"Wenn Hirsche funken"
Knapp 580 Kilometer wird er mit Jahresende zurückgelegt und dabei ein Gebiet von knapp 2.400 Hektar im Nationalpark Kalkalpen erkundet haben. Die Rede ist von Hirsch Ludwig, einem von rund zwei Dutzend besenderten Tieren, die im Rahmen eines mehrjährigen Telemetrie-Projekts mit GPS-Sendern ausgestattet wurden. Das Projekt zur Erforschung der Wildtiere wird von den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf), auf deren Flächen sich der Nationalpark zu überwiegendem Teil befindet, in Zusammenarbeit mit der Nationalpark Gesellschaft durchgeführt und aus Mitteln der EU (ELER=Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums) gefördert.
Wir wissen relativ wenig über die Wanderrouten der Tiere, wo sie sich aufhalten und wie sie die Ruhezonen, die ihnen der Nationalpark bietet, nutzen. Mit diesem Projekt wollen wir die Wanderbewegungen der Rothirsche erforschen und genau dokumentieren. Bis zu siebenmal am Tag senden die Tiere ihren jeweiligen Standort an die MitarbeiterInnen des Forschungsprojekts. Bei ihren Wanderungen durchstreifen die Rothirsche ein rund 50.000 ha großes Gebiet, das sich nicht nur auf die Flächen des Nationalparks Kalkalpen im Reichraminger Hinter- und Sengsengebirge erstreckt, sondern auch umgrenzende Wälder umfasst. Die Daten werden gespeichert und zu ausführlichen Bewegungsprofilen verarbeitet. Ziel ist es, erstmals wissenschaftlich die Auswirkungen der Ruhezonen zu erforschen und das Wildtiermanagement im Nationalpark zu verbessern. Das Telemetrieprojekt läuft bis 2015/16, nach rund 2 Jahren werden erste Auswertungen vorliegen.
Der Nationalpark Kalkalpen ist nicht das einzige Großschutzgebiet, in dem sich die Bundesforste den Rothirschen sprichwörtlich an die Fersen heften: Auch im Nationalpark Donau-Auen, in dem die Bundesforste mit einem eigenen Nationalparkbetrieb vertreten sind und zahlreiche Flächen in das Schutzgebiet einbringen, erforschen die ÖBf-Wildhüter die Wanderbewegungen der Au-Hirsche. Auch hier wollen wir beobachten, wo sich die Tiere bevorzugt aufhalten und wie sie sich etwa bei Hochwasser verhalten. Unterstützt wird das Projekt von der Nationalpark Gesellschaft Donau-Auen und der Universität für Bodenkultur (BOKU).
Die Bundesforste betreuen und bewirtschaften jeden zehnten Quadratmeter Naturfläche in Österreich und sind damit wichtiger Flächengeber für Groß- und kleinere Schutzgebiete. Neben den Nationalparks Kalkalpen und Donau-Auen, in denen die ÖBf mit je einem Nationalparkbetrieb aktiv in das Management und die Betreuung der Nationalparks eingebunden sind, bringen die Bundesforste große Flächen im Nationalpark Hohe Tauern, dem Biosphärenpark Wienerwald sowie dem Wildnisgebiet Dürrenstein, dem einzigen von der IUCN (=International Union for Conservation of Nature) anerkannten Wildnisgebiet Mitteleuropas, ein.
Die Österreichischen Bundesforste verstehen sich im Bereich Forschung und Entwicklung als Impulsgeber für die Wissenschaft und beteiligen sich an zahlreichen nationalen und internationalen Projekten. Als Naturraumbetreuer und -bewirtschafter sind die Bundesforste wie kein anderes Unternehmen vom Klimawandel und seinen Veränderungen betroffen. Einen Schwerpunkt stellen daher die Themen Klimawandel, Erneuerbare Energie und Biodiversität dar, aber auch Waldbau, Wildtier- und Naturraummanagement. Dabei bringen die Bundesforste ihr langjähriges Wissen und ihre praktische Erfahrung ein, aber auch ihre Naturflächen und ihre Arbeitsressourcen und schaffen damit einen engen Austausch zwischen Theorie und Praxis. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten – für die Wissenschaft, die angewandte Theorien in der Praxis erproben kann, und für das Unternehmen, das die angewandte Praxis stets auf aktuellstem Stand der Wissenschaft weiß.
Jüngstes Beispiel der fruchtbaren Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis im Nationalpark ist ein Forschungsprojekt rund um so genannte invasive Neophyten, also nicht-heimische Arten, im Nationalpark Donau-Auen. In den letzten Jahren ist es zunehmend zu einer Ausbreitung gebietsfremder Arten, bei denen es sich häufig um schnell wachsende, wenig anspruchsvolle und konkurrenzstarke Arten wie zum Beispiel Götterbaum, Riesenbärenklau, Robine oder Staudenknöterich handelt, gekommen. Dadurch kann es zu einem verdrängenden Einfluss auf die standorttypische Tier- und Pflanzenwelt und zu einer Verringerung der Artenvielfalt in einer Region kommen. Einige Arten, wie z.B. der Riesenbärenklau, können durch das Auslösen allergischer Reaktionen einen negativen Effekt auf die Gesundheit des Menschen haben. Die Österreichischen Bundesforste haben gemeinsam mit dem Institut für Waldbau an der BOKU und der Nationalpark Gesellschaft einen Leitfaden für den Umgang mit invasiven Neophyten erarbeitet und eine Strategie zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung entwickelt.