Frauen öfter mit Rheuma - Aber spätere Diagnose
Frauen gehen öfter zum Arzt. Trotzdem erfolgte bei ihnen die Feststellung einer Rheumaerkrankung langsamer als bei Männern. Männer haben allerdings schwerere Krankheitsverläufe. Männliche Hausärzte überweisen im Verdachtsfall ihre Patienten später zum Rheumatologen. Darauf machte jetzt die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) im Vorlauf zu ihrem Jahreskongress in Leipzig aufmerksam.
Katinka Albrecht vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum in Berlin hat vor kurzem eine Übersichtsarbeit über die Geschlechterunterschiede in Diagnostik und Therapie verschiedener Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises veröffentlicht. Das Thema hat hohe Relevanz, immerhin kann man davon ausgehen, dass rund ein Viertel der Menschen in irgendeiner Art von einer der vielen Erscheinungsformen dieser Leiden betroffen ist.
"Bei der Mehrzahl der rheumatischen Erkrankungen ist der Anteil an betroffenen Frauen größer als der der Männer. Dies betrifft vor allem Kollagenosen (Weichteilerkrankungen; Anm.) und die rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis, Gelenksrheuma; Anm.). (...) Nur wenige entzündlich-rheumatische Erkrankungen, wie beispielsweise Morbus Behcet (aus der Reihe rheumatischer Gefäßentzündungen; Anm.) betreffen häufiger Männer", schrieb die Fachgesellschaft der deutsche Rheumatologien.
Doch die Medizin reagiert auf diese Fakten offenbar nicht ausreichend. "Umso verwunderlicher erscheint es, dass Frauen im Durchschnitt deutlich später eine Diagnose erhalten", erklärte Uta Kiltz, Oberärztin am Rheumazentrum Ruhrgebiet. Dafür gibt es aber auch eine mögliche Erklärung: Der Krankheitsverlauf ist bei Männern oft schwerer. Deshalb zeigen sich Schäden an Organen früher und geben eher Hinweise auf eine rheumatische Erkrankung. Auch Rheuma-Laborparameter weisen bei Männern oft früher auf eine solche Erkrankung hin.
"Typische" geschlechtsspezifische Hürden
"Hinzu kommt, dass Frauen ein vielfältigeres Bild an Symptomen zeigen, was eine eindeutige Diagnose zusätzlich erschweren kann", erläuterte die Expertin. Diese Unterschiede ließen sich unter anderem auf hormonelle, immunologische und (epi)genetische Unterschiede zurückführen.
Es existieren aber offenbar auch "typische" geschlechtsspezifische Hürden in der medizinischen Versorgung. "Eine kanadische Analyse offenbarte außerdem, dass männliche Hausärzte unabhängig vom Geschlecht der Patienten später eine rheumatologische Überweisung veranlassten als ihre Kolleginnen. Folglich kann auch das Geschlecht der behandelnden Ärzte zu Unterschieden in der Versorgung beitragen", schrieb die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie.
Ob sich die Wirksamkeit von Medikamenten zwischen den Geschlechtern unterscheidet, ist umstritten. Erwiesen ist, dass immunsuppressive Therapien bei Frauen weniger dauerhaft wirken und sie im Vergleich zu Männern deutlich seltener das Therapieziel einer niedrigen Krankheitsaktivität erreichen. Eine Ursache dafür könnte sein, dass Frauen in der Selbstauskunft die Krankheitsaktivität höher als Männer einschätzen.
Außerdem können rheumatische Erkrankungen soziale und psychologische Folgen haben, die sich bei Männern und Frauen unterschiedlich auswirken. Dies hängt auch mit Unterschieden in den gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenbildern zusammen. "Die Ergebnisse zeigen, dass die Rheumatologie hier Nachholbedarf hat. Wir müssen die geschlechtsspezifischen Krankheitsausprägungen besser verstehen und diese Erkenntnisse in die Diagnostik und Therapie einfließen lassen", betonte auch der Leipziger Rheumaspezialist Christoph Baerwald.