USA und Geberländer verursachen laut Experten neue Aids-Krise
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will die Aids-Pandemie bis 2030 beendet sehen. Doch die USA und andere Geberländer riskieren mit einer drastischen Einschränkung der Hilfsmittel bis 2030 bis zu elf Millionen mehr HIV-Infektionen und bis zu drei Millionen mehr Todesfälle. Das geht aus einer neuen Modellrechnung internationaler Experten hervor, die am Donnerstag in "Lancet HIV" veröffentlicht worden ist.
Die neue US-Administration unter Donald Trump hat bereits mit Amtsantritt des neuen Präsidenten den Austritt der Vereinigten Staaten aus der WHO angekündigt und das USAID-Hilfsprogramm ausgesetzt. Doch auch andere Staaten steigen auf die Bremse, was die Bekämpfung der HIV/Aids-Pandemie angeht.
"Seit 2015 haben internationale Geldgeber etwa 40 Prozent der Finanzierung der Mittel gegen HIV/Aids in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMICs) bereitgestellt, weshalb ihre Unterstützung für die weltweiten Bemühungen zur Behandlung und Prävention von HIV von entscheidender Bedeutung ist. Die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die Niederlande decken zusammen mehr als 90 Prozent der internationalen Gelder ab. Diese Länder haben jedoch alle vor kurzem Pläne für erhebliche Kürzungen der Entwicklungshilfe angekündigt, was bis 2026 zu einer prognostizierten Reduktion der weltweiten Finanzierung von Maßnahmen gegen HIV/Aids um 24 Prozent führen wird", stellt die weltweit renommierte medizinische Fachzeitschrift zu der neuen Modellrechnung australischer Experten fest.
Kritische Rolle der USA
Die besonders kritische Rolle der USA: Am 20. Jänner dieses Jahres, praktisch mit Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump wurden die Hilfsgelder der Vereinigten Staaten via USAID zumindest für 90 Tage ausgesetzt. Die USA blockierten damit ihren Anteil von fast 73 Prozent an den Entwicklungshilfegeldern weltweit.
Jedenfalls droht mit dem Zurückfahren der Hilfen durch die USA und anderen der reichsten Staaten der Erde gemäß den Berechnungen eine internationale Aids-Krise unerhörten Ausmaßes. "Lancet HIV": "Die Studie schätzt, dass es zwischen 2025 und 2030 weltweit zu 4,4 bis 10,8 Millionen zusätzlichen Neuinfektionen mit HIV und 770.000 bis 2,9 Millionen HIV-bedingten Todesfällen bei Kindern und Erwachsenen kommen könnte, wenn die von den fünf größten Geberländern, darunter die USA und Großbritannien, vorgeschlagenen Kürzung der Finanzierung nicht abgemildert werden."
Bevölkerungsgruppen südlich der Sahara besonders stark betroffen
Die Ärmsten wird es am meisten treffen. "Am stärksten betroffen werden voraussichtlich Bevölkerungsgruppen in Afrika südlich der Sahara sowie marginalisierte Gruppen sein, die ohnehin einem höheren Risiko einer HIV-Infektion ausgesetzt sind, wie z. B. Drogenkonsumenten, Sexarbeiter und Männer, die Sex mit Männern haben, sowie Kinder", so die Fachzeitschrift.
Der Hintergrund: Entwicklungshilfeprogramme wie der Notfallplan der bisherigen US-Präsidenten zur Aids-Hilfe (PEPFAR) bieten in den am meisten betroffenen Weltregionen HIV-Behandlungs- und Präventionsdienste an, einschließlich der Finanzierung von Gesundheitskliniken, die antiretrovirale Therapien (ART) zur Behandlung und Verhinderung von HIV anbieten, HIV-Tests und notwendige Labordienstleistungen. Diese Programme leisten aber auch eine Versorgung, die über die direkte HIV-Behandlung und -Prävention hinausgeht und die Stärkung von Gesundheitssystemen der betroffenen Länder insgesamt stützen sollen.
Unterbrechungen bei Test- und Behandlungsprogrammen erwartet
"Schwerwiegendste Auswirkungen könnten in Afrika südlich der Sahara auftreten, wo umfassendere Präventionsmaßnahmen wie die Verteilung von Kondomen und das Angebot einer Präexpositionsprophylaxe (PrEP - antiretrovirale Medikamente zur Verringerung des HIV-Übertragungsrisikos) zunächst eingestellt werden könnten. Hinzu kommen Unterbrechungen bei Test- und Behandlungsprogrammen, die zu einem sprunghaften Anstieg neuer HIV-Infektionen führen könnten, insbesondere in einigen Bereichen, in denen die größten Erfolge erzielt wurden, wie etwa bei der Verhinderung der Mutter-Kind-Übertragung von HIV und der HIV-bedingten Todesfälle bei Kindern", erklärte der Co-Leiter der Studie, Rowan Martin-Hughes vom Burnet Institute (Melbourne/Australien).
Erfolge der Vergangenheit könnten zunichte gemacht werden
Das alles könnte vor dem Hintergrund bereits großer erzielter Erfolge geschehen, die wieder zunichte gemacht würden. "Von 2010 bis 2023 haben viele Länder, die aktuell PEPFAR- oder andere Entwicklungshilfe erhalten, deutliche Fortschritte bei der Behandlung und Prävention von HIV erzielt. Die Zahl der Neuinfektionen sank jährlich um durchschnittlich 8,3 Prozent, die Zahl der HIV-bedingten Todesfälle um 10,3 Prozent. Setzt sich dieser Trend fort, wären viele Länder auf gutem Weg, die globalen Ziele zur Eliminierung von HIV/AIDS als Bedrohung der öffentlichen Gesundheit bis etwa 2036 zu erreichen", heißt es in der medizinischen Fachzeitschrift.
Sollte die Entwicklungshilfe jedoch bis 2026 stark gekürzt oder die PEPFAR-Finanzierung ohne gleichwertigen Ersatz vollständig eingestellt werden, könnten die Neuinfektionen und Todesfälle wieder auf ein Niveau steigen, das seit 2010 nicht mehr erreicht wurde, und möglicherweise alle seit 2000 erzielten Fortschritte ausradieren. Selbst wenn die Unterstützung für die HIV-Behandlung nach zwölf bis 24 Monaten wiederhergestellt wird, deutet die Studie darauf hin, dass sich die Zahl der HIV-Neuinfektionen auf einem ähnlichen Niveau wie 2020 stabilisieren könnte. Das würde aber den Sieg über HIV/Aids um weitere 20 bis 30 Jahre verzögern.
2023 starben rund 630.000 Menschen an der Immunschwächekrankheit
2023 lebten weltweit rund 40 Millionen Menschen mit HIV/Aids. In jenem Jahr starben rund 630.000 Menschen an der Immunschwächekrankheit. Die Zahl der Neuinfektionen wurde im Welt-Aids-Bericht aus dem Jahr 2024 mit 1,3 Millionen angegeben. An sich sollte HIV/Aids bis 2030 weltweit so zurückgedrängt werden, dass diese globale Gesundheitsgefahr besiegt wäre. Doch auch noch 2023 hatten sich noch immer dreimal so viele Menschen neu infiziert, als es den international angepeilten Zielen entsprochen hätte.