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Gegen Wasserknappheit

Es stellt sich vermehrt die Frage nach einem sorgsamen Umgang mit Wasser und Technologien zur Wasserwiederverwertung
APA (B. Gindl)
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„Ich hätte mir vor ein paar Jahren nicht gedacht, dass Wasser in Europa einmal ein Problem sein könnte, vor allem in Deutschland und Österreich“, sagte der Geodät Torsten Mayer-Gürr Anfang des Jahres. Anlass für die Aussage war kein Lokalaugenschein, sondern das Ergebnis einer Grundwasservermessung aus dem Weltall, an der der Forscher der Technischen Universität (TU) Graz beteiligt war. Auch diese “Ferndiagnose” bestätigte einmal mehr: Wasser ist ein Thema geworden, in Europa – erst vor Kurzem diskutierten EU-Rat und EU-Kommission über die zunehmende Wasserknappheit – wie auch hierzulande.

Österreichs aktueller Wasserbedarf kann zwar laut Studie „Wasserschatz Österreichs“ aus dem Grundwasser gedeckt werden. Die von den beauftragten Fachleuten mittels Klimaszenarien für Österreich durchgerechneten Zukunftsentwicklungen zeigen aber: Es wird 2050 bis zu 23 Prozent weniger Grundwasser als heute zur Verfügung stehen (derzeit: 5,1 Mrd. Kubikmeter). Der Wasserbedarf wird sich erhöhen, um elf bis 15 Prozent, in einzelnen Gemeinden sogar bis zu 50 Prozent.

Eine aktuelle Studie der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW) hat gezeigt, dass das vergangene Jahr – eines der trockensten Jahre der Messgeschichte – und die vielerorts registrierten Tiefststände beim Grundwasser ein Resultat einer längeren Entwicklung ist. In einer Umfrage, die 83 Wasserversorger umfasste, gaben sechs Prozent an, im Vorjahr Einschränkungen oder Engpässe bei der Versorgung mit Trinkwasser gehabt zu haben, 19 Prozent beobachteten eine außergewöhnliche Absenkung des Brunnenwasserspiegels und 34 Prozent einen außergewöhnlichen Rückgang der Quellschüttung.

Verlustrechnungen

„Die Dringlichkeit im Kontext Wasserknappheit ist vor allem sehr regional zu sehen“, sagt Daniela Fuchs-Hanusch vom Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Landschaftswasserbau der Technischen Universität (TU) Graz und verweist auf besonders betroffene Regionen im Osten Österreichs und in der Südsteiermark. Hier zeigt sich bei den klimatischen Wasserbilanzen „schon rein über veränderte Niederschlagsverteilung und erhöhte Verdunstung, dass wir in Relation zu den vergangenen Perioden mit erhöhten Dürreperioden zu rechnen haben“.

Dabei mahnt die Wissenschafterin gegenüber APA-Science insbesondere bei dem EU-weit weit überdurchschnittlichen Ausmaß von Flächenversiegelung in Österreich zum Innehalten: Über die ausgeprägte Flächenversiegelung werde massiv in den regionalen Wasserhaushalt eingegriffen, da Niederschlag nicht lokal versickert, sondern, meist in verschmutzter Form, in Kanälen abfließt. Überall wo neu gebaut wird, muss gewährleistet sein, dass Regenwasser versickert und nicht in den Kanal fließt, sagt auch Günter Langergraber vom Institut für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz der Boku Wien.

Für Christine Stumpp vom Boku-Institut für Bodenphysik und landeskulturelle Wasserwirtschaft wird es in Zukunft immer wichtiger, Wasser lokal zurückzuhalten, wo es gebraucht wird: „Man sollte die Versickerung von sauberem Regenwasser in großen Mengen ermöglichen, ohne dass viel Wasser verdunstet, so dass es im Untergrund längerfristig gespeichert werden kann.“

Auf einen Blick

Das große Wasservorkommen in Österreich hat lange beruhigt. Die Folgen von Klimawandel und Extremwetterereignissen zeigen aber eindrücklich, dass ein sorgsamer Umgang mit der kostbaren Ressource immer wichtiger wird. Experten und Expertinnen sprechen sich für ganzheitliche Konzepte aus, um eine effiziente Wassernutzung und technologische Lösungen anzugehen.

Facts
Nutzung und Nexus

 

Der Wasserbedarf in Österreich verteilt sich laut Zahlen des Landwirtschaftsministeriums zu 70 Prozent auf Industrie und Gewerbe, 24 Prozent entfallen auf die Wasserversorgung und vier Prozent auf die Landwirtschaft. Doch: Etwa zwei Drittel ihres Wassers nutzt die Industrie für Kühlung, es stammt hauptsächlich aus Oberflächengewässern und wird wieder in diese rückgeführt. Und Daten zur Wassernutzung in der Landwirtschaft sind schwer zu erheben.

 

„Der landwirtschaftlich relativ niedrige Verbrauch in Österreich ist untypisch. Hier fällt der Niederschlag aber zur richtigen Zeit: im Frühjahr und damit günstig für den Anbau“, so Norbert Kreuzinger aus dem Forschungsbereich Wassergütewirtschaft der  TU Wien, der zu Wassergüte und Ressourcenverbrauch forscht. Das reduziert den Druck auf die Landwirtschaft, aber nicht beim Thema an sich.

 

Es gehe vor allem ums Wassermanagement und darum, den räumlichen Bedarf mit der Verfügbarkeit sowie konkurrierenden Nutzungskonflikten in Einklang zu bringen. „Die Herausforderungen im Kontext Nexus Wasser, Energie und Ernährung, also einer entsprechenden kooperativen, politisch geregelten Abstimmung z. B. zwischen Wasserversorgern, Wasserkraftwerksbetreibern, landwirtschaftlichen Betrieben und zunehmend auch dem Schutz von Biodiversität, stellen sich immer stärker auch in Österreich“, sagt auch Fuchs-Hanusch. Im Burgenland gebe es erste Initiativen, die zeigen, wie die kostbare Ressource H2O verhandelt werden kann – auch wenn im äußersten Notfall die Trinkwasserversorgung an erster Stelle steht.

Die Herausforderungen im Kontext Nexus Wasser, Energie und Ernährung stellen sich immer stärker auch in Österreich. Daniela Fuchs-Hanusch, TU Graz

Wasserwiederverwendung

Die Prognosen und Eindrücke aus jüngsten Trockenperioden, hohe Verdunstungsraten von Oberflächengewässern in Trockenzeiten, aber auch Überflutungen nach Starkregenereignissen offenbaren auch die Bedeutung eines integrierten Gewässermanagements.

Dazu zählt auch die Wasserwiederverwendung. „In Österreich wird die Wassersituation in den kommenden ein bis zwei Jahrzehnten noch nicht so schlimm sein, dass man viel auf Wasseraufbereitung zurückgreifen muss“, sagt Günter Blöschl vom Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie der TU Wien. Schreitet die Klimakrise aber voran wie bisher, könnte das durchaus nötig werden.

>> Zum Weiterlesen: „Wasserwiederverwertung –
auch zur Entlastung von Gewässern“

Aufgedrehte Schleusen: Wasserbau-Großlabor in Wien wurde eröffnet

Nach rund zehnjähriger Planung und dreijähriger Bauzeit wurde das neue Wasserbaulabor der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien am 12.6. offiziell seine Schleusen. Am Brigittenauer Sporn, zwischen Donau und Donaukanal, sind in einem großen Neubau nun maßstabs- und naturgetreu Gewässer- und Strömungsexperimente mit weltweit einzigartigen Durchflüssen von 10.000 Liter pro Sekunde ohne Pumpen möglich. Die Eröffnung der großformatigen Einrichtung findet am Montagnachmittag statt

KLIMA-GLOSSAR: GRUNDWASSERVORRAT / BEW€SSERUNG / BEW€SSERUNGSANLAGE / LANDWIRTSCHAFT / GRUNDWASSER / KLIMA
… in der Landwirtschaft:

 

In der Landwirtschaft ist sie – hierzulande – aber noch kein Thema. Gründe sind u.a. die Kosten, die mit der Aufbereitung von Abwasser einhergehen. „Grundwasser ist fast überall vorhanden. Um mit Weizen den Jahreskalorienbedarf eines Menschen abzudecken, braucht man etwa 1.000 Kubikmeter Wasser zur Bewässerung. Diese 1.000 Kubikmeter sind in Österreich derzeit noch Teil des natürlichen Regens. Es gibt alles in allem derzeit noch wenig Motive, sich mit der Wiederverwendungsthematik in der Landwirtschaft zu beschäftigen“, sagt Kreuzinger.

 

In Europa ist Abwasserwiederverwendung in der Landwirtschaft aber aktuell ein Thema: Am 26. Juni tritt die EU-Richtlinie zu „Water Reuse“, die u.a. harmonisierte Mindestanforderungen an die Wasserqualität für die sichere Wiederverwendung von behandeltem kommunalem Abwasser für die landwirtschaftliche Bewässerung vorgibt, in Kraft. Österreich plant keine Umsetzung. Derzeit sind es vor allem Abwägungen zu effizienten Bewässerungstechnologien wie auch ressourcenschonendere Fruchtfolgen, die in der heimischen Landwirtschaft als Strategien zur Problembewältigung vorherrschen.

 

Doch: „Ob in Bezug auf das Klimathema oder in Bezug auf Wasser, man muss Veränderungen schrittweise und langfristig angehen. Man kann nicht von heute auf morgen den Schalter umlegen und erwarten, dass Lösungen sofort verfügbar sind“, warnt Kreuzinger vor einer zu starken Zurückhaltung beim Thema. Auch andere Forscher sehen diese Zurückhaltung kritisch.

 

>> Zum Weiterlesen: „Abwasser für die Landwirtschaft?
Danke, (derzeit) kein Bedarf!“

… in der Industrie

Ein zentraler Rohstoff ist Wasser auch für die Industrie. Die Nutzung von Kühlwasser aus den Gewässern und ihre anschließende Rückführung sind ein geschlossener Kreislauf. Aber auch hier braucht es Weitsicht. Wenn sich Gewässer im Zusammenhang mit dem Klimawandel aufheizen oder auch stärker verdunsten, fehlt das notwendige Wasser, um die sogenannte Wärmelast der Industrie abzuführen: „Ein Kühlwasser mit 30 Grad Celsius kann keine zusätzliche Wärme mehr aufnehmen“, sagt Kreuzinger.

Bei industriellen Prozesswässern böte die Nutzung des Grundwassers Vorteile: Es ist partikelfreier und sauberer. Prozesswässer müssten in der Regel stark aufgereinigt werden, um nicht die Produktqualität zu schwächen oder Korrosion zu bewirken. „Sie haben in der Regel höhere Standards zu erfüllen als unser Trinkwasser mit entsprechend aufwendigen Aufbereitungstechnologien“, so der Forscher.

Bei Technologien zur Wasserwiederaufbereitung hat sich einiges getan. Als ein sehr hoffnungskräftiger Ansatz im Bereich neuer Membrantechnologien hat etwa das Leobener Start-up fluvicon mit Hilfe der Osmose einen neuen Zugang zur Wasseraufbereitung aufgezeigt – für Meerwasser bis zu industriellem und kommunalem Abwasser. Auch biologische Verfahren und Ionen-Austausch-Technologien gelten als vielversprechend. „Alle diese Verfahren haben Vor- und Nachteile“, sagt Kreuzinger. Hier brauche es ganzheitliche Ansätze, um tatsächlich nachhaltig zu handeln und Lösungen zu finden, wie man mit etwaigen hochkonzentrierten Abfallprodukten, die im Rahmen der Prozesse entstehen, umgeht. Das gilt besonders in jenen Fällen, bei denen Schadstoffe nicht im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft wiederverwendet könnten.

Insgesamt lässt sich aber festhalten: Schaut man sich das industrielle Abwasser an, hat sich die Situation in den vergangenen drei, vier Jahrzehnten massiv verbessert. Unerwünschte Schaumkronen auf Gewässer gehören weitgehend der Vergangenheit an.

>>> Zum Weiterlesen: „Viel Wasser in der Industrie, aber kühl bitte“

… im urbanen Umfeld und kommunale Abwässer

Insbesondere häusliche Abwässer stehen in Diskussion, wenn es um den sorgsamen Umgang mit Wasser geht. Pro Jahr fallen in Österreich 1.094 Mio. Kubikmeter kommunales Abwasser an. Gerade bei der Bewässerung bietet sich ein Umdenken, hin zur Nutzung von aufbereitetem Abwasser, an. Das geht auch ohne High-Tech, wie ein Projekt von Wiener Forschern gezeigt hat. Hier wurden grüne Hausfassaden erfolgreich mit Grauwasser bewässert, also Haushaltsabwasser ohne Fäkalien und Urin. Pro Person fallen in Österreich im Schnitt täglich immerhin 60 Liter Grauwasser an. Das vorgestellte Verfahren ermögliche eine „Wasserwiedernutzung“, unter Umständen auch gepaart mit Regenwassernutzung, und ohne Einsatz von Trinkwasser, erklärte Bernhard Pucher von der Boku Wien bei der damaligen Projektpräsentation.

Grauwasser könne man aus den Abflüssen der Spülen, Duschen und Badewannen sammeln, so Thomas Ertl vom Institut für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz der Boku Wien. Damit wäre es nach einfachen Reinigungsschritten möglich, Pflanzen in den Parks und Straßen zu gießen und Toiletten zu spülen. Dies würde Trinkwasser sparen und so die Grundwasservorkommen schonen. Dazu müsste man zusätzliche Rohre verlegen. „Das Traurige ist, dass alle Bauträger, mit denen wir gesprochen haben, nicht bereit dazu waren, die geringen Mehrkosten dafür in Kauf zu nehmen und ein paar Quadratzentimeter für diese Rohre zu opfern, die aber vielleicht erst in einigen Jahren genutzt werden würden“, sagt Ertl.

Regenwasser von Straßen, Dächern und Fassaden

 

Regenwasser rinnt in vielen Orten von den Straßen, Dächern und Fassaden in die Kanalisation und durchläuft anschließend eine Kläranlage. Dies passiert nicht ohne Grund. Vor allem der erste Schwall an Regenwasser nimmt von den Straßen problematische Substanzen wie Schwermetalle etwa vom Reifen- und Bremsenabrieb auf, so Thomas Ertl. Der Oberflächenabfluss von stark befahrenen Straßen ist demnach nicht sauber genug für die Bewässerung, oder um in das Grundwasser sowie Oberflächengewässer geleitet zu werden.

 

„Man könnte mit diesem Oberflächenabfluss eine größere Menge an Grundwasser neu bilden, aber riskiert dadurch eine schlechtere Qualität“, erklärt Stumpp. In der Kläranlage werden Schwermetalle jedoch effektiv herausgefiltert, sie landen dort im Klärschlamm, so Ertl. Auch wenn das Wasser über Hausfassaden rinnt, nimmt es giftige Stoffe auf, sagt Jörg Krampe vom Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement der TU Wien. Viele Putze geben gesundheitsschädliche Substanzen gegen Algenwachstum ab.

„Abwasser als neue Ressource“

„Abwasser als neue Ressource“, so Kreuzinger, sei im Kontext von Wiedergewinnung herausgefilterter Abfallfraktionen aus dem Abwasser bzw. Gewinnung von Phosphor oder anderen “Verunreinigungen” ein wichtiger Ansatz. „Es braucht aber bei der Abwasserwiederverwendung ein striktes Reglement für Gesundheit und Umwelt. Wir haben hier in Österreich im Gegensatz zu anderen Ländern keine Erfahrung. Die eigene Erfahrung kommt aber nur über eigene Forschungsprojekte und ihre Förderung“, befindet Kreuzinger.

>>> Zum Weiterlesen: „Kläranlage als Ressourcenquelle“

Ich glaube, es mangelt uns nicht an technologischen Lösungen, sondern an der Einbettung potenzieller Lösungen. Norbert Kreuzinger, TU Wien

Wiederverwertung: Noch fehlt „das Gefühl“

Bei der Abwasserverwertung fehle in Österreich noch „das Gefühl für die Thematik“: „Wir sind an dem Punkt, wo wir uns aber mehr damit beschäftigen müssen – im Zusammenspiel von Forschung, Behörden, Politik. Ich glaube, es mangelt uns nicht an technologischen Lösungen, sondern an der Einbettung potenzieller Lösungen.“

Wer wisse schon, wie viel ein Kubikmeter Trinkwasser in Österreich kostet? Kreuzinger vermisst die notwendige Wertschätzung für Wasser. Es gehe um ein gesellschaftliches Bewusstsein für Wasser und Abwasser als Ressource – um schnell Maßnahmen gegen die Klimakrise ergreifen zu können und damit auch resilient gegenüber zukünftiger Wasserknappheit zu sein, sagt auch Fuchs-Hanusch.

„Eine weitere Schwierigkeit ist die gesellschaftliche Akzeptanz“, meint Blöschl: „Die Leute trinken nicht so gerne das Wasser, das aus dem Kanal rauskommt, selbst wenn es gereinigt wird.“ Zumindest dann nicht, wenn sie es nicht gewohnt und auf ihr sauberes Wasser so stolz wie in Österreich sind.

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