium durch die Eingliederung von Anwendungsbereichen in die vier Risiko-Stufen:
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Inakzeptabel ist der Einsatz von generativen KI-Anwendungen, wenn Datenschutz gefährdet ist oder Ergebnisse von KI-Anwendungen als Eigenleistung ausgegeben werden.
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Im Hochrisikobereich befinden sich alle Anwendungsszenarien, die die wissenschaftliche Integrität in der Lehre gefährden.
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Begrenztes Risiko besteht, wenn ein transparenter Umgang gefordert ist, z. B. bei der Erledigung von nicht prüfungsrelevanten Aufgaben.
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Minimales Risiko bzw. eine freie Nutzung ist außerhalb der Leistungserbringung erlaubt oder wenn KI-Anwendungen für Brainstorming genutzt werden.
Zugleich sind Bachelorarbeiten genauer untersucht worden, um zu gewährleisten, dass die beabsichtigten Lernergebnisse weiterhin erreicht werden. Ein interdisziplinäres Projekt hat zu alternativen Ideen für die Leistungserbringung geführt. So werden die Kompetenzziele, die mit einer Bachelorarbeit erreicht werden sollen, in manchen Studiengängen angepasst und ihre Gewichtung verändert: Lesefluss wird in manchen Studiengängen mit weniger Gewicht bewertet als z. B. die Schlüsse, die aus einer Datenerhebung gezogen werden können.
Zudem werden die Prüfformate überdacht. So bekommen mündliche (Zwischen-)Präsentationen mehr Bedeutung und der Prozess der Erstellung einer Abschlussarbeit rückt weiter in den Fokus als nur das Ergebnis. So wird vermieden, den Einsatz von generativer KI in der akademischen Arbeit gänzlich zu verbieten, und wissenschaftliche Integrität kann bewahrt werden. Die Lehrkräfte erhalten einen Methodenkoffer, um Studierenden Lernerfahrungen zu ermöglichen, die enger mit den Bildungszielen ihrer Programme übereinstimmen.
Aktuell arbeitet die Fachhochschule St. Pölten daran, Chancengleichheit beim Zugang zu Software für alle Studierenden zu ermöglichen. Auch werden weitere Daten zu den Betreuungsprozessen wissenschaftlicher Abschlussarbeiten ausgewertet, um Lehren und Lernen an der sich entwickelnden Landschaft der KI-Technologien auszurichten.
Zur Person:
Lisa David leitet das Service- und Kompetenzzentrum für Lehr-/Lernentwicklung und Bildungsangebote (LEARN) der FH St. Pölten.
Service: Dieser Gastbeitrag ist Teil der Rubrik "Nachgefragt" auf APA-Science. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.