"Stiftungen können etwas erreichen - wenn man sie nur lässt"
Klimakrise, Gesellschaft, Philanthropie und Demokratie: Das sind die thematischen Schwerpunkte der Jahreskonferenz des European Foundation Centre (EFC) vom 18. bis 20. Oktober in Wien. Im Fokus sollen aber auch die aus Sicht der gemeinnützigen Stiftungen ungünstigen rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich stehen, erklärte Boris Marte, CEO der Erste Stiftung, gegenüber APA-Science: "Stiftungen können etwas erreichen - wenn man sie nur lässt."
Aktuell sind nach Angaben der Erste Stiftung rund 740 gemeinnützige Stiftungen in Österreich tätig. Insgesamt schütten sie jährlich schätzungsweise 50 bis 70 Millionen Euro für gemeinnützige Zwecke aus. Geht es nach Marte, dann wäre hier noch viel mehr möglich - allein, bürokratische und steuerliche Hürden stehen im Weg. "Wir leben in einem steuer- und budgetrechtlich kameralistischen* System , das es fast unmöglich macht, gemeinnützige Stiftungen zu gründen, geschweige denn zu führen", so Marte.
KESt-Befreiung als zentrale Forderung
Eine zentrale Forderung ist etwa die Umsetzung der im aktuellen Regierungsprogramm verankerten KESt-Befreiung für ökologische bzw. ethische Investitionen. Denn noch sei es so, dass eine Stiftung Kapitalertragssteuer (KESt) zahlen müsse, wenn sie eine soziale Einrichtung unterstützt. "Als Stiftung tun wir uns schwer, mit sozialen Organisationen ein Kooperationsverhältnis einzugehen, weil wir immer die volle Steuerlast abkriegen", sagte der Experte. Lediglich Organisationen, die auf der "Liste spendenbegünstigter Einrichtungen" des Finanzministeriums aufscheinen, sind davon ausgenommen. Allerdings sei es eine "hoheitliche Entscheidung", wer auf diese Liste kommt, kritisierte Marte.
Zudem erschwere ein veralteter Gemeinnützigkeitsbegriff in der Bundesabgabenverordnung die Unterstützung sozialer Organisationen, weil die Gemeinnützigkeit darin an die Unmittelbarkeit geknüpft ist. Marte illustrierte das anhand eines Beispiels: Schenkt man etwa als Stiftung selbst Bedürftigen Suppe aus, dann sei das gemeinnützig. Finanziert man jedoch jemanden anderen, Suppe auszuschenken, unterliege das der KESt.
Als Reaktion auf diese Hürden hat die Erste Stiftung mit der Investition in zwei Social Impact Bonds (SIB) eine alternative Form der Finanzierung unternommen. Dieses laut Sozialministerium "wirkungsorientierte Finanzierungsinstrument für Projekte im sozialen Sektor" unterliegt messbaren, verbindlichen Zielvorgaben und erst nach deren Erreichung wird das Projekt auch von der öffentlichen Hand bezahlt. Franz Karl Prüller, Berater des Vorstands der Erste Stiftung, sieht in diesem Modell grundsätzlich viele Chancen für die Zukunft: "Die Förderung von sozialen Entrepreneurships würde in Österreich unglaubliche Kreativitätspotenziale heben."
Corona und Kollaboration
Auf europäischer Ebene haben Stiftungen und philanthropische Organisationen ihre Aktivitäten im Zuge der Corona-Pandemie verstärkt und bereits mit Stand Mai 2020 insgesamt 1,1 Milliarden Euro zur Krisenbekämpfung aufgebracht, erklärte Delphine Moralis, Geschäftsführerin des als Interessenvertretung und Think-Tank fungierenden European Foundation Centre (EFC), im Gespräch mit APA-Science.
Zudem hätten diese Organisationen ihre Zusammenarbeit erhöht, da die derzeitigen Herausforderungen alle in einer Wechselbeziehung zueinander stehen - ob Klima, Migration, Pandemie oder (soziale) Ungleichheit: "Wir sehen uns Problemen gegenüber, die zu groß für jedes Land, jeden Sektor und jede Organisation alleine sind und versuchen daher, die Zusammenarbeit von Stiftungen auszubauen." Die Kollaborationen hätten sich sowohl zwischen philanthropischen Organisationen untereinander als auch im Zusammenspiel mit Behörden und den Empfängern von Zuwendungen verstärkt - etwa seien Gelder teils viel schneller ausbezahlt worden als üblich.
Stolpersteine für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von wohltätigen Organisationen ortet die Expertin unter anderem in den vielen fiskalischen und gesetzlichen Limitierungen innerhalb der EU und auch in den divergierenden Regelungen der einzelnen Länder. Die komplexe Sachlage ist in dem gemeinsam von EFC und DAFNE (Donors and Foundations Networks in Europe) erstellten Bericht "Comparative Highlights of Foundation Laws" ersichtlich, der die Situation in 40 Ländern vergleicht. "Wir sehen einen Bedarf, die Regulierungen in den verschiedenen EU-Ländern weiter zu straffen und auch die Regulierungen für Stiftungen zu modernisieren, und die Zeit das zu tun, ist jetzt", sagte Moralis.
Überschneidungen mit Forschung
Im Bereich Forschung und Entwicklung sei die Absicht gemeinnütziger Stiftungen bemerkbar, sich über die traditionelle Rolle als Ko-Finanzierer hinaus auch beim Design und bei der Umsetzung von Projekten einbringen zu wollen. "Philanthropie wurde als Schlüsselpartner in das Horizon-Europe-Rahmenprogramm inkludiert, und das ist wichtig für uns", betonte Moralis.
Überschneidungen bei Zukunftsthemen zwischen der Wissenschaft und der Philanthropie gibt es genug, ist die EFC-Leiterin überzeugt. Im Kontext mit Forschung seien zahlreiche horizontale und vertikale Themen zu nennen, bei denen sich Stiftungen engagieren - von Geschlechtergerechtigkeit über Open Science bis zur Verbindung von ökonomischem Wachstum mit der Schaffung von regionalen Arbeitsplätzen.
*Im Unterschied zu einer betriebswirtschaftlichen Bilanzierung werden bei der kameralistischen Buchführung nur Ausgaben und Einnahmen gegenübergestellt.
Service: Die Jahreskonferenz des European Foundation Centre (EFC) findet zum Thema "From crisis to opportunity - How can philanthropy accelerate sustainable change?" vom 18. bis 20. Oktober in Wien statt. Informationen und Programm: https://www.efc.be/annual-conference
(Diese Meldung ist Teil einer Medienkooperation mit der Erste Stiftung)