Klima-Bericht warnt vor schweren Naturkatastrophen
Die Erde wird sich bei der derzeitigen Entwicklung bereits gegen 2030 um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmen und damit zehn Jahre früher als 2018 prognostiziert. Dies geht aus dem am Montag veröffentlichten Bericht des Weltklimarats IPCC hervor. Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad, mindestens aber deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief die "Alarmstufe Rot" aus.
Diese Meldung wurde aktualisiert. Neu: Reaktion von Klimaaktivistin Thunberg im letzten Absatz
"Die Glocken tönen ohrenbetäubend. Sie müssen das Ende von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen einläuten, bevor diese unsere Erde zerstören." Einige Auswirkungen der Erderwärmung wie der Anstieg der Meeresspiegel und das Schmelzen der Gletscher sind laut Weltklimarat IPCC bereits heute "unumkehrbar". Selbst bei einer drastischen Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen würden die Meeresspiegel weiter ansteigen und "für tausende Jahre erhöht bleiben", heißt es in dem am Montag veröffentlichten Sachstandsbericht des IPCC. Die Meeresspiegel könnten demnach bis zum Jahr 2100 um bis zu einen Meter steigen.
Erster Bericht seit acht Jahren
Der Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) ist der erste seit acht Jahren. Er fasst im Auftrag der knapp 200 UN-Staaten die wissenschaftliche Ergebnisse der vergangenen Jahre zusammen. 2022 soll er noch durch zwei weitere Kapitel ergänzt werden. Die Fakten sind alarmierend: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass Episoden mit Starkniederschlägen in den meisten Regionen mit einer weiteren Klimaerwärmung intensiver und häufiger werden", heißt es. Belegt ist auch, dass der Meeresspiegel weiter ansteigt und das Eis weiter schmilzt. "Sehr wahrscheinlich" heißt: mit 90 bis 100-prozentiger Sicherheit.
Selbst, wenn es gelingen sollte, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, dürfte der Meeresspiegel Ende des Jahrhunderts um bis zu 62 Zentimeter höher sein als 1995-2014. Klimaneutralität heißt, dass nur noch höchstens so viel Treibhausgas ausgestoßen wird wie Senken aufnehmen können. "In der Arktis sind Dreiviertel des Meereisvolumens im Sommer schon abgeschmolzen", sagte Mitautor Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie. "Wir werden es vermutlich nicht mehr verhindern können, dass das Nordpolarmeer bis 2050 im Sommer zumindest in einzelnen Jahre weitgehend eisfrei sein wird."
Unsicherheiten in Modellen reduziert
Der Weltklimarat beleuchtete die physikalischen Grundlagen zuletzt 2013. Seitdem hätten sich Unsicherheiten in den Klimamodellen deutlich reduziert. Anders als damals stellt die Wissenschaft jetzt klar fest: Wenn die Treibhausgas-Emissionen nicht sehr schnell heruntergefahren werden, wird das Ziel, die Erwärmung auf unter zwei Grad über vorindustriellem Niveau zu begrenzen, scheitern. Zudem könnten mehr Klimaveränderungen direkt auf den Einfluss des Menschen zurückgeführt werden, sagte Mitautorin Veronika Eyring von der Universität Bremen.
"Es ist zweifelsfrei, dass der menschliche Einfluss die Atmosphäre, den Ozean und das Land aufgeheizt hat", heißt es in dem Bericht. "Menschlicher Einfluss hat das Klima so aufgeheizt, wie es seit mindestens 2000 Jahren nicht mehr vorgekommen ist. (...) 2019 war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre höher als zu jedem anderen Zeitpunkt seit mindestens zwei Millionen Jahren."
Auch Horrorentwicklungen nicht auszuschließen
Der Weltklimarat nennt auch zwei Horrorentwicklungen, die zwar unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen seien. Zum einen ist das ein Anstieg des Meeresspiegels um zwei Meter bis Ende des Jahrhunderts, je nachdem, wie der Eisschild der Antarktis weiter schmilzt. Zum anderen ist das ein Kollaps der Atlantische Umwälzströmung (AMOC), die schon an Fahrt verloren hat. Sie verteilt kaltes und warmes Wasser im Atlantik und beeinflusst etwa den für Milliarden Menschen wichtigen Monsun in Afrika und Asien. Ein Zusammenbruch des Systems, zu dem auch der Golfstrom gehört, hätte auch Auswirkungen auf Europa.
Die globalen Mitteltemperatur liegt nach diesem Bericht für den Zeitraum 2011 bis 2020 knapp 1,1 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900). Laut Pariser Klimaabkommen wollen die Staaten die Erderwärmung unter zwei Grad halten, möglichst bei 1,5 Grad. "Wenn wir die Emissionen nicht schnell genug herunterfahren und bis etwa 2050-2070 netto-null erreicht haben, werden wir beide Pariser Klimaziele verfehlen", sagte Mitautor Douglas Maraun von der Universität Graz.
Fünf Szenarien
Der Weltklimarat entwirft fünf Szenarien. Darunter sind zwei, in denen die Welt etwa 2050 Klimaneutralität erreicht und danach mehr CO2 speichert als ausstößt. Nur damit könnte der Anstieg der Mitteltemperatur Ende dieses Jahrhunderts bei 1,8 Grad oder darunter bleiben.
Bei gleichbleibenden Emissionen bis 2050 würde die Temperatur Ende dieses Jahrhunderts um 2,1 bis 3,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. In zwei weiteren Szenarien mit mindestens der Verdoppelung der CO2-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts wäre ein Anstieg der Temperatur um bis 5,7 Grad möglich.
Ein Realitätscheck: Die Energie-Agentur der US-Regierung (EIA) hat 2019 berechnet, dass der CO2-Ausstoß wegen der erst beginnenden Industrialisierung vieler Länder bis 2050 von heute im Jahr rund 36 Milliarden Tonnen auf mehr als 42 Milliarden Tonnen wächst. China produziert zur Zeit das meiste Treibhausgas, etwa ein Viertel der Gesamtmenge, vor den USA mit 18 und der EU mit 17 Prozent. Der Anteil der CO2-Emissionen, die in Senken wie Wäldern oder Ozeanen aufgenommen werden und nicht in der Atmosphäre bleiben, liegt nach dem Bericht bei etwa 44 Prozent.
Bericht von mehr als 230 Forschenden
Der Bericht wurde von mehr als 230 Forschenden aus 66 Ländern verfasst. Die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger wurde von den 195 IPCC-Mitgliedsländern einstimmig abgesegnet. Klimaaktivistin Greta Thunberg ist von den im neuen Bericht des IPCC formulierten Erkenntnissen nicht überrascht. "Der neue IPCC-Bericht enthält keine wirklichen Überraschungen. Er bestätigt, was wir schon aus Tausenden vorherigen Studien und Berichten wissen - dass wir uns in einem Notfall befinden", schrieb die Schwedin am Montagvormittag auf Twitter und Instagram. Es handle sich um eine solide, aber vorsichtige Zusammenfassung des derzeitigen Wissensstands.