"Green Shipping": Der lange Weg zur nachhaltigen Schifffahrt
Schweröl, Schwefel, Stickoxide: Die Ausgangslage für eine Ökologisierung der Schifffahrt ist alles andere als einfach. Sollen in einer Branche, die Veränderungen nicht gerade bejubelt, die selbst gesteckten Klimaziele erreicht werden, scheint rasches Handeln notwendig. Noch ist der konkrete Weg dahin aber nicht fixiert. Ein sauberer Wasserstoffmotor, entwickelt am Großmotoren-Forschungszentrum LEC in Graz, könnte einen Ausweg bieten.
"Rund 80 bis 90 Prozent des weltweiten Warentransports laufen über Schiffe. Dieser Bereich wird sich in den kommenden 30 Jahren, was die Transportkapazitäten betrifft, noch einmal verdreifachen", erklärte Andreas Wimmer, Mitbegründer und Leiter des LEC (Large Engines Competence Center), im Gespräch mit APA-Science. Dabei sei dieser Sektor schon jetzt für knapp drei Prozent des globalen CO2-Ausstoßes und mehr als zehn Prozent der Stickoxid- und Schwefeldioxid-Emissionen verantwortlich.
Dass lange Zeit nicht viel passiert ist, um die Schifffahrt "grüner" zu machen, dürfte auch mit den unterschiedlichen Interessen zu tun haben, die innerhalb der Seeschifffahrtsorganisation IMO (International Maritime Organization) aufeinander prallen. Die Unterorganisation der UNO hat sich nun aber doch dazu bekannt, bis 2050 die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2008 um 50 Prozent zu senken. "Wenn man sich überlegt, wie stark der Marinebereich wächst, dann heißt das, dass wir beim Antrieb 80 bis 90 Prozent der Emissionen einsparen müssen. Das wird der Knackpunkt", ist Wimmer überzeugt.
Druck auf die Branche steigt
Erste "grüne" Ansätze habe es schon vorher gegeben, etwa mit der Einführung von "Emission Control Areas", also Sonderzonen, in denen lokal schärfere Emissionslimits gelten. Der zweite große Schritt sei mit dem "Global Sulphur Cap" gemacht worden. "Nachdem bei den Marinekraftstoffen zuvor noch sehr viel Schwefel erlaubt war, sind seit 1. Jänner 2020 nur noch Brennstoffe mit einem Schwefelgehalt von maximal 0,5 statt 3,5 Prozent zugelassen. Das hat mit einem Schlag den Ausstoß von Schwefeloxiden massiv reduziert", so der langjährige Leiter des FFG-geförderten COMET-Zentrums. Die angepeilten CO2-Einsparungen würden den Druck jetzt noch deutlich erhöhen.
"Man muss auch berücksichtigen, dass die Schiffe sehr lange im Einsatz sind. Wir reden von 30, 40 Jahren. Das heißt, dass jetzt die Schiffe gebaut und in Umlauf gebracht werden, die dann 2050 noch immer in Betrieb sind", verdeutlichte Wimmer den Handlungsbedarf. Von Vorteil seien daher Lösungen, die bei dann bestehenden Schiffen nachgerüstet werden können. Prinzipiell gebe es vier Ansätze: Ein batterieelektrischer Antrieb, Brennstoffzellen mit Wasserstoff, Carbon Capturing an Bord und – laut dem Experten die wahrscheinlichste Option – Verbrennungsmotoren mit Biokraftstoffen beziehungsweise "E-Fuels". Von manchen Seiten würde vorgeschlagen, sich der Kernkraft anzunähern. "Das wäre für mich undenkbar, wenn dann tausende Schiffe mit nuklearen Antrieben herumfahren würden. Jährlich geht ja auch eine erhebliche Anzahl von Schiffen verloren", so Wimmer.
Batterien sind keine Option
Batterieelektrische Antriebe, also Batterien wie bei Pkws als Speicher einzusetzen, seien für die meisten Anwendungen, etwa die Hochseeschifffahrt, kein sinnvoller Weg. "Die Speicherdichte ist so gering, dass die Masse der Batterien, die man da transportiert, in manchen Fällen sogar das maximale Ladegewicht überschreiten würde", erläuterte Wimmer, der auch Professor und stellvertretender Leiter des Instituts für Verbrennungsmotoren und Thermodynamik an der TU Graz ist. Bei Brennstoffzellen und Wasserstoff sei man, sowohl was die Speicherung an Bord als auch die Brennstoffzelle selbst betrifft, technologisch noch nicht so weit, diese Lösung in größerem Maßstab einzusetzen.
Ein realistischerer aber aufwändiger Ansatz sei das Carbon Capturing an Bord von Schiffen, also das CO2 aus den Abgasen wieder herauszuholen und an Land zu bringen. Beim Einsatz von Biokraftstoffen in den Verbrennungsmotoren wiederum gebe es eine Limitierung aufgrund der Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. "Das wird von den Mengen nicht ausreichend sein", so der Experte. Also bleibe nur das Thema "E-Fuels", wie Wasserstoff, Methanol, Ammoniak, synthetisches Gas oder Fischer-Tropsch-Kraftstoffe.
Methanol aus grünem Wasserstoff und CO2
Am LEC forscht man an einem System, bei dem ein Verbrennungsmotor mit Wasserstoff läuft. Konkret soll aus grünem Wasserstoff und CO2 zunächst Methanol, das sich leichter transportieren lässt, hergestellt werden. Damit betankt man das Schiff. Vor der Verbrennung wird der Wasserstoff wieder aus dem Methanol abgespalten. Für die Abscheidung des CO2 reicht die Abgaswärme des Motors. Das Kohlendioxid wird am Schiff verflüssigt, abgespeichert und anschließend an Land gebracht, wodurch sich der Kreislauf wieder schließt. "Mit diesem System ist ein schadstoffarmer und energieeffizienter Betrieb möglich", erklärte Wimmer.
Im Rahmen des Konsortiums "Hy Meth Ship", das vom "Horizon"-Programm der EU unterstützt wird, entsteht derzeit ein Prototyp. "Wir sind in der letzten Phase des Zusammenbaus und werden in den nächsten Wochen in den Versuchsbetrieb starten", kündigte der LEC-Gründer an. Als nächster Schritt ist geplant, das System in Kooperation mit Betreibern auf ein Schiff zu bekommen. Das werde voraussichtlich aber noch einige Zeit brauchen.
Größtes Hindernis dürfte bei diesem Ansatz die Verfügbarkeit von Wasserstoff – und hier vor allem von grünem Wasserstoff – sein. Ein Thema, dem sich APA-Science übrigens im Oktober ausführlich gewidmet hat. Für eine Umstellung der globalen Schifffahrt wären jedenfalls enorme Mengen notwendig. "Hier muss man in Gebiete gehen, etwa Südamerika oder arabische Länder, wo ausreichend Erneuerbare Energie verfügbar ist, und dann einen Weg finden, um einen Transport des dort produzierten Kraftstoffes zu ermöglichen. In Europa selbst werden wir diese Mengen nicht herstellen können", so Wimmer.
Motoren für unterschiedliche Kraftstoffe nachrüstbar
Am schwierigsten einzuschätzen sei, in welche Richtung die Entwicklung gehe, ob sich Methanol, Ammoniak oder etwas anderes durchsetzen werde. "Das macht die Planung für alle Beteiligten, von den Motorenherstellern bis zu den Betreibern von Hafeninfrastruktur, extrem mühsam. Man kann ja kaum eine Infrastruktur für Methanol, eine für Ammoniak und parallel eine für LNG, die man später mit synthetischem Erdgas fahren könnte, aufbauen", gab der Professor zu bedenken. Die Motorenhersteller würden derzeit auf "Dual-Fuel"-Motoren setzen, die für unterschiedliche Kraftstoffe nachrüstbar seien. Da die Zeit dränge, müsse parallel auch an den rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen gearbeitet werden.
An welchen Stellschrauben sonst noch gedreht werden könnte, um die Schifffahrt in nachhaltigeres Fahrwasser zu bringen, haben die Stakeholder des Marinebereichs kürzlich beim LEC Sustainable Shipping Technologies Forum diskutiert, das aus bekannten Gründen online stattfand. Die Palette reichte dabei von grüner Hafeninfrastruktur und alternativen Antriebskonzepten über die Reduzierung von Fahrwiderständen bis zum Monitoring der Schiffsemissionen.