Impfungen - Nebenwirkungen: Nicht angenehm, keine größeren Bedenken
Müdigkeit, Kopfweh, Schmerzen an der Einstichstelle - auf die Möglichkeit solcher bei Impfungen üblichen Nebenwirkungen müssen sich Menschen auch nach einem Pikser gegen das Coronavirus einstellen. Das geht aus einer im "New England Journal of Medicine" veröffentlichten Studie zu den Impfstoff-Tests der Mainzer Firma Biontech und des US-Pharmakonzerns Pfizer hervor. Impfexperten sagen: Nicht angenehm, aber auch kein Anlass für größere Bedenken.
Für die Studie wurden von Ende Juni bis Mitte November 44.820 Männer und Frauen untersucht. Etwa die Hälfte von ihnen bekam zweimal den Impfstoff verabreicht, der Rest ein Placebo. Je nach Altersgruppe und ob es sich um die erste oder zweite Dosis handelte, gaben 66 bis 83 Prozent Schmerzen an der Einstichstelle an. Bei fünf bis sieben Prozent zeigten sich Rötungen oder Schwellungen an der Stelle.
Weitere Symptome waren Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Durchfall oder Muskel- und Gliederschmerzen. Besonders bei der zweiten Impfdosis bekam ein Teil der Teilnehmer Fieber. Diese Nebenwirkungen waren der Studie zufolge im Allgemeinen schwach bis mäßig und klangen nach kurzer Zeit wieder ab.
Vergleichbar mit Gürtelrosen-Impfstoff
Solche Begleiterscheinungen sind bei Impfungen üblich. Im Vergleich zu vielen etablierten Impfstoffen wie etwa dem gegen Grippe treten die Nebenwirkungen aber vergleichsweise stärker auf. Impfexperten verglichen die Reaktionen mit denen nach Gabe eines Gürtelrose-Impfstoffs. Kein Grund aber, stärkere Bedenken zu tragen, sagte Stefan Kaufmann, emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie: "Es ist halt ein bisschen unangenehm."
Über die leichteren Beschwerden hinaus gab es vereinzelt schwerwiegendere "unerwünschte Ereignisse". 64 Geimpfte berichteten über geschwollene Lymphknoten. Je eine Person meldete eine Schulterverletzung, Herzrhythmusstörungen sowie Parästhesie im Bein, also Taubheitsgefühl. Die Verträglichkeit des Impfstoffs wird auch nach der Zulassung weiter überprüft.
Auch für Allergiker sicher
Die Impfung ist laut aktuellem Wissensstand auch für Allergiker und -innen sicher. Das betonten die AG Allergologie und die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) in einer gemeinsamen Aussendung.
mRNA-Impfstoffe - wie jene von Biontech/Pfizer und Moderna - übermitteln dem Körper den Bauplan für ein Virus-Antigen, das dann in den Zellen hergestellt wird und eine Immunisierung bewirkt. "Die in den Zulassungsstudien und ersten Publikationen zu den mRNA-Impfungen bekannt gewordenen Nebenwirkungen sind häufig, erwartbar, mild sowie zeitlich limitiert", hielt Wolfram Hötzenecker, Vorsitzender der AG Allergologie, fest. Die Bevölkerung müsse aufgeklärt statt abgeschreckt werden.
Die pauschale Empfehlung der britischen Arzneimittelaufsicht, aufgrund von zwei Zwischenfällen im Land, jede Person mit einer zuvor bekannten Sofortreaktion auf einen Impfstoff, ein Medikament oder ein Nahrungsmittel von einer Impfung durch den Biontech/Pfizer-Wirkstoff auszuschließen, scheint Heinz Kofler, Leiter des Allergieambulatoriums Hall in Tirol, als "nicht gerechtfertigt". "Durch sorgfältige Vorbereitung, Durchführung und 15- bis 30-minütige Nachbeobachtung können eventuell dennoch auftretende allergische Zwischenfälle schnell erkannt und gut abgefangen werden", sagte er.
Totimpfstoffe auch bei immunsupprimierten Patienten einsetzbar
Bei Patientinnen und Patienten unter laufender immunsuppressiver oder immunmodulierender Therapie dürfen keine Lebendimpfstoffe verabreicht werden. "Totimpfstoffe sind dagegen uneingeschränkt einsetzbar", erklärte Hans Skvara von der ÖGDV. mRNA-Impfstoffe seien als Totimpfstoffe anzusehen und dürften bei Patienten mit Psoriasis und unter immunsuppressiver oder immunmodulierender Therapie keine Gefahr darstellen: "Zumindest liegen keine gegenteiligen Studien vor."
Generell seien allergische Vorerkrankungen kein bekannter Risikofaktor für eine Covid-19-Impfung, bekräftigten die Fachgesellschaften. Die Impfung könne jedoch selten zu allergologischen Nebenwirkungen führen. "Impfen ist daher eine ärztliche Aufgabe, die immer unter entsprechenden Sicherheitsbedingungen erfolgen muss", sagte Stefan Wöhrl von der AG Allergologie. "Die Stigmatisierung allergischer Patienten, bei denen in der Vergangenheit ein Zwischenfall nach Gabe von Impfstoffen, Medikamenten oder Nahrungsmitteln vermutet wurde, ist derzeit nicht ausreichend begründet", gab sich Wöhrl überzeugt.
EU hätte mehr Corona-Impfstoff bestellen können
Die Europäische Union hätte nach einem "Spiegel"-Bericht mehr von dem Corona-Impfstoff der Hersteller Biontech und Pfizer kaufen können als die bestellten bis zu 300 Millionen Dosen. Biontech habe bis zu 500 Millionen Einheiten angeboten, zitierte das Magazin aus Verhandlungskreisen. Auch die Firma Moderna hätte der EU mehr von ihrem Impfstoff liefern können als die vereinbarten bis zu 160 Millionen Einheiten, sagte Unternehmenschef Stephane Bancel dem "Spiegel".
Die beiden Impfstoffe sind die ersten, die in der EU mit einer Zulassung rechnen können. Im Falle von Biontech/Pfizer wird dies für kommende Woche erwartet, bei Moderna Anfang Jänner. In Österreich wird am 27. Dezember mit den Impfungen begonnen.
Ein Sprecher der EU-Kommission wollte sich nicht zum Verlauf der Verhandlungen mit den Pharmafirmen äußern, die die Brüsseler Behörde im Auftrag aller 27 EU-Staaten geführt hat. Er sagte jedoch, Ziel sei ein breites Portfolio verschiedener Anbieter mit unterschiedlichen Technologien gewesen. So hätten sich die Chancen erhöhen lassen, ein wirksames und preiswertes Vakzin gegen das Coronavirus zu bekommen.
Der Preis der nach einem neuartigen Verfahren entwickelten Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna liegt um ein Vielfaches höher als bei herkömmlichen Mitteln, wie sie etwa Astrazeneca auf den Markt bringen will. Dieser herkömmliche Impfstoff bräuchte auch nicht bei extrem niedrigen Temperaturen gelagert werden. Allerdings verläuft deren Entwicklung derzeit langsamer, der Zeitpunkt der Zulassung ist offen.
Die Impfungen werden jedoch ohnehin Monate in Anspruch nehmen. Um die Corona-Pandemie zu stoppen, müssten nach Schätzung von Experten etwa 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft werden.