Längere Trockenheit reduziert Grundwasser, steigert Nutzungskonflikte
2022 war eines der trockensten Jahre der Messgeschichte und vielerorts wurden Tiefststände beim Grundwasser registriert. Dies war nicht nur ein Resultat des vergangenen Sommers, sondern hat sich im Laufe einiger Jahre entwickelt, heißt es in einer am Mittwoch in Wien präsentierten Studie. Bei längeren Trockenperioden werde es angesichts erwarteter Bedarfssteigerung "wahrscheinlich zur Verstärkung von Nutzungskonflikten" kommen", so Studienautor Roman Neunteufel von der Boku.
Der Wissenschafter vom Institut für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) hat im Auftrag der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW) die Studie erstellt. Für ihn war 2022 ein "Stresstest für die Wasserversorger", den diese "gut bestanden haben - aber manche nur sehr knapp". So gaben in einer Umfrage, die 83 Wasserversorger umfasste, sechs Prozent an, im Vorjahr Einschränkungen oder Engpässe bei der Versorgung mit Trinkwasser gehabt zu haben, 19 Prozent beobachteten eine außergewöhnliche Absenkung des Brunnenwasserspiegels und 34 Prozent einen außergewöhnlichen Rückgang der Quellschüttung.
Als Ursache ortet Neunteufel derzeit noch den gestiegenen Verbrauch und noch nicht den Rückgang des Grundwassers, da die Brunnen von Wasserversorgern üblicherweise tief genug seien. Wenn aber der Verbrauch weiter steige, was angesichts des Bevölkerungswachstums zu erwarten sei, und die Grundwasserstände zurückgehen, "kann es eng werden".
Bisher seien auf trockene Jahre meist niederschlagsreichere Perioden gefolgten, in denen Grundwasserressourcen wieder aufgefüllt wurden, heißt es in der Studie. In den vergangenen Jahren zeige sich aber extrem deutlich, dass eine Serie von Niederschlagsdefiziten zu sehr niedrigen Grundwasserständen und angespannten Nutzungsverhältnissen führen und die Quellschüttung schnell zurückgehen könne.
So habe es seit dem Rekordsommer 2015 mit Hitzewellen und extremer Trockenheit mit Ausnahme von nur zwei Jahren laufend regionale bzw. österreichweite Niederschlagsdefizite gegeben. 2021 und 2022 waren insbesondere der Osten und Süden Österreichs mit Niederschlagsdefiziten von bis zu minus 40 Prozent betroffen. Durch den Klimawandel könnte der Ausgleich zwischen trockenen und niederschlagsreicheren Jahren künftig längere Zeit in Anspruch nehmen oder nicht mehr in gewohnter Weise stattfinden. Verschärft wird die Situation durch die seit Mitte der 1980er-Jahre überdurchschnittlichen Temperaturen. Sie führen zu verlängerten Vegetationsperioden und höherer Verdunstung, was sich auf die Grundwasserneubildung auswirken kann.
Mehr Niederschläge ohne Auswirkungen auf Grundwasser
In einer früheren Studie wurden verschiedene Szenarien für Jahresniederschläge und die Auswirkungen auf die Grundwasserressourcen berechnet. Sollte es in den nächsten Jahren mehr Niederschläge geben, was nicht ausgeschlossen sei, da die wärmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann, so Neunteufel, hätte das bis 2050 keine Auswirkungen auf das Grundwasser. Sollten die Niederschläge im Jahresmittel in Österreich aber um acht Prozent zurückgehen, würden bis 2050 die verfügbaren Grundwasserressourcen um 23 Prozent zurückgehen.
Basierend auf diesen Berechnungen hat Neunteufel abgeschätzt, wie sich die aktuelle Entwicklung auswirken würde: Demnach würden bei einer Fortschreibung des Minus bei den Jahresniederschlägen in den Jahren 2015-2022 von vier Prozent (im Vergleich zur Referenzperiode 1991-2020) die verfügbaren Grundwasserressourcen um 16 Prozent zurückgehen. Nimmt man nur das Niederschlagsdefizit von minus 15 Prozent des Jahres 2022 und schreibt es fort, gäbe es Mitte des Jahrhunderts um 35 Prozent weniger Grundwasserressourcen.
Weil in Zukunft mit intensiven Trockenperioden stärker gerechnet werden müsse, "bedeutet dies für die Wasserversorgung, dass die Anpassung an den unaufhaltsamen Klimawandel mittlerweile das Gebot der Stunde geworden ist und bei allen Entscheidungen und Infrastrukturerneuerungen berücksichtigt werden sollte", sagte Neunteufel. Für den Erhalt der Versorgungssicherheit müssten Infrastruktur-Maßnahmen wie Leitungsverbindungen, die Erschließung zusätzlicher Ressourcen sowie rechtzeitige Reinvestitionen in bestehende Anlagen fortgeführt werden, so der Experte.
Österreich und Norwegen seien die einzigen Länder, die ihre Trinkwasserversorgung ausschließlich aus Grund- und Quellwasser beziehen, so Neunteufel. Alle anderen würden dafür auch Oberflächenwasser aus Flüssen und Seen heranziehen, das immer einer Aufbereitung bedürfe. "Von diesem sehr guten Zustand in Österreich wollen wir nicht weg."
Daher "müssen wir etwas tun", sagte ÖVGW-Präsident Wolfgang Nöstlinger. Er mahnt dringend die Entwicklung eines - im Frühjahr bereits von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) angekündigten - bundesweiten Notfallplans für einen Wassermangel-Krisenfall ein, der in einer Modellregion auch praktisch erprobt werden sollte. Weiters fordert er die Messung aller tatsächlich entnommenen Grundwassermengen, um eine jährliche Wasserbilanz erstellen zu können.
"Wir brauchen bei neuen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren auch einen Vorrang für die Trinkwasserversorgung", so Nöstlinger. Und auch wenn Österreich über eines des sichersten Trinkwassernetze verfüge, seien zudem Investitionen und entsprechende Förderungen für den Erhalt und den Ausbau bestehender Anlagen notwendig.
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