Popper sieht in Lockdown "extrem teure Maßnahme", die "wirken muss"
Eine "extrem teure Maßnahme", und zwar bei weitem nicht nur im wirtschaftlichen Sinn, sieht der Simulationsforscher Niki Popper im neuerlichen bundesweiten Lockdown. Dieser "wird und muss wirken, weil es ja eh schon die 'ultima ratio' ist", sagte er am Freitag zur APA. Nichtsdestotrotz müsse jetzt endlich die Impfquote steigen, Maßnahmen wirklich umgesetzt und PCR-Test-Ressourcen bundesweit geschaffen werden, um ohne weitere Verwerfungen durch den Winter zu kommen.
Erste Effekte könne man vielleicht schon in der Mitte der kommenden Woche sehen - obgleich dafür dann vor allem "Vorwegeffekte" verantwortlich zeichnen. Denn viele Menschen hätten sich schon in den vergangenen Tagen in ihrem Kontaktverhalten zurückgenommen. In der kommenden Woche könne sich aber schon zeigen, "in welche Richtung der Zug jetzt geht", sagte Popper.
Frage der Dynamik
Eine Einschätzung bezüglich der tatsächlichen Wirksamkeit sei dann sieben bis neun Tage nach Lockdownbeginn möglich. Die wichtigste Frage sei, "ob die Dynamik wirklich ausreichend schnell nach unten geht". Anders als bei einem "Niedrig-Inzidenz-Management" geht es bei einem Lockdown darum, dass die aktuellen Zahlen bei den Infektionen, aber vor allem auf den Intensivstationen, "schnell wirklich drastisch sinken". Nur das könne den jetzigen gesellschaftlichen Einsatz rechtfertigen.
Beim "psychisch, sozial und ökonomisch" sehr teuren Lockdown müsse man sich die Zielvorstellung sehr gut überlegen. "Uns interessiert bei so hohen Zahlen wie jetzt natürlich die Absolutzahl." Sind es dann weniger Neuinfektionen, werde aber interessanter, "wie schnell die Zahl noch sinkt", so Popper. Gehen etwa am Lockdownende die Werte pro Tag noch um jeweils rund zehn Prozent oder mehr hinunter, "ist das für uns aus dynamischer Sicht das wichtigere". Es gelte dann, das richtige Maß zwischen "lange genug" und "nicht zu lange" zu finden.
Klar sei, dass die mit "enormen Kosten verbundene" Notfalllösung Lockdown nur so lange wirkt, wie sie andauert, betone Popper: "Am wichtigsten ist nach wie vor das Impfen." Gerade bei den Erst- und Zweitimpfungen müsse mehr passieren. Bei der Grundimmunisierung hinke Österreich nämlich weiter vielen anderen Ländern hinterher. "Wenn wir das mit dem Impfen nicht hinbekommen, werden wir die aktuelle Situation wieder erleben." Ob eine angekündigte Impfpflicht hier die gewünschten Effekte bringt, kann Popper nicht einschätzen.
Gerade die Grundimmunisierungen entlasten aber längerfristig die Intensivstationen, weil ein schwerer Verlauf damit weitestgehend unterbunden wird. Das wäre für Februar und März sehr wichtig. Boosterimpfungen wirken schnell und tragen jetzt auch direkt zur Besserung bei. Für das erste Quartal 2022 sind sie wichtig, weil sie die Ausbreitungsdynamik reduzieren.
Zuviele Ungeimpfte
Insgesamt nennt Popper drei wichtige Bereiche, um mittelfristig die Lage ohne Lockdown zu beherrschen: Das Plateau an nicht geimpften Menschen "ist schlichtweg zu hoch". Hier müsse sich also zuerst etwas ändern, so der Wissenschafter von der Technischen Universität (TU) Wien und dem TU-Spin-off dwh, das Teil des Prognosekonsortiums ist. Zweitens müssen gesetzte Maßnahmen auch tatsächlich kontrolliert und umgesetzt werden. Drittens brauche es endlich bundesweit ein "Sicherheitsnetz" in Form einer funktionierenden PCR-Testinfrastruktur. Letzteres ist das Mittel, auf das man dann zurückgreifen kann, wenn regional Zahlen wieder zu steigen beginnen, um etwa Schulen offen zu halten.
Die aktuelle Situation sei leider wie eine ins Rutschen gekommene Lawine, die immer größer geworden ist. Basierend auf der bekannter Weise zu niedrigen Impfquote wurden die grundsätzlichen Maßnahmen zum Niedrig-Inzidenz-Management nicht effizient umgesetzt. Der Versuch, dem mit einem "Bremsblock" Herr zu werden, ist dann klar am fehlenden Bremsblock gescheitert. Denn ausreichend PCR-Tests waren nur in wenigen Regionen verfügbar, so Popper.
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