Europäische Impfwoche - Lebenslanges Impfen notwendig
Impfungen sind in jedem Lebensalter wichtig. Manche Immunisierungen von Schwangeren schützen bereits die Neugeborenen. Im höheren Lebensalter macht eine zunehmende Schwächung des Immunsystems diese Vorsorgemaßnahmen noch wichtiger. Die EU ist bei Forschung und Produktion von Vakzinen in einer sehr guten Position, hieß es am Montag bei einer Pressekonferenz des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller.
Derzeit läuft die Europäische Impfwoche. Damit soll die Bedeutung der Immunisierungen breit in die Öffentlichkeit getragen werden. Das gilt für alle Altersgruppen. "Bei der Geburt ist das Immunsystem des Neugeborenen noch nicht vollständig ausgereift", betonte Birgit Weinberger vom Institut für Biomedizinische Altersforschung an der Universität Innsbruck das Faktum, dass sogar schon Impfungen im ersten Schwangerschaftsdrittel Mütter, Ungeborene und Neugeborene schützen können.
Auf der anderen Seite der Skala ist die Situation betagter Menschen. Die Expertin: "Hier kommt es zur Immunseneszenz, in der das Immunsystem auf vielen Ebenen nachlässt." Zusammen mit im Alter häufiger vorliegenden chronischen Grunderkrankungen und/oder notwendigen, die körpereigene Krankheitsabwehr schwächenden Therapien (z.B. bei Rheuma, Krebs etc.), kann sich hier eine große Gefahr auch durch per Impfung verhinderbare Erkrankungen auftun.
Birgit Weinberger zitierte dazu US-Studien. So haben ältere Menschen, die beispielsweise bereits sieben bis neun Grunderkrankungen aufweisen und mit einer Influenza zum Arzt gehen, praktisch ein hundertprozentiges Risiko, deshalb auch im Spital zu landen. Umgekehrt führt eine Influenza selbst oft zur Verschlechterung der chronischen Grunderkrankungen bzw. dazu, dass sich der Zustand der Betroffenen insgesamt anhaltend verschlimmert.
In einer Studiengruppe mit 346 Risikopersonen in den Vereinigten Staaten zeigte sich laut der Expertin, dass zwölf Prozent die Influenza nicht überlebten. Weitere 20 Prozent hatten eine Verschlechterung ihres funktionellen Status, elf Prozent kamen aus der Infektion am Ende nur mit einer katastrophalen Schwächung heraus. Impfschutz, zum Teil auch kürzere Immunisierungs-Intervalle wegen der geringeren Antwort des Körpers auf die Vakzine und wegen eines schnelleren Verlustes der Schutzwirkung, sei deshalb im Alter besonders wichtig.
Vielzahl an neuen Vakzinen
In den kommenden Jahren dürfte es viele neue Vakzine geben. "Es wird an einer Vielzahl von neuen Impfstoffen geforscht. Im Moment sind hundert Kandidatimpfstoffe in Entwicklung. 92 sind als prophylaktische Vakzine geplant, acht als therapeutische Vakzine. Elf der in Entwicklung befindlichen Impfstoffe sollen gegen Pathogene eingesetzt werden, bei denen es bereits Resistenzen gegen Antibiotika gibt. 81 Prozent sind für Erwachsene gedacht, 32 Prozent für Kinder", sagte Renee Gallo-Daniel, Präsidentin des Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH). 52 Prozent der Kandidatvakzine sollen vor Infektionen schützen, die über die Atemwege übertragen werden, 45 Prozent überhaupt neue Indikationen (bisher nicht per Impfung verhinderbare oder behandelbare Erkrankungen) umfassen.
Jede Vakzine kann aber nur wirken, wenn sie auch - wie es bei der Pressekonferenz hieß - "im Arm" zu Schützender per Injektion landet. Hier hat Österreich trotz des kostenlosen Kinderimpfungsprogramms und teilweise auch anderer Aktionen noch immer Aufholbedarf. "Gegen die FSME sind mehr als 80 Prozent der Österreicher geimpft, gegen die Influenza bei zuletzt sinkenden Zahlen nur 16 Prozent", sagte Renee Gallo-Daniel. Hier soll aber in der kommenden Saison laut derzeitigen Ideen die öffentliche Hand die Kosten auch für die Erwachsenen übernehmen.
Die Forderungen des Impfstoffhersteller-Verbandes: Erstellung eines Impfkonzepts auch für Erwachsene, flächendeckende Impfprogramme für alle Menschen mit breiterer Finanzierung und Aufklärungskampagnen. Impfungen sollten möglichst niederschwellig erhältlich sein. Jeder Arztbesuch sollte auch zur Kontrolle des Impfstatus führen.
Insgesamt sind Österreich und die EU bei den Impfstoffen in einer guten Position, sagte Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig (Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs): "Europa stellt nach wie vor das Herz der weltweiten Impfstoffforschung und der Impfstoffproduktion dar. 76 Prozent der weltweit hergestellten Impfdosen - exklusive Covid-19 - stammen aus 27 europäischen Produktionsstätten in elf Ländern." In Europa würden pro Jahr rund 1,7 Milliarden Impfstoffdosen produziert, etwa 50 Prozent davon gingen an humanitäre Impfprogramme.
Im Gegensatz zur Situation rund um stark unter Kostendruck stehende - oft trotzdem lebensrettende - Generika, bei denen die Produktion in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend nach China und Indien verlagert wurde, ist der Vakzine-Sektor wegen seiner Komplexität in Forschung und Herstellung in Europa geblieben. "Die Impfstoffproduktion ist die 'Haute Cuisine' der Arzneimittelproduktion", erklärte Herzog. In Österreich gibt es vier Forschungs- und Produktionsstätten für Vakzine (Orth/Donau und Krems in NÖ, Wien und Kundl in Tirol).